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„Alle Qualität wird vor Ort organisiert“

Akteure des Thüringer Gesundheitswesens stellten bei den 17. Weimarer Gesprächen zum Gesundheitswesen klar, welche Reibungspunkte in ihrem Alltag auftreten. Denn „alle Qualität wird vor Ort organisiert“, hält Dr. Christof Veit vom Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen fest.

Einige Erkenntnisse des Nachmittags, zu dem das Universitätsklinikum Jena und die Landesvertretung Thüringen der TK am 8. November 2017 eingeladen hatten, im Überblick:

Thüringen ist schneller als der Bund – und muss dran bleiben

Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und die 18. Deutsche Bundesregierung haben eine Qualitätsoffensive gestartet. Darauf bezogen sich fast alle Podiumsteilnehmer der Weimarer Gespräche. Zur Umsetzung all der nötigen und sinnvollen Maßnahmen sei man aber erst in etwa fünf Jahren wirklich schlauer, räumte Ministerialrat Markus Algermissen, Leiter der Unterabteilung Gesundheitsversorgung und Krankenhauswesen im BMG, ein.

So lange wollte Thüringen nicht warten, denn der siebte Thüringer Krankenhausplan erlaubte Ende 2016 keine weiteren Verzögerungen. Also definierte die Landesregierung ihren eigenen Maßstab, um Qualität in den Kliniken des Freistaats messbar, vielleicht sogar besser planbar zu machen. In einer Rechtsverordnung verankerte sie, dass Fachabteilungen mit mindestens 5,5 Vollzeitstellen für Ärzte ausgestattet sein müssen. Drei dieser Stellen sollen auf Fachärzte der jeweiligen Richtung entfallen. Die Begründung von Thüringens Gesundheitsministerin Heike Werner: „Nur wo es ausreichend Fachkräfte gibt, hat auch jeder Arzt genug Zeit für eine gute medizinische Versorgung inklusive der Arzt-Patientengespräche.“

Dr. Ellen Lundershausen im Gespräch mit Guido Dressel.

Befürworterin der Facharztquote ist unter anderem Dr. Ellen Lundershausen, Präsidentin der Landesärztekammer Thüringen. Gemeinsam mit ihren Kollegen unterstützt sie bei der Umsetzung der Verordnung mit ihrem Fachwissen. Damit will die Landesregierung auch sicherstellen, dass Theorie und Praxis zusammenpassen – eine der zentralen Forderungen von Dr. Gundula Werner, Vorstandsvorsitzende der Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen.

Nicht klar ist bis jetzt, wie der Gesetzestext zur Quote konkret mit Leben gefüllt wird. Welche Ausnahmen gibt es? Was passiert mit bestehenden Abteilungen, die die Quote nicht erfüllen? Wie wird die Quote zukünftig kontrolliert? Das müsse sich am konkreten Beispiel zeigen, sagte die Gesundheitsministerin. „Mir persönlich ist das ein bisschen zu viel Abwarten, denn das Übergangsjahr 2017 ist fast um“, sagte Guido Dressel, Leiter der TK-Landesvertretung Thüringen.

„Die Verordnung zur Facharztquote war gut und wichtig. Nun wäre es ärgerlich, wenn sie auf dem Papier schön aussieht, aber wirkungslos bleibt.“

Facharztregister könnte helfen

Dressels Vorschlag: Die Landesärztekammer soll ein Facharztregister für Kliniken führen, ähnlich wie es im ambulanten Bereich völlig normal ist. Einmal jährlich aktualisiert gäbe es einen guten Überblick über die stationär tätigen Ärzte. Damit könnte einfach nachvollzogen werden, ob eine Klinik die geforderte Facharztquote von mindestens 5,5 Vollzeitstellen je Fachabteilung einhält. Lundershausen hält die Idee für praktikabel und wäre dabei. „Aber dazu fehlt uns aktuell der gesetzliche Auftrag.“ Was sich ja ändern ließe…

Ob Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, das meinte, als er bei seinem Statement in Weimar sagte: „Wir werden erleben, dass die Qualitätsindikatoren des Bundes am Ende keine Relevanz für die Krankenhausplanung im Land haben“? Sind die Länder am Ende schneller als der Bund?

Bei den Mindestmengen-Regelungen liegt Deutschland im europäischen Vergleich weit zurück

Natürlich gibt es bereits etablierte – auch bundesweite – Qualitätsstandards in Kliniken. Zum Beispiel die sogenannten Mindestmengenregelungen. Bestimmte Operationen dürfen in Krankenhäusern nur durchgeführt werden, wenn sie dort in einer definierten Anzahl auftreten. „Wer viel operiert, macht weniger Fehler“ ist die Logik dahinter. Das betrifft nicht nur den Arzt, sondern das gesamte Team. Der Zusammenhang zwischen Routine bei Eingriffen und dem Behandlungsergebnis ist durch zahlreiche Untersuchungen belegt.

„Umso erstaunlicher ist es, dass Deutschland das Thema Mindestmengen im europäischen Vergleich immer noch stiefmütterlich behandelt. Wir haben es hier mit einem erwiesenen Qualitätsparameter zu tun, den wir viel konsequenter nutzen müssen“, sagte Prof. Dr. Albrecht Stier, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie und Chefarzt am Helios Klinikum Erfurt.

Dr. Jens Maschmann spricht vor den rund 50 Gästen der 17. Weimarer Gespräche.

Dr. Gundula Werner war überzeugt, dass Qualität im Krankenhaus nur mit ausreichend Personal möglich ist. Die Aussagen hätten wohl alle Teilnehmer der Weimarer Gespräche zum Gesundheitswesen unterschrieben. Stiers Schlussfolgerung: „Ohne Fokussierung und Spezialisierung der Kliniken wird flächendeckend gute Medizin in fünf Jahren nicht mehr möglich sein. Wir werden schlicht nicht genug Menschen haben, um die Arbeit zu machen.“

Zusätzliche Dokumentation nicht erforderlich

Ressourcen, und ganz besonders die Ressource Mensch, waren immer wieder ein zentraler Punkt in den Statements und Diskussionsrunden in Weimar. „Wer dokumentieren muss, um Qualität zu messen, hat keine Zeit für Patienten“, hieß es zum Beispiel sinngemäß. Für Dr. Ilona Köster-Steinebach wird andersherum ein Schuh aus der Sache: „Wer gute Medizin macht, soll auch belastbare Zahlen haben, um mehr Ressourcen zu fordern“, sagte die Gesundheitsreferentin beim Verbraucherzentrale-Bundesverband und Patientenvertreterin im Gemeinsamen Bundesausschuss.

Gute und sehr gute Qualität solle besser sichtbar gemacht werden: „Es sind alle Indikatoren zur Qualitätsmessung vorhanden, sie müssen nur angewandt und ausgewertet werden.“

Mehr Dokumentationsaufwand sei also nicht nötig – mit dieser Aussage sollten vielleicht alle Qualitätsdebatten eröffnet werden. Oder aber mit den Worten von Dr. Jens Maschmann, Medizinischer Vorstand des Universitätsklinikums Jena: „Finanzielle Incentivierung darf keine Rolle bei der Qualitätserhebung spielen. Die Unabhängigkeit ist ausschlaggebend für eine aussagekräftige Qualitätsmessung.“


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