Ein wichtiger Schritt. Denn die aktuellen Zahlen sind mehr als alarmierend: In Deutschland warten derzeit 10.000 Menschen auf ein lebensrettendes Spenderorgan. Doch die Anzahl der Organspender ist seit Jahren rückläufig. 2017 hat sie ihren bisher traurigen Tiefpunkt erreicht, mit 797 Organspendern – der niedrigste Stand seit 20 Jahren.
Dabei steht laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) 84 Prozent der Bevölkerung der Organspende eher positiv gegenüber. 36 Prozent besitzen einen Organspendeausweis und 72 Prozent davon haben darauf dokumentiert, nach ihrem Tod Organe zu spenden.
Organspendebereitschaft ist in Deutschland hoch
Trotzdem kommt es nur in ein bis zwei Prozent der möglichen Fälle tatsächlich zu einer Organspende. Wie kann das sein?
Während meiner chirurgischen Tätigkeit war ich lange Teil eines Transplantationsteams und habe Gespräche mit Angehörigen geführt, um die Option einer Organentnahme zu besprechen. Ebenso war ich zur Organentnahme in vielen Kliniken und habe mit den Ärzten vor Ort über ihre Probleme sprechen können.
Aus eigener Erfahrung kann ich daher sagen: der Minister hat mit seinem Ansatz völlig recht. Was wir direkt anpacken müssen, ist, die Entnahmekliniken in Deutschland zu stärken. Also die Kliniken, in denen potenzielle Organspender identifiziert und in denen die Organe entnommen werden, bevor sie an einen Patienten auf der Warteliste weitergleitet werden.
Diesen wichtigen Schritt ist die Regierung jetzt mit dem neuen Gesetz gegangen. Dabei setzt sie unter anderem auf zwei wichtige Aspekte: Zum einen auf die Stärkung der Transplantationsbeauftragten in den Krankenhäusern und zum anderen auf die Finanzierung.
Organspende braucht Zeit und Geld
Zurzeit ist es so: Jede Entnahmeklinik muss einen Arzt als Transplantationsbeauftragten benennen. Diese haben eine immense Aufgabe zu stemmen – und das neben ihrer normalen stationären Tätigkeit. Sie sind Schnittstelle zwischen Patienten, Ärzten, Angehörigen und Pflegepersonal. Im schnelllebigen Klinikalltag müssen sie entscheiden, ob ein hirntoter Patient als Organspender in Frage kommt. Und sie haben die schwere Aufgabe mit den Angehörigen darüber zu reden und sie in diesem Prozess zu begleiten. Darüber hinaus organisieren sie interne Fortbildungen und treiben das Thema in den Kliniken voran. Das kann nicht mal eben in der Mittagspause geleistet werden, dafür braucht es Zeit und Kapazität. Und Geld.
Erstmals verbindliche Regeln für die Krankenhäuser
Mit dem „Gesetz für bessere Zusammenarbeit und bessere Strukturen bei Organspenden“ bringt die Regierung jetzt erstmals verbindliche Regelungen in die Abläufe der Entnahmekrankenhäuser ein. Es wird gesetzlich festlegt, wann und wie lange die Transplantationsbeauftragten freigestellt werden. Dass dieser Ansatz greift, zeigt Bayern. Dort wurden bereits 2017 auf Länderebene die Aufgaben und die Freistellung für die Beauftragten festgelegt. Entgegen dem Bundestrend stieg die Zahl der Organspender dort im letzten Jahr um 18 Prozent auf insgesamt 143. Dieses Mehr an Leistungen der Transplantationsbeauftragten muss auch angemessen vergütet werden und das wird es jetzt.
Kein Krankenhaus darf einen finanziellen Nachteil haben
Genauso wichtig ist die kostendeckende Vergütung aller anderen Prozesse, die mit Organspenden zu tun haben. Es darf keinem Krankenhaus ein finanzieller Nachteil dadurch entstehen, dass es eine Organentnahme vornimmt. So ein Eingriff ist hochkomplex. Nicht selten kommen mehrere Intensivmediziner und Assistenten bei so einer Operation – bei der es sprichwörtlich um Leben und Tod geht – zum Einsatz. Personal, das an anderer Stelle zu der Zeit fehlt.
Auch das muss entsprechend vergütet werden – allerdings nicht nach dem Gießkannenprinzip mit neuen Pauschalen. Dafür gibt es Spezialisten. Im Fall der Organspende ist es das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK). Nur das IneK kann den Bedarf einer angemessenen Aufwandspauschale für die Entnahmekrankenhäuser konkret ermitteln und damit für die notwendige Transparenz sorgen. Denn das Wichtigste ist: Es darf keinen finanziellen Vorteil geben, Organe zu entnehmen. Das wäre ethisch nicht vertretbar und würde das langsam wieder aufgebaute Vertrauen der Bevölkerung in das Thema Organspende mit einem Schlag wieder zunichtemachen.
Widerspruchsregelung muss gesamtgesellschaftlich diskutiert werden
In den Debatten wird immer wieder die Forderung nach einer Widerspruchslösung laut. Also, dass jeder Mensch ab seiner Geburt potenzieller Organspender ist, außer er widerspricht aktiv. Diese Regelung gilt in einigen unserer europäischen Nachbarländer, wie zum Beispiel in Spanien, Italien und Frankreich. Auch wenn dadurch die Spenderzahlen eventuell steigen würden – Ich persönlich bin kein Anhänger einen solchen Lösung, widerspricht sie in meinen Augen doch dem Gedanken einer Spende. Viel wichtiger ist eine breite Aufklärung möglicher Spender und ein fundiertes, ausführliches Gespräch mit dem Arzt, das den Angehörigen eine bessere Entscheidung für oder auch gegen eine Organspende ermöglicht.
Ein Systemwechsel zu einer Widerspruchslösung ist auf jeden Fall eine ethische und sehr persönliche Frage, die ausführlich gesamtgesellschaftlich diskutiert werden muss. Daher gehört diese Diskussion, wie jetzt auch von unserem Bundesgesundheitsminister angeregt und von unserer Bundeskanzlerin befürwortet, in den Bundestag.