Ein Viertel aller Studierenden ist im Dauerstress. Das zeigt eine aktuelle Studie der TK in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) und der Freien Universität Berlin zur Gesundheit von Studierenden in Deutschland. Psychische Belastungen sind im Vergleich zu gleichaltrigen Nicht-Studierenden deutlich stärker ausgeprägt – vor allem bei den weiblichen Studierenden.
Luisa und Benjamin (Namen von der Redaktion geändert) studieren beide an einer deutschen Universität und sind Mitte 20. Für Luisa ist die Unistadt auch Heimatstadt. Sie studiert Biologie und Chemie im Bachelor und finanziert sich ihr Studium durch mehrere Nebenjobs. Für Benjamin bedeutete der Studienbeginn einen Wohnortwechsel. Er bezieht Bafög und erhält finanzielle Unterstützung von seinen Eltern, um sein Masterstudium in Soziologie zu bestreiten.
Ihr studiert nun beide schon einige Zeit, wie gefällt euch euer Studium?
Luisa: Mir gefällt mein Studium an sich eigentlich richtig gut. Ich studiere Biologie und Chemie – genau das, was ich immer machen wollte.
Benjamin: Mein Studentenleben ist wirklich toll. Ich mag die Stadt, die Uni, die Menschen. Das Soziologie-Studium ist auch in Ordnung. Es ist zwar nicht genau das, was ich mal geplant hatte, aber es gefällt mir inzwischen ganz gut. Ich bin relativ frei in der Wahl meiner Module und hab Zeit, viel nebenbei zu machen – Freunde treffen, zum Sport gehen oder natürlich auch mal feiern.
Laut unserer aktuellen Studie fühlen sich Studierende oft gestresst. Wie ist das bei euch?
Luisa: Der Druck, Vollzeit zu studieren und dann noch nebenbei arbeiten zu müssen, um mir mein Leben zu finanzieren, belastet mich tatsächlich extrem. Das ist inzwischen kaum zu schaffen. Für Freunde und andere Dinge bleibt oft zu wenig Zeit. Meistens fehlt mir auch das Geld, um mich größeren Aktivitäten anzuschließen. Vor allem in den Klausurphasen, von denen ich eh sehr wenig halte, kann ich oft nicht mehr – sowohl physisch als auch psychisch. Durch die Arbeit nebenbei – und ich muss arbeiten, sonst kann ich nicht leben -, bin ich gezwungen, die Lehrinhalte einfach nur auswendig zu lernen.
Benjamin: Bei mir ist es gar nicht so stressig. Ich schreibe in der Regel Hausarbeiten, daher kann ich schon im Semester anfangen und habe keine richtige Klausurphase. Ich habe eher Angst, wenn ich an meine Zukunft denke. Mit einem Soziologiestudium, was ich ehrlich gesagt auch nur mittelmäßig abschließen werde, stehen einem jetzt nicht alle beruflichen Türen offen. Ich studiere halt kein Medizin oder ein MINT-Fach. Die brauchen sich keine Sorgen zu machen. Und dann kommt ja auch noch die Rückzahlung meiner Bafög-Schulden auf mich zu, das ist schon extrem viel nach fast fünf Jahren Studium.
Was muss sich eurer Meinung nach ändern?
Luisa: Auf jeden Fall würde ich mir wünschen, dass der gesellschaftliche Druck, ein Studium in Regelstudienzeit zu beenden, abnimmt. Und natürlich auch meine finanzielle Situation. Das eine bedingt aber das andere. Neben einem Vollzeitstudium zu arbeiten ist auf Dauer psychisch sehr belastend. Ich fühle mich manchmal fast ein bisschen depressiv.
Wie können Hochschulen Studierende konkret unterstützen, um Stress zu reduzieren?
Benjamin: Meine Uni bietet viele kostenfreie Sportkurse an. Und Sport ist ein guter Ausgleich. Am Anfang hätte ich vielleicht einen Mentor gebraucht, der mir erklärt, worauf es im Studium ankommt, wie man sein eigenes Leben ein bisschen organisiert, besonders in Stresssituationen. Angst bereitet mir, dass ich bis jetzt kaum praktische Erfahrungen sammeln konnte. Mein Studium ist sehr theoretisch und ich habe mich daher häufig auf Praktika beworben. Aber natürlich fällt dies immer in die semesterfreie Zeit, in der sich alle Studierenden bewerben. Und dann jedes Mal eine Absage mit der Begründung zu bekommen, dass ich zu wenig praktische Erfahrung gesammelt hätte, ist schon paradox. Denn gerade die möchte ich ja dort sammeln. Da würde ich mir sowohl mehr Verständnis von Arbeitgeberseite wünschen, als auch bessere strukturelle Möglichkeiten durch meine Hochschule.
Luisa: Also wenn die Zeiten der Klausuren und Abgabefristen zum Beispiel entzerrt oder Lehrmethoden sinnvoller angepasst würden, wäre das schon wirklich hilfreich.
Weitere Infos
Seit mehr als 15 Jahren engagiert sich die TK mit einem ganzheitlichen Ansatz für Gesundheitsförderung an Hochschulen. Mit dem bundesweiten „Arbeitskreis Gesundheitsfördernde Hochschulen“ und der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V. wurde darauf aufbauend das Studentische Gesundheitsmanagement (SGM) entwickelt. 2018 ist beispielsweise die Seminarreihe „SGM – wie geht denn das?“ gestartet, die sich an verschiedene Akteure in den Hochschulen richtet. Dort werden Umsetzungsmöglichkeiten von Analyse über Planung bis zur Durchführung und Evaluation eines SGM vorgestellt. In jedem Seminar werden diese Schritte mit praktischen Beispielen aus Hochschulen veranschaulicht.