Jessica Kneißler

Pendeln geht auf die Psyche

Viele kennen das: Schon in der Dunkelheit aufbrechen und im Dunkeln nach Hause kommen – gerade im Winter für Berufspendler Alltag. Was macht das mit uns?

Der Report „Mobilität in der Arbeitswelt“ nimmt die Pendlergesundheit unter die Lupe. Für die vorliegende Studie wurden Daten von 2011 bis 2017 der jahresdurchschnittlich 3,6 bis 4,8 Millionen TK-versicherten Beschäftigten von 15 bis unter 65 Jahren untersucht. Wir haben dazu Utz Niklas Walter vom Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) befragt, der die Studie gemeinsam mit seinen Kollegen Filip Mess und Hannah Tendyck durchgeführt hat.

Beschäftigte in Deutschland müssen immer flexibler sein, was den Weg zur Arbeit angeht. Wie hat sich das in den letzten Jahren entwickelt?

Insgesamt offenbart die aktuelle Datenlage in Deutschland eine eindeutige Entwicklung hin zu mehr Pendlern, weiteren Pendelstrecken und längeren Pendelzeiten. Die Anzahl an Pendlern ist in den vergangenen 15 Jahren stark gestiegen. Fast die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland sind Berufspendler, das heißt, ihr Arbeitsplatz liegt in einem anderen Kreis als ihr Zuhause. Neben dem Anstieg der Pendlerzahl hat im gleichen Zeitraum auch eine Erhöhung des durchschnittlichen einfachen Arbeitsweges von 14,6 auf 16,8 Kilometer stattgefunden – und damit auch der Pendelzeit. Es gibt vor allem mehr Fernpendler. Es bestehen jedoch starke regionale Unterschiede innerhalb der Bundesrepublik mit ausgeprägten Pendlerströmen in Richtung der Großstädte, Stadtstaaten und dem Westen Deutschlands.

In welchen Branchen finden sich die meisten Berufspendler?

Der typische Pendler in Deutschland nutzt das Auto, ist männlich und zwischen 35 und 55 Jahre alt. Er ist hochqualifizierter Haupt- und Besserverdiener, der einer Vollzeitbeschäftigung im Dienstleistungsgewerbe nachgeht. Wenn wir uns die genauen Zahlen nach Branchen anschauen, dann lässt sich folgendes sagen: Den höchsten Anteil an Berufspendlern gibt es in der Luftfahrtbranche (z. B. Piloten, Servicefachkräfte). Auch Vertriebsmitarbeiter und Beschäftigte des IT-Sektors pendeln sehr häufig zur Arbeit. Die wenigsten Pendler gibt es in der Agrar- und Ernährungsbranche sowie bei Angestellten in privaten Haushalten (z. B. Hauswirtschafter, Reinigungskräfte).

Welchen Einfluss hat das Pendeln laut der Erhebung auf das gesundheitliche Wohlbefinden?

Die derzeitige Studienlage zeigt, dass das Pendeln tendenziell mit zahlreichen psychischen, körperlichen und sozialen Gesundheitsbelastungen verknüpft ist. Die konkrete gesundheitliche Auswirkung des Pendelns ist jedoch von fünf entscheidenden Faktoren abhängig: Pendelmodus, Pendelentfernung, Pendeldauer, Geschlecht, und Erlebnisse auf der Pendelstrecke. Besonders das Pendeln mit dem Auto, das Pendeln über weite Entfernungen und das Pendeln über eine lange Zeitdauer beeinträchtigt den Gesundheitszustand. Zudem leiden Frauen stärker als Männer unter den negativen gesundheitlichen Folgen des Pendelns, obwohl sie insgesamt weniger lange und weit pendeln. Durchweg positive Folgen für die psychische und körperliche Gesundheit lassen sich hingegen beim aktiven Pendeln mit dem Fahrrad und zu Fuß beobachten.

Wie kann aus Ihrer Sicht Betriebliches Gesundheitsmanagement Pendler unterstützen?

Utz Niklas Walter vom Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung

Hier kann auf Verhältnisebene einiges bewirkt werden. Zunächst wären hier die Regelungen zur Heimarbeit zu nennen. Je mehr Möglichkeiten ich habe, vom Home-Office aus zu arbeiten, desto besser ist das natürlich für Gesundheit und Wohlbefinden. Zudem ist es hilfreich, wenn Unternehmen die Gleitzeit- und Teilzeitarbeit stärken, da sich so das Pendeln zur Rush-Hour eher umgehen lässt. Bei Berufen mit festem Schichtbeginn ist das natürlich schwieriger. Hier gibt es erfolgreiche Ansätze in Ballungsräumen, wo Großunternehmen ihre Schichten leicht versetzt beginnen lassen, was den Verkehr auf den umliegenden Straßen und Autobahnen entlastet. Ansonsten ist es immer gut, wenn sich die Sozialberatung im Unternehmen mit dem Thema Pendeln auskennt, um gegebenenfalls beraten zu können.

Was raten Sie Berufspendlern, um sich selbst vor negativen Folgen zu schützen?

Zunächst einmal ist das Häuschen im Grünen in Stadtnähe natürlich toll, aber Arbeitnehmer sollten sich nicht übernehmen, was die Anfahrtsdauer angeht. Vor allem nicht, wenn ihr Arbeitgeber in Bezug auf Gleitzeit, Teilzeit und Heimarbeit nicht sonderlich offen ist. Den Belastungen können Berufspendler am besten durch eine Stärkung ihrer Ressourcen begegnen. Ausreichend Bewegung, Entspannung und Schlaf sind hier ganz entscheidend. Auch der soziale Aspekt ist wichtig. Wenn schon zusätzlich zur Arbeit einige Stunden auf der Straße oder im Zug verbracht werden, dann ist es umso wichtiger, zuhause möglichst viel Zeit für sich und die Familie zu haben. Eine klare Trennung von Arbeit und Privatleben ist bei Pendlern besonders essenziell. Auf der Wegstrecke nach Hause sollte der Schalter umgelegt werden. Hier bieten sich Rituale wie das Hören von Podcasts oder ein Anruf bei Freunden an.


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