Kerstin Grießmeier

Brennpunkt Pflege: „Wir müssen möglichst früh ansetzen“

Thomas Ballast, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der TK, spricht anlässlich der Berliner Pflegekonferenz über PPSG, Finanzierbarkeit und mögliche Lösungen für die Zukunft der Pflege.

Herr Ballast, Sie sind Keynote-Speaker auf der Berliner Pflegekonferenz: Im Thema Pflege ist politisch viel in Bewegung – wie bewerten Sie die aktuellen Vorstöße?

Es ist gut, dass sich in der Pflege etwas bewegt. Wir haben schon heute über 3,3 Millionen Pflegebedürftige und wissen, dass ihr Anteil an der Bevölkerung zunimmt. Mit dem Pflegepersonalstärkungsgesetzt (PPSG) will die Koalition die Lage in der Kranken- und Altenpflege verbessern. Dieses Sofortprogramm für die Pflege zeigt, dass die Notwendigkeit, Pflegeberufe attraktiver zu machen, erkannt wurde. Denn neben Geld – das allerdings komplett von der GKV kommen soll – und politischem Willen fehlt es vor allem an den nötigen Pflegekräften. Die weiteren Schritte werden zeigen, wie erfolgreich diese ersten Maßnahmen sind.

Wir müssen aber kritisch beobachten, wie sich die Rivalität der einzelnen Pflegebereiche auf die Verteilung der Fachkräfte auswirken wird.

Und wir dürfen nicht vergessen, dass die professionellen Pflegekräfte das nicht allein stemmen können. Schon heute geht in der Pflege nichts ohne pflegende Angehörige.

Thomas Ballast, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der TK

Die Politik hat jüngst angekündigt, nun auch diese informell Pflegenden in den Blick zu nehmen. Was erwarten Sie sich davon?

Bislang wurde öffentlich über die Möglichkeit diskutiert, dass pflegende Angehörige während einer stationären Rehabilitationsmaßnahme die Möglichkeit erhalten sollen, ihre pflegebedürftigen Angehörigen in der gleichen Einrichtung oder anderweitig unterzubringen. Ich hoffe sehr, das bleibt nicht die einzige Maßnahme in Richtung Angehörige.

Wichtig ist die Entlastung im Pflege-Alltag. Durch Befragungen wissen wir, dass Pflegende häufig gesundheitlich belastet sind. Wenn eine Rehabilitation ansteht, ist das Kind ja bereits in den Brunnen gefallen. Außerdem findet nicht jeder Pflegende die Zeit, sich aktiv um Maßnahmen für die eigene Gesundheit zu kümmern. Teilweise werden eigene stationäre Behandlungen aufgrund der Pflege hinausgeschoben.

Was schlagen Sie vor?

Wir müssen deutlich früher ansetzen und dafür sorgen, dass Menschen länger selbständig in den eigenen vier Wänden leben können. Und wir müssen pflegende Angehörige unterstützen und dabei auch an diejenigen denken, die nicht dem klassischen Bild entsprechen, etwa der Pflege des Ehepartners. Welche Möglichkeiten gibt es beispielsweise für Kinder oder Enkel, die nicht im gleichen Haushalt wohnen und dennoch ihren Beitrag leisten wollen? Das müssen wir uns genauso fragen – immerhin können sich laut einer repräsentativen Umfrage 86 Prozent grundsätzlich vorstellen, mehrere Stunden pro Woche zu pflegen. Dazu müssen wir die Chancen der Digitalisierung nutzen, ‚ambient assisted living‘ ist hier nur ein Stichwort.

Sind weitere Investitionen in die Pflege überhaupt machbar – immerhin bestimmt derzeit die Beitragserhöhung für die Soziale Pflegeversicherung die Schlagzeilen?

Natürlich können wir den Pflegebeitrag nicht unendlich weiter erhöhen. Gleichzeitig muss uns aber bei unseren Entscheidungen auch bewusst sein: Jeder Cent, den wir heute in den Ausbau der Chancen für eine lange Selbständigkeit und ambulante Unterstützung oder Pflege stecken, zahlt sich aus, wenn dadurch eine stationäre Unterbringung verhindert wird. Zudem entspricht das Wohnen im eigenen Haushalt auch dem Wunsch der Mehrheit der Menschen in Deutschland, wie Befragungen zeigen.

Herausforderungen in der Pflege – das Statement von Thomas Ballast bei der Pflegekonferenz 2018 in Berlin:


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