Anne Wunsch

Immer weniger junge Frauen setzen auf Antibaby-Pille

Die Antibabypille ist eines der sichersten und meist genutzten Verhütungsmittel. Allerdings setzen offenbar immer weniger junge Frauen auf diese Methode. Warum das so ist und welcher Risiken man sich bewusst sein sollte, erläutert uns Dr. Sandra Neitemeier.

1961 gab es in Deutschland erstmals die Pille auf Rezept. Ein Meilenstein für die sexuelle Selbstbestimmung der Frauen. Der sogenannte Pearl-Index, der als Maß für die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Verhütungsmitteln gilt, beträgt für die Pille abhängig vom Präparat etwa 0,1 bis 0,9. Je niedriger der Pearl-Index, desto sicherer ist die jeweilige Methode.

Trotzdem geht der Anteil der jungen Frauen, die mit der Antibabypille verhüten, immer weiter zurück. Nur 48 Prozent und damit weniger als die Hälfte der TK-versicherten Frauen zwischen 16 und 19 Jahren bekam 2018 die Pille verordnet. In den Jahren 2013 und 2014 nahmen noch 60 Prozent der jungen Frauen in diesem Alter sogenannte orale Kontrazeptiva. Das ergab eine Auswertung unserer Routinedaten.

Mögliche Gründe dafür und weitere Hintergründe zur Antibabypille erläutert uns Apothekerin Dr. Sandra Neitemeier, die bei der TK als Expertin für Arzneimittel tätig ist.

Frau Dr. Neitemeier, bei Antibabypillen gibt es verschiedene „Generationen“ – die sogenannten älteren Generationen (1. und 2. Generation) und die neueren Generationen (3. und 4. Generation). Was unterscheidet diese?

Die Generationen beziehen sich auf den Zeitpunkt, zu dem die Präparate auf den Markt gekommen sind. Je nach Generation ist der Hormonanteil unterschiedlich. In der Regel enthalten Antibabypillen zwei Hormonkomponenten, ein Östrogen und ein Gestagen. Antibabypillen der dritten und vierten Generation enthalten neu entwickelte Gestagene, wie beispielsweise Gestoden oder Desogestrel (dritte Generation) oder Drospirenon (vierte Generation). Diese Präparate versprechen neben der verhütenden Wirkung unter anderem auch eine Verbesserung des Hautbildes, sind aber als risikoreicher zu bewerten, weil sie ein höheres Thromboserisiko aufweisen. Auch wenn diese Erkrankungen im Zusammenhang mit der Pille selten vorkommen (je nach Wirkstoff bei 5 bis 12 von 10.000 Frauen), ist es wichtig, dass Frauen mit ihrem Gynäkologen oder ihrer Gynäkologin genau besprechen, welche Pille für sie am besten geeignet ist und sich nicht von Versprechungen wie einem verbesserten Hautbild leiten lassen.

Besonders die Pillen der 4. Generation mit dem Gestagen Drospirenon standen wegen des höheren Thromboserisikos in der öffentlichen Kritik. Welche Entwicklungen gibt es da?

Dr. Sandra Neitemeier arbeitet als Apothekerin im Bereich Arzneimittelverordnungen bei der TK.

Unsere aktuellen Daten zeigen, dass immer weniger TK-versicherte junge Frauen und Mädchen zwischen 11 und 19 Jahren Pillen mit Drospirenon einnehmen. Im Jahr 2010 machten diese Pillen bei ihnen noch 18 Prozent aus, 2018 nur noch 1,9  Prozent. Das ist aus unserer Sicht eine erfreuliche Entwicklung. Es scheint so, dass Ärztinnen und Ärzte sowie Patientinnen sensibler bei dem Thema geworden sind. Generell sehen wir aber, dass 2018 etwas mehr junge Frauen Pillen der neueren Generationen eingenommen haben als Pillen der älteren Generationen.

Wie entwickeln sich die Verordnungszahlen bei TK-versicherten Mädchen generell?

Unsere Auswertungen zeigen, dass immer weniger junge Frauen bis 19 Jahre eine Antibabypille einnehmen. Über die Gründe für diese Entwicklung können wir nur spekulieren. Auf jeden Fall ist die Aufmerksamkeit für das Thema höher als noch vor ein paar Jahren. Klar ist jedoch: Auch andere hormonelle Verhütungsmittel wie Hormonspiralen oder Depotpflaster entfalten ihre empfängnisverhütende Wirkung mit Gestagenen der verschiedenen Generationen. Wie bei der Einnahme von Gestagenen über die Pille können auch bei diesen Formen der Verhütung Nebenwirkungen auftreten.

Info: TK übernimmt Kosten bis einschließlich 21 Jahre

Die TK übernimmt seit diesem Jahr die Kosten für die Antibabypille bis zum 22. Geburtstag. Handelt es sich um ein empfängnisverhütendes Mittel zu therapeutischen Zwecken, werden die Kosten auch darüber hinaus übernommen. Ab 18 Jahren greift dabei die gesetzliche Zuzahlung in Höhe von zehn Prozent des Verkaufspreises, mindestens fünf Euro und höchstens zehn Euro.

Noch mehr Antworten zur Pille liefert unser FAQ auf www.tk.de.


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2 Kommentare

  • FLORIAN

    Interessant wäre, wenn in dem Artikel auch die Nebenwirkungen wie erhöhtes Suizidrisiko erwähnt würden. Die psychischen Nebenwirkungen werden viel zu wenig thematisiert und sind m. E. essentiell für solch einen Artikel.

    • Redaktion

      Hallo Florian, danke für den Kommentar. Das ist natürlich ein wichtiges Thema! Auf Empfehlung der Europäischen Arzneimittel-Agentur werden Anwenderinnen im Beipackzettel künftig auf das Risiko einer Depression bzw. einer depressiven Verstimmung durch hormonelle Verhütungsmittel wie die Antibabypille hingewiesen. Laut Fachinformation treten depressive Verstimmungen gelegentlich, also bei maximal einer von 100 Frauen, und Depressionen selten, d.h. bei einer von 1.000 Frauen, auf. Unser Fokus im Artikel lag vor allem auf den Verschreibungen der Antibabypille.