Johanna Küther

BGM: „Mit einem aufmunternden Spruch ist niemandem geholfen“

Die aktuelle #whatsnext-Studie ist Bestandsaufnahme und Trendausblick zugleich für das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM). HR-Managerin Cora Münz von OTTO schildert, wie BGM bei dem Großkonzern umgesetzt wird – und erklärt, warum Daten auch im BGM ein entscheidender Faktor sind.

Frau Münz, welche Rolle spielt die Gesundheit von Mitarbeitenden bei Ihnen im Unternehmen?

Betriebliches Gesundheitsmanagement hat bei OTTO schon seit Langem einen sehr hohen Stellenwert. So blicken wir als Vorreiter in Deutschland auf gut 20 Jahre BGM zurück. Anfänglich lag der Schwerpunkt auf dem Arbeits- und Gesundheitsschutz. Seit circa zehn Jahren bieten wir psychosoziale Beratung an, und spätestens seit 2018 fokussieren wir uns verstärkt auf die psychische Gesundheit. Auslöser war der damalige Fehlzeitenreport der TK: Hier rangierten psychische Diagnosen als Krankheitsgrund bei unseren Beschäftigten weit oben.

Ein einmaliger Aufschlag reicht natürlich nicht aus, es braucht regelmäßige Angebote.

Cora Münz ist bei OTTO HR-Managerin.

Welche konkreten Maßnahmen gibt es bei Ihnen in diesem Bereich?

2018 wollten wir mit der Kampagne „mindful@OTTO“ zuallererst das Thema psychische Gesundheit entstigmatisieren und gesprächsfähig machen. Wir alle haben eine Idee, wie wir den Kollegen mit gebrochenem Bein unterstützen können, aber bei einer Depression ist niemandem mit einem Glas Wasser und einem aufmunternden Spruch geholfen. Dazu gab es verschiedene Formate, wie eine Paneldiskussion, in der Betroffene sehr offen von ihren Erkrankungen gesprochen haben. Aber auch eine Ausstellung, die mithilfe von einem dunklen Tunnel und negativen Glaubenssätzen und Gedanken per Kopfhörer Depressionen simulierte. Daneben gab es humorvolle Formate, unter anderem mit Eckart von Hirschhausen. Wichtig ist: Ein einmaliger Aufschlag reicht natürlich nicht aus, es braucht regelmäßige Angebote. Daher bieten wir quartalsweise Präventionskurse zum Beispiel zur Entspannung an.

Wie hat sich bei OTTO das BGM in den vergangenen Jahren verändert?

Wie unsere Arbeit hat sich auch das BGM mit Beginn der Corona-Pandemie stark ins Virtuelle verlagert. Heute ergänzen sich Online- und Präsenzangebote, auch weil viele Mitarbeitenden das so wünschen. Rund 80 Prozent haben bei der letzten Befragung angegeben, dass sie gute oder sehr gute Arbeitsbedingungen im Homeoffice haben. Warum sollten wir sie dann für ein Gesundheitsangebot auf dem Campus holen? Wir müssen uns an die Bedürfnisse anpassen. Eine Meditation beispielsweise findet heute nicht mehr nur in unserem Meditationsraum auf dem Otto-Campus statt, sondern auch virtuell, teils mit viel mehr Teilnehmenden als zuvor.

Wie entwickeln Sie Ihre Angebote?

Es bringt nichts, BGM-Maßnahmen mit der Gießkanne auszuschütten. Daher gehen wir das Thema strukturiert und datengetrieben an. So befragen wir im Rahmen des „Work Health Radar“ einmal pro Jahr die Beschäftigten mit dem Schwerpunkt Gesundheit, Kultur, Zusammenarbeit und Führung. Beim dreimal jährlich erhobenen „High Five“ legen wir den Fokus auf die organisatorische Fitness. Gemeinsam mit den Führungskräften schauen wir uns individuell die Datenlage ihrer Abteilungen an und beraten zielgerichtet, welche Angebote wo sinnvoll sind. Überhaupt sind Führungskräfte wichtige Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für das Thema. Daher setzen wir neben Angeboten zur körperlichen und psychischen Gesundheit intensiv auf ihre Weiterbildung und bieten verschiedene Formate zur achtsamen Selbstführung oder gesunden Führung an. Hier sollte nicht am falschen Ende gespart werden.

Welche Tipps haben Sie für kleinere Unternehmen mit geringeren Ressourcen?

BGM muss nicht zwangsläufig kostenintensiv und aufwendig sein. Wenn Ressourcen knapp sind, kann man mit sozialen Gesundheitsthemen, wie einem gemeinsamen Spaziergang oder regelmäßigen Teamfrühstück, beginnen. Das stärkt den Zusammenhalt und wirkt sich schon gesundheitsförderlich aus. Grundsätzlich würde ich jedem empfehlen, sich dem Thema zu widmen. Wichtige Bausteine dabei sind:

  1. Expertinnen und Experten ins Haus holen: Jedes Unternehmen kann und sollte sich Unterstützung von außen holen. Berufsgenossenschaften oder Krankenkassen haben zum Beispiel gute Unterlagen und Präventionsangebote.
  2. Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im Haus suchen: Das müssen keine BGM-Expertinnen und Experten sein, aber Menschen, die für das Thema brennen, die gut vernetzt und empathisch sind. Vielleicht haben sie eine Yoga-Ausbildung, vielleicht auch einfach nur Lust aufs Thema. In dezentralen Unternehmen sind sie Schnittstelle zur Zentrale und setzen Maßnahmen vor Ort um.
  3. Führungskräfte mitnehmen: Wie schon gesagt, hier lohnt es sich wirklich zu investieren.

 Welche Aufgaben werden noch auf Sie zukommen?

Uns werden in Zukunft insbesondere drei Themen beschäftigen. Das ist zum einen der Fachkräftemangel, den auch wir bei OTTO spüren, etwa in den vielen Tech-Berufen. Weiche Faktoren, wie gute Arbeitsbedingungen und ein gesundes Arbeitsumfeld, sind zunehmend wichtig, um Mitarbeitende langfristig zu binden und neue Talente zu gewinnen. Auch das hybride Arbeiten wird ein BGM-Fokus bleiben. Und ich denke, dass künftig auch im Gesundheitsbereich Künstliche Intelligenz eine Rolle spielen wird. Gerade in der Prävention von Krankheiten kann KI unterstützen. Wie das konkret aussehen wird, kann ich heute noch nicht sagen, aber lassen Sie uns in zwei Jahren noch mal dazu sprechen.

Weitere Informationen

Die komplette Studie „#whatsnext – Gesund arbeiten in der hybriden Arbeitswelt“ steht im Presseportal der TK zum Download bereit. Auf dem Firmenkundenportal der TK gibt es viele Informationen und Angebote zu den Themen Betriebliches Gesundheitsmanagement und Betriebliche Gesundheitsförderung.



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