Jannik Maczey

#MedicaEconForum: So kann es im Gesundheitssystem nicht weitergehen

Das Gesundheitssystem steckt in der Krise: Steigende Beiträge, lange Wartezeiten und mittelmäßige Qualität sorgen für steigende Unzufriedenheit. Beim Medica Econ Forum der TK wurde vier Tage über dringend nötige Reformen gesprochen.

Dr. Jens Baas im Gespräch mit Moderator Jürgen Zurheide

Man muss sich TK-Chef Dr. Jens Baas als optimistischen Menschen vorstellen, so auch seine Selbsteinschätzung auf der Bühne des Medica Econ Forums. Als am ersten Tag des Forums aber die finanzielle Situation in der GKV zum Thema wird, fällt ihm Optimismus schwer. „Die Perspektiven sind nicht sonderlich rosig“, so Baas. Die Frage sei nicht mehr, ob das Gesundheitssystem Reformen brauche, sondern wann der Druck so hoch sei, dass es so nicht mehr weitergehe. Seine klare Antwort: „Jetzt schon.“

Die desolate Lage der GKV-Finanzen stellt dabei nur die Spitze des Eisbergs dar. Wenn eines an den vier Tagen des Medica Econ Forums deutlich wurde, dann das: Es braucht dringend grundlegende Reformen. Vor allem bei den Finanzen, im Krankenhausbereich und in der ambulanten Versorgung. Auch Gesundheitsstaatssekretär Matthias Heidmeier aus NRW sieht das Gesundheitssystem in einer ernsten Krise: „Wir geben jedes Jahr 500 Milliarden Euro für Gesundheit aus, schaffen es aber nicht, den Menschen ein gesünderes Leben zu ermöglichen.“

Das Medica Econ Forum

Schon zum 14. Mal fand in diesem Jahr das Medica Econ Forum der TK-Landesvertretung Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Medica in Düsseldorf statt. Beim Econ Forum der TK stehen vier Messetage lang Vorträge, Dialoge und Diskussionen zu aktuellen Themen der Gesundheitspolitik und -versorgung auf dem Programm.

Problem eins: die Beitragsspirale in der GKV

„Dass wir zu wenig Geld im System haben, ist ein Mythos“, so Dr. Jens Baas bei der Eröffnung des Forums. „Wir geben sehr viel Geld für Ergebnisse aus, die im internationalen Vergleich mittelmäßig sind. Noch mehr Geld in dieses System zu geben, wäre unsinnig. Wir müssen vielmehr überlegen, wie wir das Geld im System sinnvoller verteilen können.“ Kurzfristig umsetzbare Vorschläge, die einen weiteren Anstieg der Beiträge für Versicherte und Arbeitgeber verhindern können, liegen seit langem auf dem Tisch.

Am Ende braucht es politische Entscheidungen, um die Reformvorschläge auch umzusetzen.

Oliver Blatt

Aktuell gehe es aber in eine andere Richtung, sagte Oliver Blatt, Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbands: „Das geplante Sparpaket der Bundesregierung ist bei weitem nicht ausreichend, um die Beiträge stabil zu halten.“ Und ob aus diesen Plänen überhaupt etwas wird, ist derzeit unklar: Nur einen Tag nach der Medica schickte der Bundesrat das Sparpaket in den Vermittlungsausschuss. Ausgang? Offen. Dabei seien diese kurzfristigen Maßnahmen entscheidend: „Wir brauchen Luft, um die strukturellen Reformen angehen zu können“, so Blatt. Für diese strukturellen Reformen hat die Bundesregierung eine Kommission einberufen. Blatt betonte aber: „Am Ende braucht es politische Entscheidungen, um die Reformvorschläge der Kommission auch umzusetzen.“

Problem zwei: fehlende Qualitätsstandards in der stationären Versorgung

Die Krankenhausreform ist seit Jahren ein Dauerthema auf dem Medica Econ Forum in Düsseldorf. Und das nicht ohne Grund, denn die weitestgehend abgeschlossene Reform in NRW gilt als Blaupause für die bundesweite Reform, wie auch Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann auf der Bühne gerne betonte.

Thomas Ballast, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der TK, machte noch einmal das Ziel der Reform klar: „Es geht darum, eine qualitativ hochwertige Krankenhausversorgung zu ermöglichen. Mit der Reform soll sichergestellt werden, dass die Kliniken, die für eine gute Versorgung nötig sind, auch erhalten bleiben und die Menschen da behandelt werden, wo sie am besten versorgt sind.“ Im aktuellen politischen Gezerre drohe jedoch gerade dieser Qualitätsaspekt – und damit das ursprüngliche Ziel der Reform – zu kurz zu kommen.

Problem drei: zu wenig Orientierung im Gesundheitswesen

Für klare Wege in und durch die Versorgung fordert die TK ein Primärversorgungssystem nach dem Prinzip: digital vor ambulant vor stationär. „Wie man durchs Gesundheitssystem und zu welchem Arzt geht, ist im Moment oft willkürlich. Es gibt keine einheitlichen Wege für eine Behandlung und die Sektoren sind zu wenig miteinander vernetzt“, so beschrieb TK-Chef Baas den aktuellen Zustand. Auf Facharzttermine müssten Patientinnen und Patienten viel zu lange warten.

Thomas Ballast im Gespräch mit NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann

Das neue System soll systematischer dafür sorgen, dass die Patientinnen und Patienten dorthin gehen, wo sie wirklich am besten und effizientesten versorgt werden können. Grundlage: eine digitale und einheitliche Ersteinschätzung. „Wir wollen den Menschen gerade beim Einstieg in das System mehr Unterstützung und Orientierung bieten“, erklärte Thomas Ballast. Nicht zuletzt werde die knappe Ressource „Zeit“ bei den Ärztinnen und Ärzten geschont, indem unnötige Arztbesuche vermieden werden. Eine Folge: schnellere Termine für diejenigen, die sie brauchen. Die aktuell schon konkreter geplante Notfallreform könne hier ein guter erster Schritt sein, auf dem die restliche Reform aufbauen könnte, sagt etwa Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft, im Gespräch mit Ballast.

Die Perspektive: ein reformiertes digitales System

Ist also alles aussichtlos? Nein, es gibt Hoffnung: Besonders zeigte sich das in den Diskussionen rund um die elektronische Patientenakte (ePA). Sie soll der Dreh- und Angelpunkt des neuen, digitaleren Gesundheitswesens werden. Und sie ist auf einem guten Weg dahin. Vieles sei schon erreicht und die ePA komme immer mehr auch im Versorgungsalltag der Menschen an, wie Klaus Rupp, Leiter des TK-Versorgungsmanagements, berichtete.

Auch große Projekte und Reformen können also gelingen – selbst wenn sich die Arbeit an einem moderneren Gesundheitswesen teilweise wie eine Sisyphusarbeit anfühlen kann. Am Ende braucht es vor allem eines: politischen Willen für wirkliche Veränderungen.



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