„Beitragsschock“ und „explodierende Kosten“: Wer derzeit den gesetzlichen Krankenkassen in den Medien begegnet, liest vor allem Negativschlagzeilen. Diese Entwicklungen kommen keinesfalls plötzlich und unerwartet. Die Ursachen sind lange bekannt: halbherzig umgesetzte Reformen, vertagte Strukturfragen und politische Kompromisse. Strukturelle Probleme werden dabei oft mit Geldspritzen ins System übertüncht. Und „mehr Geld“ heißt hier: Beitragsgelder der Versicherten und Arbeitgeber. Diese politische Kurzsichtigkeit riskiert einen Vertrauensverlust in das Prinzip Solidarität.
Dabei basiert das gesamte System der gesetzlichen Krankenversicherung auf dem Grundsatz der Solidarität. Die Beiträge der Mitglieder richten sich nicht nach ihrem individuellen Risiko, sondern einzig nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit. Die Leistungen sind für alle Versicherten gleich. Das eigene Einkommen, das Alter oder das individuelle Gesundheitsrisiko spielen dabei keine Rolle. Es ist ein grundlegend anderes System als bei vielen anderen Versicherungen, insbesondere auch im Vergleich zur privaten Krankenversicherung.
Wie viel dieses Prinzip den Menschen in Deutschland bedeutet, zeigt eine aktuelle repräsentative Umfrage des GKV-Spitzenverbands im Auftrag der gesetzlichen Krankenversicherungen. So sehen 80 Prozent die GKV als wichtigen Teil des Sozialstaats an, 73 Prozent befürworten das finanzielle Solidarprinzip – das gemeinsame Tragen der Kosten über alle Versicherte hinweg. 83 Prozent sind der Meinung, dass alle Versicherten – unabhängig von ihrer Lebenslage – den gleichen Anspruch auf Versorgung haben sollten.
Setzt man die Zukunftsfähigkeit dieses Solidarsystems aufs Spiel, riskiert man mehr als nur die Sicherheit, dass alle Menschen im Krankheitsfall versorgt werden. Man riskiert die Stabilität eines Systems, das zwar sicherlich reformbedürftig ist, aber in dem auch viele motivierte und hochqualifizierte Menschen jeden Tag ihre Patientinnen und Patienten engagiert betreuen. Und es schwächt auch den Zusammenhalt in der Gesellschaft, denn nichts anderes bedeutet Solidarität: Zusammenhalt.
Schon zu lange gilt das Motto „Im Zweifel zahlen die Beitragszahlenden“
Umso unverständlicher ist daher der politische Umgang mit der Finanzierung von Gesundheit in den vergangenen Legislaturperioden. Der erinnerte bisweilen an einen Einkauf mit fremden Kreditkarten. Nach dem Prinzip “im Zweifel zahlen die Beitragszahlenden“, trieben teure Gesetze wie das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) die Ausgaben in die Höhe, ohne dass die Versorgung für die Menschen spürbar besser wurde.
Großzügigkeit fällt leichter, wenn man die Rechnung am Ende nicht selbst begleichen muss. Die Folge: Viel Geld fließt in das System, wird aber ineffizient verteilt und nicht gezielt in eine passgenaue Versorgung gesteckt. Indessen sind wir an einem Punkt, an dem die Besitzerinnen und Besitzer dieser Kreditkarte – die Beitragszahlenden – stark belastet sind. Der Anteil der Sozialversicherungsabgaben hat die 42-Prozent-Marke überschritten und steigt weiter. Dabei galten die 40 Prozent lange als maximale Belastungsgrenze. Und: Immer mehr zu zahlen, ohne dafür mehr zu bekommen, erzeugt Unzufriedenheit mit dem System. Dass die Zukunftssorgen bereits da sind, zeigt die Umfrage ebenso: 66 Prozent der Befragten machen sich große oder sogar sehr große Sorgen um die finanzielle Stabilität der GKV.
Wie wir die GKV zukunftsfest machen
Die Befragung zeigt deutlich: Das Vertrauen ins Solidarsystem ist da – aber auch die Sorge um dessen Zukunft. Aus beidem ergibt sich der dringende Handlungsbedarf: Wir brauchen endlich eine nachhaltige Finanzpolitik, die strukturelle Probleme angeht. Diese muss aus drei Schritten bestehen:
- Schnell wirksame Sofortmaßnahmen beschließen, um die Beitragsspirale zu stoppen.
- Sinnvolle Reformen der Versorgungsstrukturen auf den Weg bringen, damit unser Gesundheitssystem mittel- und langfristig effizienter wird.
- Künftige gesundheitspolitische Entscheidungen auf Kosten der Beitragszahlenden einer Kosten-Nutzen-Prüfung unterziehen, damit sich die Beitragsspirale nicht immer weiter dreht.
Mehr zur Umfrage
Die repräsentative Onlineumfrage im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes wurde im September und Oktober 2025 durchgeführt. Dazu befragte das Meinungsforschungsinstitut essentiq bundesweit insgesamt 2.000 Personen ab 18 Jahren.