Johanna Küther

#whatsnext2022: „Bei Angeboten zur psychischen Gesundheit wird es deutlich lichter im Wald“

Wie gelingt gesundes Arbeiten in der hybriden Arbeitswelt und wohin steuert das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM)? Diesen Fragen geht die aktuelle #whatsnext-Studie nach, Studienleiter Dr. Mark Hübers vom Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) gibt einen Einblick.

Dr. Mark Hübers vom IFBG hat die Studie geleitet.

Was macht die hybride Arbeitswelt aus? Welche Herausforderungen gehen damit einher?

Aus Sicht der Beschäftigten zeichnet sich die hybride Arbeitswelt insbesondere durch räumliche, aber auch zeitliche Flexibilität aus. Ich kann mobil arbeiten, Wege zur Arbeit entfallen, für Viele haben sich die Handlungsspielräume erhöht. Das kann einen enormen Mehrwert bedeuten, von dem auch Unternehmen profitieren können. Gleichzeitig birgt es die Gefahr, dass Mitarbeitende den persönlichen Bezug zu ihrem Team, ihren Vorgesetzten, aber auch zum Unternehmen verlieren oder sich durch ständige Erreichbarkeit belastet fühlen. Man darf aber auch nicht vergessen, dass Berufsgruppen, die zum Beispiel in Schicht- oder Produktionsarbeit beschäftigt sind, oft gar nicht die Möglichkeit haben, hybrid zu arbeiten.

Welche Studienergebnisse haben Sie am meisten überrascht?

Zuallererst freuen wir uns über die große Zahl von teilnehmenden Unternehmen. Das zeigt, dass großes Interesse am Thema BGM besteht. Wir führen die Befragung nach 2017 und 2020 jetzt zum dritten Mal durch und können Trends beschreiben. Leider sehen wir, dass der Anteil derer, die ein ganzheitliches BGM etabliert haben, stagniert. Ganzheitlich bedeutet in diesem Fall, dass man sich – neben konkreten BGM-Angeboten – Strukturen oder Prozesse anschaut und den Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeitenden analysiert und daraus konkrete Maßnahmen ableitet. Außerdem hat die Befragung gezeigt, dass nur 50 Prozent der Unternehmen eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen durchführt, obwohl das gesetzlich vorgeschrieben ist. Dass dieser Aspekt aber besonders wichtig ist, sehen wir auch an den in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegenen Fehltagen der Beschäftigten aufgrund psychischer Diagnosen. Hier gibt es also einen enormen Handlungsbedarf.

Wenn man aber auf Themen wie Stressbewältigung schaut, sinkt die Zahl auf rund 40 Prozent. Da wird es also deutlich lichter im Wald. Und das, obwohl Befragte dem Thema große und künftig steigende Bedeutung beimessen.

Welche Maßnahmen bieten Unternehmen bislang an?

Klassischerweise haben viele Unternehmen Angebote zur Arbeitssicherheit oder zum Betrieblichem Eingliederungsmanagement etabliert, da sprechen wir von rund 80 Prozent. Angebote zu Bewegung oder Ergonomie bieten etwa die Hälfte aller Organisationen an. Wenn man aber auf Themen wie Stressbewältigung schaut, sinkt die Zahl auf rund 40 Prozent. Da wird es also deutlich lichter im Wald. Und das, obwohl Befragte dem Thema große und künftig steigende Bedeutung beimessen*. Wir sehen auch: Dort, wo mehr finanzielle Ressourcen für BGM vorhanden sind, investieren Firmen auch verstärkt in die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen und entsprechende Angebote der Betrieblichen Gesundheitsförderung.

Welche Rolle spielen Führungskräfte bei der Gesundheit ihrer Mitarbeitenden?

Eine ganz zentrale! Führungskräfte sind Vorbilder und das gilt auch beim Thema gesunde Arbeit. Zudem sehen wir hier: Viele Unternehmen haben erkannt, wie wichtig Führungskräfte für die Gesundheit von Beschäftigten sind (63 Prozent unterstrichen die Rolle im BGM), nur rund 40 Prozent haben allerdings konkrete Angebote für sie. Die Führungskräfte werden also vielfach allein gelassen. Dabei wäre es so wichtig, sie nicht nur darin zu schulen, selbst gesund und achtsam zu arbeiten, sondern auch für Belastungen in ihren Teams sensibel zu sein und diese bestmöglich minimieren zu können. Diesen Ansatz beschreibt man als „Mindful Leadership“. Was kann ich tun, damit mein Team gut oder besser arbeiten kann? Das sollten Führungskräfte in speziell auf sie ausgerichteten BGM-Maßnahmen lernen.

In die Zukunft geblickt, wie sieht das BGM von morgen aus?

Wichtig wäre, dass Unternehmen erstmal ihre Hausaufgaben von gestern machen. Dazu gehört, strukturiert zu analysieren, wo die Probleme der Mitarbeitendengesundheit liegen und diese Brandherde dann gezielt und mit den entsprechenden Angeboten und finanziellen Ressourcen anzugehen. Und auch dort, wo bereits Erkenntnisse vorliegen, gilt es sie zu adressieren, sei es mit mehr Angeboten für Führungskräfte oder im Bereich psychische Gesundheit. Neben Angeboten auf der einen Seite gilt es aber auch, Prozesse und Strukturen anzupassen. Kein Seminar zur Stressbewältigung wird langfristig Mitarbeitende entlasten, wenn bestimmte Arbeitsabläufe immer wieder Stress hervorrufen. BGM sollte immer auch ein Aspekt der Unternehmens- und Führungskultur sein.

Welche Trends erwarten Sie in den kommenden Jahren für die Arbeitswelt?

Die aktuelle Arbeitswelt beeinflusst immer, wie wir die Zukunft sehen und auch wie wir Prognosen treffen. Viele Firmen treibt schon jetzt der Fachkräftemangel um. Ausländische Fachkräfte sind eine Gruppe mit großem Bedeutungszuwachs für das BGM. Wir sehen auch, dass Organisationen angesichts des demografischen Wandels verstärkt BGM-Maßnahmen für junge Mitarbeitende in den Blick nehmen – auch um diese langfristig ans Unternehmen zu binden.

*(38,5 Prozent geben an, dass psychische Belastungen am Arbeitsplatz wie Burnout, Überforderung und Depressionen bereits jetzt eine eher große bzw. große Bedeutung in ihren Unternehmen haben. Für in drei Jahren prognostizieren dies bereits rund 70 Prozent.)

Weitere Informationen

Die komplette Studie „#whatsnext – Gesund arbeiten in der hybriden Arbeitswelt“ steht im Presseportal der TK zum Download bereit. Auf dem Firmenkundenportal der TK gibt es viele Informationen und Angebote zu den Themen Betriebliches Gesundheitsmanagement und Betriebliche Gesundheitsförderung. Hier gibt es weitere Informationen zum IFBG.



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