Jannik Maczey

Gesundes-Herz-Gesetz: „Wie ein Schlag ins Gesicht“

Mit dem sogenannten „Gesundes-Herz-Gesetz“ (GHG) plant die Bundesregierung die Herzgesundheit zu verbessern und setzt dabei auch stark auf Medikamente. Dr. Mischa Kläber vom DOSB erklärt im Interview, warum das zu spät ansetzt.

Prävention beginnt nicht erst in der Arztpraxis. Schon der eigene Lebensstil kann viele Erkrankungen vorbeugen. Dr. Mischa Kläber ist Ressortleiter für den Breiten- und Gesundheitssport beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Er berichtet von der wichtigen Rolle, die Sport und Bewegung in der Prävention spielen und erklärt, warum das geplante GHG in diesem Bereich viel Schaden anrichten kann.

Herr Dr. Kläber, beim DOSB denkt man zuerst an Olympia und den Spitzensport. Warum beschäftigt sich der DOSB mit dem Breitensport?

Olympia steckt zwar in unserem Namen, aber wir sind der Dachverband des kompletten organisierten Sports. Ein großer Teil unserer Mitgliedsorganisationen steht ausschließlich für den Breitensport. Wir sind kunterbunt zusammengesetzt und vertreten insgesamt rund 87.000 Sportvereine, in denen rund 27 Millionen Menschen organisiert sind. Die Deutsche Sportjugend (dsj) allein repräsentiert über neun Millionen Kinder, Jugendliche und junge Menschen im Alter bis 26 Jahre. Dabei kümmern wir uns um viele verschiedene Themen, von Gesundheitsförderung über Bildung und Umweltfragen bis zu Diversity- und Gleichstellungsthemen.

Dr. Mischa Kläber ist Ressortleiter Breiten- und Gesundheitssport beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB)

Welche Rolle spielen Sport und Bewegung in der Gesundheitsprävention?

Sport birgt ein Riesenpotenzial für eine nachhaltige Veränderung des eigenen Lebensstils hin zu mehr regelmäßiger Bewegung. Und regelmäßige Bewegung reduziert nachweislich das Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2 oder Demenz zu erkranken. Wir haben verschiedene Instrumentarien entwickelt, um die Gesundheit durch Sport zu verbessern, etwa unser Qualitätssiegel „SPORT PRO GESUNDHEIT“ für Präventionskurse oder das „Rezept für Bewegung“ in Zusammenarbeit mit der Bundesärztekammer. Dabei empfehlen Ärztinnen und Ärzte ihren Patientinnen und Patienten Bewegungskurse im Sportverein. Darüber erreichen wir auch die chronischen Bewegungsverweigerer, an die man sonst sehr schwer herankommt.

Auf der Online-Bewegungslandkarte finden interessierte dann ein passendes Angebot. Da ist wirklich für jede und jeden was dabei – auch die qualitätsgeprüften Präventionskurse, die von den Krankenkassen bezuschusst werden. Wenn die Menschen dann in die Vereine gehen und sehen „Hey, hier sind ja gar nicht nur die Topathletinnen und Topathleten, sondern Menschen wie du und ich“, dann kann das eine Initialzündung für eine Bewegungsbegeisterung sein.

Schauen wir einmal auf das geplante „Gesundes-Herz-Gesetz“: Warum sieht der DOSB die Pläne kritisch?

Befragungen und Studien zeigen immer wieder, dass die eigene Gesundheit und Fitness die wichtigsten Gründe für Sport und Bewegung sind. Statt diese so genannte Primärprävention zu stärken, setzt das Gesetz aber auf mehr Medikamente. Nach den Plänen der Bundesregierung sollen die neuen Maßnahmen aus dem Präventionstopf finanziert werden. Dieses Geld fehlt de facto dann im Kursangebot.

Das Paradoxe dabei ist: Man möchte die Herzgesundheit fördern, kürzt aber Mittel bei Bewegung und Sport. Dabei haben viele der „SPORT PRO GESUNDHEIT“-Angebote einen Schwerpunkt im Bereich Herz-Kreislauf. Und das schwächt nicht nur die Prävention, sondern wäre wirklich das Worst-Case-Szenario für den organisierten Sport. Die bezuschussten Kurse sind ein Booster für die Vereine, sich neben dem Engagement im sportlichen Bereich auch mit der Gesundheitsförderung zu beschäftigen. Die angebotenen Kurse sind alle qualitätsgeprüft und haben nachweislich einen positiven Effekt auf die Gesundheit. Oft entstehen darüber auch Kontakte zwischen den Vereinen und den Ärztinnen und Ärzten vor Ort.

Knapp ein Drittel der Sportvereine in Deutschland hat ein Angebot im Bereich der Gesundheitsförderung mit Präventionskursen aufgebaut und wäre von der Streichung betroffen. Für all diese Vereine wäre ein Wegfall der Zuschüsse wie ein Schlag ins Gesicht und würde viele Bemühungen der letzten Jahrzehnte zunichtemachen.

Jenseits von Gesundheitskursen: Was sind Ihre wichtigsten Tipps wie jede und jeder einfach mehr Bewegung und mehr Sport in den Alltag integrieren kann?

Man sollte sich den eigenen Alltag anschauen und gucken, wo man dort einfach mehr Bewegung einbringen kann. Das geht schon morgens los, wenn man die Kinder zur Kita oder zur Schule bringt. Hier kann man das Auto stehen lassen und zu Fuß gehen oder gemeinsam mit dem Fahrrad fahren. Dann startet man auch automatisch frischer und fröhlicher in den Tag. Auch gemeinsamer Sport mit den Kindern ist immer gut, sei es im Garten oder beim Üben für das Sportabzeichen.

Auch im Beruf gibt es viel Potenzial: Beim DOSB machen wir viele bewegte Besprechungen. Wenn es also keine Präsentation und keine große Technik geben muss, machen wir gerne eine bewegte Besprechung im Wald nebenan. Und ein persönlicher Tipp von mir: Im Büro immer eine gepackte Trainingstasche liegen haben. Hat man dann unerwartet etwas Zeit im Arbeitsalltag, kann man sich die Sachen schnappen und sich etwas bewegen. Wir haben hier die komfortable Situation einen Fitnessraum zu haben, aber auch eine Runde Laufen zu gehen ist möglich. Außerdem kann man kürzere Strecken, zum Beispiel auf dem Weg zur Arbeit, zu Fuß zurücklegen, anstatt für ein paar wenige Stationen den Bus oder die Straßenbahn zu nehmen.



Lesen Sie hier weiter

Jessica Kneißler Jessica Kneißler
Jannik Maczey Jannik Maczey
Johanna Küther Johanna Küther

Kommentieren Sie diesen Artikel

Lädt. Bitte warten...

Der Kommentar konnte nicht gespeichert werden. Bitte überprüfen Sie Ihre Eingaben.