Prof. Dr. Volker Möws

Warum es beim Ärztemangel nicht an Ärzten mangelt

In ländlichen und strukturschwachen Regionen ist er häufig ein Problem: Der Arztmangel. Wenn der örtliche Mediziner seine Praxistür zum letzten Mal hinter sich schließt, verliert nicht selten eine ganze Region an Lebensqualität. Kein Wunder, dass viele Bürgermeister und Landräte dann lautstark klagen und schnell bei der Forderung nach „mehr Ärzten“ sind. Doch das Prinzip „Viel hilft viel“ ist bei diesem Thema keine Lösung. Denn die Statistik zeigt: Die Zahl der Ärzte in Deutschland steigt von Jahr zu Jahr. Das Problem ist nicht die Zahl der Ärzte, sondern ihre Verteilung.

Mit 140.000 niedergelassenen Ärzten und mehr als 20.000 Psychotherapeuten hatten wir noch nie so viele wie derzeit. Über die gesamte Republik betrachtet haben wir kein Mengen-, sondern ein Verteilungsproblem. Während beispielsweise in Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) ein Hausarzt nur 1.340 Einwohner versorgt, sind es wenige Kilometer weiter in der Region Grimmen (ebenfalls Mecklenburg-Vorpommern) mit 2.259 Einwohnern fast doppelt so viele. Was bringen zusätzliche Arztsitze, wenn die zusätzlichen Mediziner sich nicht dort niederlassen, wo die Menschen sie brauchen, sondern wo sie bevorzugt leben möchten?

Wir brauchen auch finanzielle Anreize

Die radikalste und einfachste Lösung wäre es, die Ärzte neu zu verteilen. Angesichts der rechtlichen Lage und der politischen Widerstände ist ein Abbau von Überversorgung allerdings nur langfristig und in kleinen Schritten möglich. Es gibt zahlreiche Gründe, warum es junge Mediziner eher in städtische und attraktive Gebiete und nicht so sehr in strukturschwache Regionen und soziale Brennpunkte zieht. Und gesundheitspolitische Akteure können dies nur bedingt beeinflussen. Neben strukturellen Rahmenbedingungen können sie aber zumindest finanzielle Anreize setzen.

An Arbeit dürfte es den Ärzten in unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Regionen in der Regel nicht fehlen. Klar ist: Wenn wenige Ärzte viele Menschen versorgen, dann kommt keine Langeweile auf.

Wer mehr arbeitet, bekommt nicht mehr das volle Entgelt

Ernüchtert dürfte so mancher Praxisgründer allerdings nach Ende des Quartals sein, wenn er in der Abrechnung mit der Kassenärztlichen Vereinigung feststellt, dass ihm ein Teil der abgerechneten Leistungen gekappt wird. Denn die Honorarverteilungsmechanismen der Kassenärztlichen Vereinigungen sehen für jeden Arzt eine bestimmte Leistungsmenge vor. Arbeitet er mehr als er mit der Kassenärztlichen Vereinigung vereinbart hat, so werden bei ihm die Entgelte abgestaffelt. Für jede zusätzliche Leistung erhält er dann nicht mehr den vollen Eurobetrag, sondern etwas weniger. Das soll Mengenausweitungen verhindern, ist aber in diesem Fall grob ungerecht. Denn an den hohen Fallzahlen ist hier ja nicht eine Mengenausweitung sondern die geringe Ärztedichte schuld.

Einzelleistungsvergütung statt Mengenbegrenzung

Im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 erklärt TK-Politikchef Prof. Dr. Volker Möws die gesundheitspolitischen Forderungen der TK an die künftige Bundesregierung.

Ein deutlicher Anreiz für neue Praxen oder die Übernahme von Praxen wäre es deshalb, wenn wir für Regionen mit einem Mangel an bestimmten Arztgruppen die normale Honorarverteilung aussetzen würden. Stattdessen würden die Ärzte dann ihre vertragsärztlichen Leistungen als Einzelleistungen entsprechend dem sogenannten EBM-Katalog abrechnen. Von der Mengenbegrenzung wären diese Ärzte dann ausgenommen – sie bekämen also das volle Entgelt ohne einen Abschlag für eine Behandlung. Gerechterweise muss dies dann natürlich für alle Ärzte dieser Arztgruppe in der Region gelten.

Neue Honorarverteilung kann wirksame Anreize setzen

Da es eine Ausnahme vom bestehenden Vergütungssystem ist und die Situation sich im Laufe der Jahre auch ändern kann, schlägt die TK vor, die Regelung auf zehn Jahre zu befristen. Damit würden die Ärzte in den unterversorgten Gebieten deutlich besser gestellt als ihre Kollegen in Regionen mit zu vielen Ärzten. Durch die Befristung könnte sich das System an neue Engpässe und Überkapazitäten anpassen. Das wäre ein fairer und wirksamer Anreiz für Ärzte, damit sie sich dort niederlassen, wo die Menschen sie besonders dringend brauchen.


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