Laura Krüger

(Neues) Leben mit Organspende: Alex Winter

Wie lebt es sich mit einem neuen Herzen? Bei der Kampagne „Von Mensch zu Mensch“ zum Thema Organspende ließ die TK 2012 Betroffene zu Wort kommen. Unsere Praktikantin Laura Krüger hat nun, Jahre später, einige von ihnen wieder getroffen. Hier die Geschichte von Alex Winter.

Zuerst war es einfaches Unwohlsein. Dann wurde Pfeiffersches Drüsenfieber diagnostiziert. Und am Ende der Schock: Alex braucht ein neues Herz. Und das mit 15 Jahren, kurz vorm Abitur, mitten im Leben. Alex hatte Glück: Bereits nach fünf Wochen bekam sie ein neues Herz. Für immer wird Alex dafür sehr dankbar sein – dieser Organspende hat sie ihr Leben zu verdanken.

Unter dem Motto „Von Mensch zu Mensch“ besuchte die TK 2012 Patienten, die bereits ein Spenderorgan erhalten hatten oder noch auf eines warteten. Seitdem habe ich mich immer wieder gefragt: Wie geht es den Menschen heute? Dank meines Praktikums bei der TK konnte ich zu einigen der damaligen Protagonisten Kontakt aufnehmen und interviewen.

Liebe Alex, seit über sechs Jahren lebst du schon mit deinem neuen Herzen: Was hast du die ganze Zeit so gemacht und wie geht es dir heute?

Ich bin im Herbst 2013 nach Wien gezogen. Dort habe ich mein Psychologiestudium begonnen, so, wie ich es mir gewünscht hatte. 2016 konnte ich dann sogar für ein Auslandssemester nach Sydney. Das war eine supercoole Zeit! Mir geht es insgesamt ziemlich gut seit meiner Transplantation. Natürlich gab es immer wieder diese Up und Downs, die man im jungen Erwachsenenalter zu spüren bekommt. Seit Oktober 2017 studiere ich in Münster im Master Psychologie. Ich habe schon mein nächstes Auslandssemester nach Nimwegen in Holland geplant und führe insgesamt ein Leben wie jeder in meinem Alter! Sport, Partys, Reisen – das koste ich auch in vollen Zügen aus.

Du warst 15 Jahre alt, als du dein neues Herz bekommen hast. Eine aufregende und bedeutende Zeit. Fühltest du dich damals irgendwie eingeschränkt, irgendwie benachteiligt?

Natürlich fühlte ich mich besonders während der Zeit im Krankenhaus stark benachteiligt. Es wurde gerade Sommer, und ja, es war genau das Alter, in dem man feiern geht, verliebt ist und anfängt, erwachsen zu werden. Aber es ging mir auch teilweise zu schlecht, um mir darüber intensiv Sorgen zu machen. Erstmal ging’s ums Überleben! Das erste Jahr nach meiner Transplantation benötigte ich schon, um mich an die neue Situation zu gewöhnen: mehr Infekte, ein Haufen Medikamente, viele ärztliche Kontrollen. Aber mit der Zeit hat sich das auch normalisiert und mittlerweile fühle ich mich nur noch wenig beeinträchtigt.

Bei dir fing es ja damals ganz harmlos an: Du fühltest dich ein bisschen schlapp, nicht ganz so fit, eine einfache Grippe. Hast du jetzt bei Menschen in deiner Umgebung Angst, dass ihnen auch so etwas passieren kann?

Nein, ich weiß, dass auch viel Pech dabei war: Jeder schont sich mal nicht genug, obwohl er eine Erkältung oder etwas Ähnliches hat, und bekommt trotzdem keine Herzmuskelentzündung. Ich denke, dass sich viele enge Freunde oder besonders meine Familie auch nochmal etwas vorsichtiger verhalten, weil sie eben wissen, wie es bei mir verlaufen ist. Generell mache ich mir speziell darum aber nicht besonders viel Sorgen.

Du hast damals im Interview gesagt, dass du dein Herz jeden Tag schlagen hörst und dein Leben nicht als selbstverständlich siehst. Ist das immer noch so oder lässt das mit der Zeit nach?

Es gibt immer wieder Momente, in denen man sich ein wenig zusammenreißen und bewusst daran erinnern muss, dass es viel Schlimmeres gibt – zum Beispiel wenn man sich über eine Kleinigkeit im Alltag ärgert. Generell wird es aber niemals aufhören, da bin ich mir ziemlich sicher! Andererseits ist es ja auch ein gutes Zeichen, wenn man nicht immer so denkt, denn es heißt, dass sich das Leben wieder sehr normalisiert hat und man nun eben keine großen Probleme mehr hat. Ich glaube trotzdem, dass ich das Leben und die kleinen Dinge im Alltag immer noch etwas mehr genieße oder ausschöpfe als andere Leute in meinem Alter. Außerdem merke ich oft, dass ich andere Prioritäten setze. Die Uni ist mir zwar wichtig, aber sie wird niemals das Wichtigste in meinem Leben sein. Das ist meine Gesundheit!

Du hast ja in den letzten Jahren viel über Organspende referiert. Wie hast du die Haltung der Menschen zu diesem Thema wahrgenommen?

Leider glaube ich, dass viele ungern über die eigene Endlichkeit nachdenken. Besonders wenn man niemanden in meiner Situation kennt, liegt dieses Thema natürlich fern. Daher ist es mir wichtig, es mehr in den Fokus zu rücken. Zusätzlich waren die Skandale um die Vergabe der Spenderorgane sicherlich ein großer Vertrauensbruch und haben die Sorge um mangelnde Transparenz noch mehr verstärkt. Ich würde mir wünschen, dass sich jeder einmal in die Lage eines Betroffenen versetzt. Ich glaube jeder wäre unglaublich dankbar, wenn sich Eltern oder Angehörige für eine Organspende entscheiden. Das kann Leben retten! Und selbst wenn die Vergabe in einzelnen Fällen ungerecht war; die Spende hat trotzdem das Leben eines todkranken Menschen gerettet. Wenn man über seinen Tod hinaus noch etwas Wunderbares vollbringen kann: warum nicht?


Organspende – sich informieren

Mit einer Organspende können nach dem eigenen Tod die Leben von bis zu sieben anderer, schwer kranker Menschen gerettet werden. Herz, Leber, Lunge, Bauchspeicheldrüse, Dünndarm und beide Nieren können, wenn sie gesund sind, transplantiert werden.
Unabdingbare Voraussetzung dafür, nach seinem Tod Organe zu spenden, ist, dass das Gehirn vor allen anderen Organen versagt. Nur beim Eintreten des Hirntods – und auch nur dann – dürfen die Organe verwendet werden.
Hirntot ist, wessen gesamtes Gehirn ohne jeden Zweifel und unumkehrbar ausgefallen ist, was von zwei erfahrenen Ärzten unabhängig voneinander diagnostiziert werden muss. Erst wenn beide Ärzte zweimal im Abstand von mindestens zwölf Stunden feststellen, dass eine tiefe Bewusstlosigkeit, das Fehlen der Hirnstammreflexe und der Atemstillstand eingetreten sind, steht fest: Der Patient ist hirntot, seine Organe könnten gespendet werden. Das geschieht nur in einem bis zwei von hundert Sterbefällen im Krankenhaus.




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