Experten aus Wissenschaft, Politik und Versorgung haben sich am 28. Februar 2018 in den geschichtsträchtigen Mauern des Berliner Medizinhistorischen Museums getroffen, um diese Frage zu diskutieren. Welche Vision mit der Präzisionsmedizin verbunden ist, umriss Thomas Ballast, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der TK und Initiator der Veranstaltungsreihe, gleich zu Beginn in seiner Begrüßung: “Ziel ist es, mithilfe der Digitalisierung die richtige Medizin zum richtigen Patienten zu bringen.“
Know-how, Supercomputer und eine Menge guter Ideen
Einen ersten Denkanstoß gab Filmemacher Michael Trabitzsch. Für seine aktuelle Dokumentation „Der Proteom Code“ besuchte er Wissenschaftler und Ärzte auf der ganzen Welt, die an den menschlichen Bausteinen, den Proteinen, forschen. Ihre Erkenntnisse könnten in den nächsten zehn Jahren zu zahlreichen neuen Diagnose- und Therapieoptionen führen. Dazu braucht es laut Trabitzsch jedoch „Know-how, Supercomputer und eine Menge guter Ideen“.
Die richtige Medizin zum richtigen Patienten
Einer der Protagonisten des Films ist Dr. Andrej Lissat, Kinderonkologe an der Berliner Charité. Als Vertragspartner des TK-Selektivvertrags „Präzisionsmedizin in der Kinderonkologie“ leitete er im Rahmen eines World Cafés auf dem Forum Versorgung jene Diskussionsgruppe, die sich aus der Arztperspektive mit dem neuen Medizinzweig auseinandersetzte – und dabei immer wieder seine kleinen Patienten in den Fokus rückte.
Input seitens der Innovationstreiber lieferte Dr. Friedrich von Bohlen und Halbach, Geschäftsführer von Molecular Health. Das Biomedizin-Unternehmen wertet im Rahmen des genannten Versorgungsvertrags die Sequenzierungsdaten der Tumorproben der kleinen Krebspatienten aus der Charité aus.
Von Bohlen und Halbach betonte, dass Präzisionsmedizin die Chance bietet, „nicht nur die beste Therapie für einen Patienten zu finden, sondern unwirksame Medikationen und Nebenwirkungen und damit auch unnötige Kosten zu verhindern.“
Klare Regeln für die Daten
Aber was, wenn sich das System irrt und doch nicht die beste Behandlung vorschlägt? Wer sichert die Qualität, wer hat überhaupt Zugriff auf die erforderlichen Daten und wie können diese geschützt werden? Aus der Ethik-Perspektive waren Chancen und Herausforderungen der Präzisionsmedizin nicht so eindeutig zu trennen. Auch die Diskussionsteilnehmer aus der Politik stimmten zu, dass Sicherheit, Kosten und Nutzung der Daten klare Regeln erfordern. Die IT-Diskussionsgruppe schlug vor: Wir brauchen einen „honest broker“ für Gesundheitsdaten!
Wirtschaftlich gesehen bietet die Präzisionsmedizin mehr Chancen als Risiken – sofern der Nutzen belegt ist. Ohne Evidenzlage würde die Preisbildung schwierig, so Silke Baumann vom Bundesministerium für Gesundheit.
Dr. Regina Klakow-Franck, unparteiisches Mitglied im Gemeinsamen Bundesausschuss, ergänzte: „Gerade wenn es um Präzisionsmedizin geht, darf man sich von der Innovationsdynamik nicht unter falschen Druck setzen lassen und muss die Interessen der Patienten in den Mittelpunkt stellen.“
Patienten müssen umfassend eingebunden werden
Welches Potenzial die Präzisionsmedizin nicht nur für die Patienten, sondern auch für die Ärzte bereithält, fasste Thomas Ballast so zusammen:
„Wir sind heute in der Lage, das Genom zu entschlüsseln und dank neuer Technologien können wir diese Daten zusammenbringen mit dem besten medizinischen Wissen der ganzen Welt. So gelingt es, den therapeutischen Baukastens des Arztes immer besser auf den einzelnen Patienten anzuwenden.“
Das bedeutet auch: weniger Nebenwirkungen in der Therapie, eine höhere Lebensqualität und eine längere Lebenszeit.
In der Diskussion aus Patientenperspektive wurde allerdings deutlich, dass dieser neue Ansatz noch einige Unsicherheiten mit sich bringt.
Die Patienten erwarten deshalb ausführliche, verständliche Informationen und wollen in die Therapieentscheidung eingebunden werden. Das löst nur ein vertrauensvoller Austausch zwischen Arzt und Patient in persönlichen Gesprächen.
Das Forum Versorgung hat gezeigt: Innovative Versorgungsansätze in Kombination mit neuesten Technologien können die Gesundheitsversorgung zwar entscheidend vorantreiben, ihre wichtigste Komponente aber ist und bleibt der Mensch.
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