Antonia Paul

Konzept Portalpraxis: „Zu viele Berührungsängste“

Viele Patienten steuern auch mit einfachen Gesundheitsproblemen direkt die Notaufnahmen der Krankenhäuser an. Das führt zur Überlastung der Einrichtungen – das Marienkrankenhaus in Hamburg hat deshalb ein Zentrum für Notfall- und Akutmedizin eingerichtet. Chefarzt Dr. Michael Wünning über die Hürden, die es zu überwinden gilt – und warum es sich trotzdem lohnt.

Mit Grippe oder verstauchtem Knöchel in die Notaufnahme? Das kommt nicht selten vor. Die Patienten wären allerdings in einer Notfallpraxis oder bei einem niedergelassenen Arzt besser aufgehoben. Der Ansturm auf Notaufnahmen geht nicht nur zu Lasten der Ärzte und Pfleger, sondern auch der Patienten: Endlose Wartezeiten und fehlende Zeit für echte Notfälle sind die Folge.

Auch die TK fordert seit Langem die Entwicklung einer koordinierten Notfallversorgung, die sich sektorenübergreifend am Bedarf des Patienten ausrichtet. Das Marienkrankenhaus in Hamburg hat beispielsweise ein Zentrum für Notfall- und Akutmedizin eingerichtet, das sich am Konzept der Portalpraxis orientiert.

Herr Dr. Wünning, wie unterscheidet sich Ihr Zentrum für Notfall- und Akutmedizin von anderen Notaufnahmen?

Chefarzt Dr. Michael Wünning vom Marienkrankenhaus in Hamburg

Im Endeffekt ist unser Zentrum die Vorstufe eines Integrierten Notfallzentrums, das der Sachverständigenrat Gesundheit in seinem Gutachten empfiehlt. Neben der normalen Notaufnahme, die eigenständig von uns Notfallmedizinern geleitet wird, haben wir das medizinische Versorgungszentrum (MVZ) integriert. Dort werden Patienten behandelt, die zwar direkt ins Krankenhaus kommen, aber mit ihren gesundheitlichen Beschwerden eigentlich nicht in eine Notaufnahme gehören.

Wie ist es zu dem Konzept gekommen?

Die Notfallmedizin ist zunehmend zu einem kundenorientierten System geworden. Zu den Kunden zählen natürlich der Patient an sich, der uns selbständig aufsucht, aber auch der Rettungsdienst und der zuweisende Arzt. Eine zentrale Notaufnahme ist für alle Kunden in der Notfallsituation da. Im Grunde ist es also eine Reaktion auf die Bedürfnisse der Patienten, des Klinikpersonals und der zuweisenden Ärzte.

Welche Hürden gibt es bei der Umsetzung einer Portalpraxis zu überwinden?

Fest steht: Man muss viel kommunizieren, transparent vorgehen und klarstellen, dass eine Portalpraxis keine Konkurrenz für das bestehende Hausarztsystem ist. Hausintern war die Umsetzung für uns nicht schwierig, weil unsere Geschäftsführung innovativ denkt. Es muss auch klargestellt werden, dass der Notfallmediziner immer auf die Expertise aus den Fachabteilungen zurückgreifen kann, die Versorgungsqualität vor Ort aber ausreicht und medizinisch sinnvoll ist. Der Vorwurf auf berufspolitischer Ebene, dass wir die Strukturen geschaffen haben, um Patienten stationär aufzunehmen, stimmt nicht. Wir wollen unsere Patienten gut und wirtschaftlich behandeln. Deshalb unterstützen wir ebenfalls die 116 117.

Welche Vorteile ergeben sich aus Ihrer Ein-Tresen-Lösung?

Für das Krankenhauspersonal ist es eine Entlastung. Wir haben wieder die Ressourcen, uns um die lebensbedrohlichen Fälle zu kümmern, die wirklich das Fachpersonal für Notfallmedizin brauchen. Für den Patienten, der in die Praxis geht, ergeben sich deutlich kürzere Wartezeiten und ein anderes Serviceangebot.

Warum ist dann das Konzept Portalpraxis hierzulande noch nicht weiter verbreitet?

Seit der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) als oberstes Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen vorschreibt, dass man mit der Kassenärztlichen Vereinigung in die Gespräche gehen muss, sehen wir, dass mehr Portalpraxen eingeführt werden. Ich glaube aber, dass die Berührungsängste zwischen den beiden Versorgungssektoren, also den niedergelassenen Ärzten und den Krankenhäusern, ein Grund für die zögerliche Umsetzung von Portalpraxen ist. Hier muss klargestellt werden, dass es um die bestmögliche Patientenversorgung geht und niemandem etwas weggenommen wird.


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