Anne Wunsch

Interviewreihe: Wie soll die Apotheke der Zukunft aussehen?

Die Veränderungen im Gesundheitssystem nehmen stetig zu – die Digitalisierung ist dabei ein entscheidender Faktor. Welche Funktion sollen dabei die Apotheken künftig einnehmen? Welche Versorgungsangebote sollten sie entwickeln und umsetzen? Wir haben drei Experten gefragt. Heute: der stellvertretende TK-Vorstandsvorsitzende Thomas Ballast.

Innovative Versorgungsangebote sind ein zentrales Anliegen der TK. Drei Experten geben aus ihren Blickwickeln Antworten auf die Frage, wie sich Apotheken auf die derzeitigen und zukünftigen Herausforderungen vorbereiten können: Prof. Dr. Gerd Glaeske, Gesundheitswissenschaftler und Arzneimittelexperte an der Universität Bremen, Magdalene Linz, Ehrenkammerpräsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen und Thomas Ballast, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der TK.

Herr Ballast, was macht die Apotheke vor Ort aus Ihrer persönlichen Sicht aus und was sind ihre Stärken?

Zu den Stärken der Vor-Ort-Apotheke gehört der persönliche Kontakt mit dem Patienten. Sie ist in die lokale Gesundheitsversorgung eingebunden und kann sich in individuelle Versorgungsangebote einbringen. So nimmt sie eine gute Ausgangsposition im Gesundheitsgeschehen ein. Das gilt sicher nicht für alle Apotheken, da Großstadtapotheken andere Herausforderungen bewältigen müssen als Landapotheken. Viele Apothekerinnen und Apotheker sehen sich als Heilberufler und möchten ihre Dienstleistungen ausbauen. Das halten wir für richtig, da die gesundheitliche Versorgung in den Mittelpunkt rückt und weniger eine reine Ertragsorientierung.

Thomas Ballast ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender der TK.

Wo sehen Sie einen Veränderungsbedarf für die Apotheke vor Ort?

Wir wünschen uns, dass die Apotheker ihre pharmazeutischen Dienstleistungen und Versorgungsangebote noch mehr vorantreiben und die Zusammenarbeit mit dem Arzt weiter stärken. Klar ist dabei: Leistungen müssen sich für den Apotheker lohnen. Dafür ist ein „Portfolio“ sinnvoll, dass die finanzielle Verantwortung jedoch nicht alleine der GKV zuordnet. Es kann zum einen aus Dienstleistungen bestehen, die über Selektivverträge (mit)finanziert werden. Zum anderen gehören aber auch Dienstleistungen dazu, die die Apotheken ohne zusätzliche Vergütung durch die Kassen anbieten. Die Apotheken haben sich bisher nicht als umfassender pharmazeutischer Dienstleister etabliert. In diesem Bereich sie sicherlich noch klarer an ihrem Profil arbeiten. Bei manchen pharmazeutischen Dienstleistungen ist es außerdem sinnvoll, von der Beratung zur Betreuung zu kommen. Dabei halten wir es für wichtig, dass sich diese Dienstleistungen der Apotheken am Nutzen für den Patienten ausrichten und sie ihn zukünftig auch belegen können. Und schließlich der Digitalaspekt. Auch wenn der Auf- und Ausbau der digitalen Kanäle derzeit aufgrund datenschutzrechtlicher Vorgaben nur in eingeschränktem Maße möglich ist, sehen wir noch zu wenige Ansätze in den Apotheken.

Wie haben sich die Rahmenbedingungen für Apotheken – insbesondere mit Blick auf den digitalen Wandel und die Corona-Pandemie – in der letzten Zeit verändert?

Während der Hochzeit der Corona-Pandemie war der „unbeschwerte Besuch“ in der Apotheke kaum noch möglich. Insbesondere für chronisch kranke Menschen stellte sich damit die Frage, wie sie an ihre Medikation kommen können. Damit schließt sich auch der Kreis zur vorherigen Frage. Die digitale Kommunikation zwischen Patient und Akteuren im Gesundheitswesen ist noch nicht ausgereift, um eine Situation wie die Corona-Pandemie auffangen zu können. Die Fernbehandlung nimmt zwar zu und wir treiben auch das E-Rezept voran, als gängige Versorgungspraxis sind beide aber noch nicht etabliert. Zudem zeigt die Corona-Situation auch, dass wir Gesundheitsnetzwerke aus Ärzten, Apotheken und Pflegekräften stärker etablieren sollten. Gerade wenn es darum geht, unnötige Kontakte zu vermeiden, aber medizinisch sinnvolle Maßnahmen durchzuführen, kann die Verzahnung von Gesundheitsmaßnahmen dabei helfen.

Die Corona-Situation zeigt auch, dass wir Gesundheitsnetzwerke aus Ärzten, Apotheken und Pflegekräften stärker etablieren sollten.

Nun ein Blick nach vorne: Wie sieht Ihr Konzept der Apotheke der Zukunft aus?

Ich kann mir die Vor-Ort-Apotheke als einen von mehreren Knotenpunkten in einem solchen Gesundheitsnetzwerk vorstellen. Zu diesem gehören auch die Angebote einer Krankenkasse. Als TK haben wir bereits erste Ansätze realisiert. So wird bei der Beratung von Rheumapatienten auf Wunsch des Patienten auch die Vor-Ort-Apotheke einbezogen. Zukünftig wird es immer wichtiger werden, digitale Services und Kommunikation mit persönlichen Dienstleistungen zu verknüpfen. Hinzu kommt, dass ich von einer noch effizienteren Nutzung der „Ressource Arzt“ ausgehe. Auch wenn die medizinische Leistung beim Arzt bleiben muss, könnten andere Berufsgruppen durch koordinierende bzw. ergänzende Tätigkeiten unterstützen – ohne Redundanzen und konkurrierende Angebote. Die dafür notwendige Ausstattung wäre auch in Apotheken denkbar. Erste Ansätze finden sich bereits bei den Minikliniken in der Schweiz. Dort wird die Apotheke über eine Praxisassistentin und eine Telebiometrie-Station mit Kontakt zum Arzt in die Versorgung eingebunden.

Was ist nötig, um dieses Ziel zu erreichen?

In der Pandemie haben wir gelernt, dass man schnell neue Dinge umsetzen und alte Hürden überwinden kann, wenn man Neuem offen gegenüber steht. Sicherlich ist es nicht für alle Apotheken sinnvoll, sich ganz neu zu orientieren, sondern sich abgestuft auf neue Versorgungsangebote einzulassen. Dies ermöglicht ein Spektrum vom „digitalen Versorgungsmanager“ bis hin zu rein persönlichen Dienstleistungen. Ich glaube, dass es am sinnvollsten ist, eine gute Mischung aus digitalen und persönlichen Angeboten zu entwickeln. Dafür muss die Apotheke die angesprochenen Pfade verlassen und ihre Digitalkompetenz stärken. Und wenn wir die Apotheke als einen Netzwerkknoten im Versorgungsgeschehen verstehen, ist natürlich auch die Kommunikation zu den anderen Partnern wichtig. Auch wir als Krankenkasse sehen uns dabei als Partner in einem Gesundheitsnetz. Uns ist die Verzahnung der eigenen Angebote mit denen der Apotheken wichtig, um unseren Versicherten ein umfangreiches Leistungsspektrum anbieten zu können, zum Beispiel in Bezug auf eine intensivierte Arzneimittelberatung.


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