Nicole Battenfeld

Davonlaufen als Teil der Lösung – mit Bewegung aus der Depression

An der Eberhard Karls Universität Tübingen wurde das Trainingsprogramm ImPuls entwickelt, von dem im Rahmen eines Innovationsfondsprojekts auch TK-Versicherte profitieren können.

Den Tipp zur Teilnahme am Projekt ImPuls bekam Stefanie Molden von ihrer Psychologin. Damit kam das Angebot für sie zur richtigen Zeit, denn ihre eigenen Versuche mehr Bewegung in ihren Alltag zu bringen, scheiterten nicht nur am allseits bekannten inneren Schweinehund, sondern an der durch die Krankheit bedingten Antriebslosigkeit und Erschöpfung. „Als ich hörte, dass ich mich mit professioneller Begleitung regelmäßig mit Gleichgesinnten zum Sport würde treffen können, war die Hoffnung groß, dass ich es auf diese Weise schaffen kann!“, so die Teilnehmerin.

Teilnehmerin Stefanie Molden - ausnahmsweise mal ohne Nordic-Walking-Stöcke unterwegs.

Sportangebot als Innovationsfondsprojekt

Studien haben gezeigt, dass regelmäßige sportliche Aktivität die Symptomatik bei Depressionen, Panik- oder Schlafstörungen oder posttraumatischer Belastungsstörung deutlich verbessern kann. Das Programm ImPuls will genau für diese Patientengruppe ein bewegungstherapeutisches Angebot etablieren. „Eine Vorstudie mit vielversprechenden Ergebnissen hat uns bewogen, das Innovationsfondsprojekt der Universität Tübingen zu unterstützen“, erklärt Lena Zwanzleitner, Projektverantwortliche bei der TK. Ziel sei es, Teilnehmende zu motivieren, sportliche Aktivität in ihren Alltag zu integrieren und langfristig aufrechtzuerhalten.

Die Entwickler des Bewegungsprogramms haben sich einiges einfallen lassen, um die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Schwung zu bringen: Beim ersten Gruppentreffen erhalten alle eine Einführung in die richtige Lauftechnik und eine Pulsuhr. „Das hilft gerade ängstlichen Teilnehmenden, die Sorge haben, sich zu überfordern“, erklärt die Psychologin Johanna Zeibig, die am Konzept mitgearbeitet hat. Die Betreuerinnen und Betreuer an den verschiedenen Standorten unterstützen Teilnehmende auch dabei andere individuell passende Sportarten auszuprobieren. Zudem finden regelmäßig Gruppengespräche statt, in denen zum Beispiel Strategien für schwierige Situationen entwickelt werden.

App als Motivator und Strukturgeber

Für die nächsten vier Wochen stehen dann drei Trainingseinheiten pro Woche an, teils in der Kleingruppe, teils individuell. Molden entdeckt dabei Nordic Walking als die Sportart für sich, die sie auch künftig in Eigeninitiative weiterpraktizieren will. „Besonders überzeugt hat mich aber die Unterstützung durch die App“, so die 47-Jährige. „Ich bin ein sehr strukturierter Mensch; die Gruppentermine und Verabredungen zum Sport festhalten zu können und erinnert zu werden, hilft mir unheimlich.“ Zusätzlich dokumentiert die App die sportliche Aktivität, stellt Informationen zu Sportübungen zur Verfügung und steuert die Einhaltung der zeitlichen Abläufe während des Trainings. „Wenn die Teilnehmenden einverstanden sind, hat auch die Therapeutin Einsicht in die Zielsetzung und Trainingsabläufe, um in den regelmäßigen Telefonaten darauf eingehen zu können“, ergänzt Psychologin Zeibig.

„Ich schaue mir auch gerne rückblickend an, was ich an Trainingseinheiten schon geschafft habe. Das spornt mich besonders in schwierigen Phasen immer wieder aufs Neue an“, berichtet Molden. Neben der App sollen sogenannte Unterstützertreffen und regelmäßige Telefonate mit den Therapeutinnen für weitere fünf Monate beim Transfer des Gelernten in den Alltag helfen. Positiver Nebeneffekt für unsere ImPuls-Teilnehmerin: Eine Bekannte, der sie von ihren Problemen erzählte, um sie als Unterstützerin zu gewinnen, ist dadurch zur guten Freundin geworden.

Ich bin ein sehr strukturierter Mensch; die Gruppentermine und Verabredungen zum Sport festhalten zu können und erinnert zu werden, hilft mir unheimlich.

Stefanie Molden

„Durch das regelmäßige Training habe ich wirklich gelernt, wie gut vor allem Bewegung an der frischen Luft für mich ist. Auch wenn ich mich mies fühle oder das Wetter schlecht ist, hinterher ist meine Stimmung immer besser“, so ihr Fazit. Außerdem fällt es ihr mittlerweile leichter, so wie mit uns, über ihre Erkrankung zu sprechen. Auch, weil sie andere motivieren möchte, an ImPuls teilzunehmen, beziehungsweise Sport als Begleittherapie bei Depressionen in Angriff zu nehmen.

Weitere Informationen

Das ImPuls Projekt wird von der Eberhard Karls Universität Tübingen geleitet, welche die Konsortialführung inne hat. Es wird gefördert durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Mit dem Fonds werden bundesweit Projekte gefördert, die die sektorale Aufteilung des Gesundheitswesens überwinden und über die bisherige Regelversorgung hinausgehen. Konsortialpartner sind die TK, die AOK Baden-Württemberg, der Deutsche Verband für Gesundheitssport und Sporttherapie e.V., die Technische Universität München und die Ludwig-Maximilians-Universität München. Seit Mitte April 2021 haben 600 Versicherte der beiden Krankenkassen die Möglichkeit am ImPuls Programm in zehn Ballungszentren in Baden-Württemberg (Bietigheim-Bissingen, Crailsheim, Freiburg, Göppingen, Heidelberg, Karlsruhe, Stuttgart, Tübingen, Ulm, Weingarten) im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie teilzunehmen.



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Katharina Lemke
Autorenprofil Natalie Hahn Natalie Hahn
Sophia Just Sophia Just

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2 Kommentare

  • Rohr

    Ich bin sehr an diesem Projekt interessiert, wohne jedoch in Ostfriesland. Welche Möglichkeiten gibt es hier?
    Freundliche Grüße
    Christiane Rohr

    • Redaktion

      Hallo Frau Rohr,

      leider ist das Projekt aktuell auf Baden-Württemberg begrenzt. Da es sich um ein Innofondsprojekt handelt, das nach Abschluss noch evaluiert werden muss, lässt sich nicht sagen, ob und in welcher Form das Angebot weitergeht oder ausgeweitet wird.

      Freundliche Grüße
      die WirTechniker-Redaktion