Johanna Küther

Organspende: „Es ist einfach ein unfassbares Geschenk“

Zielstrebig verfolgt Tamara Schwab Studium und Karriere, bis ihr das eigene Herz mit 24 Jahren einen Strich durch die Rechnung macht. Nach zwei Herzstillständen und dem Einsatz eines Defibrillators stellt man fest: Ein Gendefekt macht eine Transplantation unausweichlich. 2021 ist es so weit. Seitdem lebt Tamara mit dem Herzen eines anderen Menschen.

Tamara, wie geht es dir heute?

Sehr gut geht es mir, ich habe fast keine Einschränkungen. Ich kann wieder reisen, Sport machen und arbeiten. Momentan arbeite ich in Teilzeit, um erstmal zu schauen, wie ich mit meinen Ressourcen auskomme. Auch beim Sport bin ich schneller aus der Puste als andere, da mein neues Herz nicht mehr als 130 Schläge pro Minute schafft. Das liegt daran, dass transplantierte Herzen nicht mehr mit Nerven im Körper verbunden sind. Ich muss natürlich penibel darauf achten, meine Medikamente zu nehmen. Da diese mein Immunsystem unterdrücken, bin ich im Kontakt mit kranken Menschen sehr vorsichtig. Da war die Corona-Pandemie eine besondere Herausforderung. Aber all das sind Luxusprobleme.

Heute macht Tamara Schwab anderen Mut mit ihrer Geschichte. Foto: Frau Fokus

Wie fühlt es sich an mit dem Herzen eines anderen Menschen unterwegs zu sein?

Das ist wahnsinnig schwer zu greifen und zu verstehen. Man schläft ja einfach ein, wacht wieder auf und hat Schmerzen. Dass in der Zwischenzeit das eigene Herz herausgenommen und ein neues eingesetzt wurde, hat man nicht mitbekommen. Als allererstes habe ich gemerkt, dass es stärker pumpt, es hat richtig gegen die Brust getrommelt. Das war vorher immer eher ein schlechtes Zeichen, wenn ich mein Herz so stark gespürt habe. Nach und nach beginnt man zu begreifen, dass ein fremder Mensch einem sein Herz gegeben hat. Noch heute gibt es Momente, in denen mir das ganz plötzlich bewusst wird und ich dann auch manchmal Tränen in den Augen habe. Es ist einfach ein unfassbares Geschenk.

Du könntest jetzt die letzten schwierigen Jahre nachholen. Stattdessen hast du die ganze Zeit über für das Thema Organspende getrommelt und tust es weiterhin, warum?

2018 war sicherlich das schlimmste Jahr meines Lebens. Das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen hat mir geholfen, da durchzukommen. Es hilft mir beim Verarbeiten, sich auch für andere stark zu machen. Das war zum einen also so eine Art Selbsttherapie, zum anderen ging es mir darum wirklich aufzurütteln: Die Wahrscheinlichkeit im Laufe seines Lebens ein neues Organ zu benötigen, ist in Deutschland bis zu dreimal höher als eines zu spenden. Man denkt bei mir vielleicht nicht unbedingt, dass ich mit einem Spenderherz lebe, aber es kann wirklich jeden treffen. Es ist so wichtig, sich das bewusst zu machen – und, für sich eine Entscheidung zu fällen. Das ist auch eine Entscheidung, die Angehörige entlastet. Ich habe im Rahmen meiner Arbeit mit der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) Angehörige getroffen, die bis heute darunter leiden, nicht zu wissen, ob sie den Willen des Verstorbenen erfüllt haben.

Noch heute gibt es Momente, in denen mir das ganz plötzlich bewusst wird und ich dann auch manchmal Tränen in den Augen habe. Es ist einfach ein unfassbares Geschenk.

Du sagst selbst, dass dich deine psychische Widerstandskraft durch diese schwere Zeit gebracht hat. Wie hast du diese Resilienz entwickelt?

Ich bin sicherlich von Haus aus nicht schlecht aufgestellt, habe in der ganzen Zeit aber auch unheimlich viel dazugelernt. Ich habe mich gefragt: Was kann ich tun? Ich wollte nicht anderen überlassen, wie es mit mir weitergeht und habe mir Menschen gesucht, die mir dabei helfen, das Beste aus der Situation zu machen. Dazu gehörte auch psychologische Hilfe. Sicherlich hat auch geholfen, dass ich ein sehr sturer Mensch bin (lacht) und einfach stur an mein Ziel geglaubt habe. Auch die Tatsache, dass bei meinem ersten Herzstillstand zwei Medizinstudenten und ein Polizist in der Nähe waren und mich 45 Minuten lang reanimiert haben, war für mich ein Zeichen, dass ich das schaffen sollte. Also habe ich versucht, die Situation als Schule des Lebens zu sehen. Natürlich gab es auch dunkle Stunden, insbesondere vor der Transplantation. Nach acht Schocks vom Defibrillator habe ich unter Tränen die Ärztin gefragt, was denn noch passieren muss. Ich konnte einfach nicht mehr, der Akku war leer.

Wie ist das auch Thema deiner beruflichen Tätigkeit geworden?

Ich habe früher nebenbei als Event-Moderatorin gearbeitet. Das hat mir viel Spaß gemacht, aber ich hätte noch viel lieber die Menschen mit Vorträgen inspiriert. Dafür hat mir aber ein Thema gefehlt. Das habe ich nun definitiv gefunden (lacht). Durch meine Krankheit hat sich irgendwie auch mein Wunsch erfüllt. Ich unterstütze nun Menschen dabei durch schwierige Situationen zu kommen.

Welche Pläne hast du für die Zukunft?

Ich möchte Botschafterin für das Thema Organspende werden – und zwar am allerliebsten in Richtung Politik. Es braucht eine Lobby. Ich versuche so laut wie möglich für uns alle zu werden, schreibe momentan zum Beispiel an einem weiteren Buch. Ich werde mich wohl immer mit diesen Themen beschäftigen, weil es eben durch und durch Herzensthemen sind – ob Resilienz oder Organspende.

 



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