Johanna Küther

Organspende: Zeit, Zeichen zu setzen

Am 3. Juni 2023 ist Tag der Organspende. Dr. Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), erklärt, warum es so wichtig ist, dass möglichst viele Menschen eine Entscheidung treffen.

Dr. Axel Rahmel ist Medizinischer Vorstand bei der DSO. Quelle: DSO

Herr Dr. Rahmel, welche Aufgabe hat die DSO?

Die DSO ist die bundesweite Koordinierungsstelle für die postmortale Organspende in Deutschland. Unsere Aufgabe ist es, die rund 1.200 Entnahmekrankenhäuser bei der Durchführung von Organspenden zu unterstützen. Dazu sind wir rund um die Uhr für die Krankenhäuser erreichbar und einsatzbereit. Auch bei den Gesprächen mit Angehörigen unterstützen wir bei Bedarf. Dafür sind unsere Koordinatorinnen und Koordinatoren speziell ausgebildet. Sofern die Frage zur Organspende bei den Angehörigen liegt, ist es uns wichtig, dass diese hin zu einer sicheren Entscheidung begleitet werden – unabhängig davon wie diese ausfällt. Jede Entscheidung, ob Zustimmung oder nicht, wird akzeptiert. Wichtig ist uns auch die Würdigung und Erinnerung an die Organspenderinnen und Organspender, daher bieten wir regionale Treffen und bundesweite Veranstaltungen für Angehörige an.

Was machen Sie konkret zum Tag der Organspende?

Seit vielen Jahren unterstützen wir das Engagement der Patientenverbände anlässlich des Tags der Organspende. Interessierte können sich – in diesem Jahr bei einer bundesweiten Veranstaltung in Düsseldorf – auf vielfältige Weise, etwa in einem begehbaren Organmodell, über Organspende informieren, Fragen klären und einen Organspendeausweis mitnehmen. Auch hier geht es darum, den Organspenderinnen und -spendern für ihre großherzige Geste zu danken. Die Geschichten der beteiligten Organempfängerinnen und -empfängern zeigen eindrücklich, wieviel Freude und Glück ein einzelnes Organ bewirken kann.

Wie sieht so ein Organ denn eigentlich aus? Beim Tag der Organspende kann man sich vor Ort ein (überlebensgroßes) Bild machen. Foto: Jan Konitzki

Wie hat sich die Organspendebereitschaft bei uns zuletzt entwickelt?

Umfragen zufolge besteht hierzulande seit vielen Jahren eine hohe Bereitschaft zur Organspende. So haben auch aktuelle Studienergebnisse der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ergeben, dass rund 80 Prozent der Bürgerinnen und Bürger der Organspende positiv gegenüberstehen. Zudem geben über 40 Prozent der Befragten an, dass sie ihre Entscheidung zur Organspende dokumentiert haben. Doch genau an diesem Punkt hapert es, wie der Klinikalltag zeigt. In den Fällen, in denen im vergangenen Jahr bei Verstorbenen die Möglichkeit zu einer Organspende bestand, lag nur bei 15 Prozent eine schriftliche Entscheidung vor. In etwa 21 Prozent der Fälle war der Wille unbekannt. Wenn kein schriftlicher oder mündlich mitgeteilter Wille vorliegt, werden Angehörige gebeten, nach ihren eigenen Wertvorstellungen zu entscheiden. Solche Momente sind für die Hinterbliebenen oftmals sehr belastend. In den meisten Gesprächen geben Angehörige dann ihre Zustimmung zur Organspende nicht, vermutlich aus Unsicherheit.

Diese Erfahrungen zeigen, wie wichtig es ist, dass sich jede und jeder Einzelne mit dieser Entscheidung zu Lebzeiten auseinandersetzt, sie trifft und dann auch dokumentiert. Das diesjährige Motto des Tags der Organspende „Zeit, Zeichen zu setzen“ ist daher wortwörtlich zu verstehen: Setzen Sie ein Zeichen – zum Beispiel auf einem Organspendeausweis.

Was sind mögliche Gründe dafür?

Aus unserer Sicht sind Information und Aufklärung über Organspende nach wie vor sehr wichtig. Mit sachlichen Informationen lassen sich offene Fragen oftmals schnell beantworten und Vorbehalte abbauen. Vielen Menschen fällt es auch schwer, sich mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzen. Man steht vielleicht mitten im Leben, doch gerade dann ist es wichtig, entspannt und mit Abstand über derartige Fragen nachzudenken, die weitreichende Folgen haben können. Eine Zustimmung ermöglicht vielleicht, dass andere Menschen dank eines dringend benötigten Organs weiterleben können. Zum anderen entlastet die Entscheidung vor allem die Menschen, die einem besonders nahestehen. Denn gerade sie sind es, die bei einer möglichen Organspende über ein klares Ja oder Nein entscheiden müssen. Kurzum: Eine dokumentierte Entscheidung hilft den Angehörigen und stellt zugleich sicher, dass diese auch umgesetzt wird.

Diese Erfahrungen zeigen, wie wichtig es ist, dass sich jede und jeder Einzelne mit dieser Entscheidung zu Lebzeiten auseinandersetzt, sie trifft und dann auch dokumentiert.

Was muss sich aus Ihrer Sicht ändern?

Wir wünschen uns, dass aus der positiven Grundhaltung der Bevölkerung heraus mehr Entscheidungen resultieren würden. Die Krankenhäuser und die DSO können die aktuelle Situation allein nicht verändern. Es ist entscheidend, dass die Bevölkerung hinter der Organspende steht und diese unterstützt. In den Kliniken könnte das Denken an eine mögliche Organspende und die Frage nach dem Willen des verstorbenen Menschen zu etwas Selbstverständlichem für alle Beteiligten werden. Organspenderinnen und -spender sowie deren Angehörige sollten zudem mehr Anerkennung und Würdigung innerhalb unserer Gesellschaft erfahren. Mit der Einführung der Widerspruchslösung, wie sie inzwischen in nahezu jedem anderen europäischen Land Standard geworden ist, könnte ein Zeichen für diese Kultur der Organspende gesetzt werden. Gemeinsam mit den im Jahr 2019 in Deutschland gesetzlich verabschiedeten Maßnahmen zur Stärkung der Strukturen in der Organspende in den Krankenhäusern könnte die Widerspruchslösung weitere synergetische Effekte entwickeln.

Aktuelle Zahlen der TK zur Organspende

Eine aktuelle Forsa-Befragung im Auftrag der TK zeigt, dass immer mehr Menschen einen Organspendeausweis besitzen (49 Prozent). Damit ist der Anteil derer, die ihre Entscheidung für oder gegen eine Organspende im Ausweis dokumentiert haben, in den letzten zwei Jahren um rund 20 Prozent gestiegen. Mehr Informationen zum Thema Organspende finden Sie hier.



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