Dr. Jens Baas

Kein Grund zur Panikmache

Von Vertreterinnen und Vertretern der Krankenhäuser und der Länder wird die vom Bund geplante Neuordnung der stationären Versorgung massiv kritisiert. Dabei geht das Reformkonzept endlich wesentliche Defizite der deutschen Krankenhauslandschaft an.

Dass wir in Deutschland dringend eine Krankenhausreform benötigen, wird niemand ernsthaft bestreiten. Allein schon, weil wir Strukturen brauchen, die sich an Qualität und Bedarf ausrichten und nicht nur „historisch vor sich hingewachsen sind“, ist das notwendig. In der aktuellen Debatte droht diese unbestrittene Notwendigkeit in den Hintergrund zu geraten. Doch statt der häufig anzutreffenden Panikmache brauchen wir ein gemeinsames Verständnis für bessere Strukturen und eine passgenauere Finanzierung unserer Kliniken. Sie muss beispielsweise finanzielle Fehlanreize für medizinisch unnötige Operationen dringend abbauen.

Die richtige Reihenfolge bei der Finanzierung der Vorhaltekosten und verbindliche Strukturvorgaben sind der Schlüssel für ein Gelingen der Reform.

Hochrechnungen zu Standortschließungen sind Panikmache

Die bisher von der Krankenhauskommission vorgelegten Konzepte sorgen derzeit vor allem auf Länderebene für starke Kontroversen. Solche Reaktionen sind bei einem so wichtigen Thema wie der Krankenhausversorgung zwar verständlich. Sachlich betrachtet gibt es aber gar keinen Grund, einen Kahlschlag der Kliniklandschaft zu befürchten. Bisher fehlen für belastbare Prognosen noch wichtige Grundlagen. Aktuell liegen lediglich Vorschläge in Form von Eckpunkten für die Reform vor. Zentrale Bausteine wie die Ausgestaltung der Leistungsgruppen und der Strukturvorgaben müssen erst noch definiert werden. Die bisherigen Spekulationen über etwaige Krankenhausschließungen sind deshalb unseriös. Die Panikmache sorgt für Schlagzeilen, aber nicht für eine Verbesserung der stationären Versorgung.

Es ist eine Mär, dass alles so bleiben könnte wie bisher

Es ist ebenso eine Mär, dass ohne eine Reform alles so weitergehen könnte wie bisher. Neue Krankenhausstrukturen sind nämlich nicht nur aus qualitativ-medizinischen und finanziellen Gründen notwendig. Auch der Fachkräftemangel macht – losgelöst von der Reform – eine Zusammenlegung und Schließung von Klinikstandorten unausweichlich. Solch eine ungesteuerte, sogenannte kalte Strukturbereinigung würde erhebliche Lücken in die Versorgung reißen. Die regionalen Ungleichheiten in der Versorgung nähmen zu. Die Chance auf einen geordneten Wandel würde in diesem Fall vertan. Das kann nicht ernsthaft die Alternative zu einer abgestimmten Strukturreform sein.

Reihenfolge und Verbindlichkeit sind entscheidend

Einige Akteurinnen und Akteure dringen darauf, dass bei der Reform die schnelle Berücksichtigung von Vorhaltekosten ohne Änderung der Strukturen Priorität hat. Davor kann ich nur warnen. Der Abbau und Umbau von nicht mehr benötigten Versorgungsstrukturen ist der deutlich unangenehmere Teil der Arbeit. Das tut politisch weh, ist aber für die Steigerung der Qualität unerlässlich und deshalb so wichtig. Wenn zuerst Geld für Vorhaltekosten verteilt wird, fehlt der zentrale Anreiz für echte Reformen. Letztlich würden wir mit viel Geld überholte Strukturen konservieren. Am Ende würde alles teurer, aber nicht besser.

Für ein Gelingen der Reform gilt es, zuerst die klaren und für alle verbindlichen Strukturvorgaben festzulegen – etwa welche Ausstattung und welche Mindesterfahrung eine Klinik für die Behandlung von spezialisierten Eingriffen vorweisen muss. Erst wenn diese Vorgaben von den Ländern verbindlich und nach einheitlichen Regeln bei deren Krankenhausplanung umgesetzt werden, dürfen die Pauschalen für die damit verbundenen Vorhaltekosten starten. Die richtige Reihenfolge bei der Finanzierung der Vorhaltekosten und verbindliche Strukturvorgaben sind der Schlüssel für ein Gelingen der Reform.



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Michael Ihly Michael Ihly
Krankenhaus Portraitbild Nicole Nicole Knabe
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