Michael Ihly

Deutschland braucht eine grundlegende Strukturreform der Kliniken

Eine zentrale Aufgabe der Gesundheitspolitik der neuen Legislaturperiode wird es sein, den Krankenhaussektor in Deutschland zukunftsfähig zu gestalten. Wir zeigen auf, wo die TK Handlungsbedarf sieht.

Deutschland braucht dringend eine grundlegende Strukturreform in der stationären Versorgung. Seit Jahren steigen die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für die Krankenhausbehandlung – zuletzt von 73 Milliarden Euro im Jahr 2016 auf mehr als 81 Milliarden Euro im Jahr 2020.

Niedriges Niveau: Der Investitionsanteil der Länder bei der Krankenhausfinanzierung stagniert.

Die Länder sind im deutschen Gesundheitssystem zwar für die Investitionskosten der Krankenhäuser zuständig. Doch ihrer Verantwortung für den Neubau und die Instandhaltung von Kliniken sowie die Anschaffung von modernen Großgeräten kommen sie kaum nach. Haben die Länder 1993 noch Investitionsmittel in Höhe von 9 Prozent der Gesamtkosten der Krankenhäuser zur Verfügung gestellt, erhalten die Kliniken inzwischen deutlich weniger als 4 Prozent.

Unnötige Operationen: Auswertungen des TK-Zweitmeinungsverfahrens zeigten, dass 85 % der Rückenoperationen unnötig sind.

Um den von den Ländern verursachten Investitionsstau der vergangenen Jahre abzumildern, versuchen die Kliniken möglichst viele Gewinne aus dem eigenen Betrieb zu erwirtschaften und daraus die fehlenden Investitionen zu bestreiten. So bieten immer mehr Kliniken möglichst viele gut planbare und lukrative Eingriffe an. Eine Auswertung unseres Zweitmeinungsvertrags für Rückenoperationen zeigt, dass 85 Prozent der Eingriffe unnötig sind. Obwohl die Betroffenen von ihrer behandelnden Ärztin oder ihrem behandelnden Arzt zur Operation ins Krankenhaus eingewiesen oder zur Überprüfung an eine Kollegin oder einen Kollegen überwiesen wurden, kommen die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach einer Überprüfung in speziellen Schmerzzentren auch langfristig ohne OP aus.

Ganz klare Qualitätsmängel zeigen sich auch bei der Versorgung von Herzinfarkten. 9,5 Prozent der Herzinfarktpatientinnen und -patienten wurden 2018 in einer Klinik versorgt, die nicht über einen Linksherzkatheter und mindestens über die Erfahrung aus zehn Eingriffen einer perkutanen coronaren Intervention (PCI) im Jahr verfügen.
Ähnliches gilt für Schlaganfallpatientinnen und -patienten: 16,6 Prozent der Schlaganfälle wurden in Kliniken behandelt, die nicht über eine sogenannte Stroke Unit und die Erfahrung aus zehn neurologischen Komplexbehandlungen im Jahr verfügte.

Zertifizierte Zentren: Viele Krebspatientinnen und -patienten werden außerhalb zertifizierter Krebszentren behandelt.

Und obwohl Deutschland inzwischen ein gutes Netz aus hoch qualifizierten Krebszentren hat, werden im Fall von Darmkrebs 56 Prozent, bei Brustkrebs 29 Prozent und über alle Krebsarten hinweg 55 Prozent der Patientinnen und Patienten immer noch außerhalb dieser Zentren behandelt. Es wird höchste Zeit, dass wir in der kommenden Legislaturperiode die Krankenhausversorgung verbessern. Dazu müssen wir überflüssige Kapazitäten in unserer Krankenhauslandschaft abbauen, mehr Patientinnen und Patienten in spezialisierte Zentren versorgen und in der Krankenhausfinanzierung gezielte Anreize für mehr Qualität etablieren.

Weitere Informationen

Die Versorgung in Deutschland zukunftssicher aufzustellen, ist eine zentrale Aufgabe der aktuellen Gesundheitspolitik. Auf welche Maßnahmen es dabei ankommt, haben wir im TK-Positionspapier „Besser versorgt 2025“ zusammengefasst.



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Portraitbild Nicole Nicole Knabe
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Kerstin Grießmeier Kerstin Grießmeier

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