Wir haben mit Armin Beck, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Vorstandes der KV Hessen, und dem Frankfurter Kinder- und Jugendarzt Dr. Burghard Voigt über die Erfahrungen mit der Videosprechstunde gesprochen.
Wie kamen Sie auf die Idee zur Videosprechstunde im kinderärztlichen Bereitschaftsdienst?
Armin Beck: Für Kinder und Jugendliche ist der Besuch einer Bereitschaftsdienstzentrale oftmals noch anstrengender als für Erwachsene. Als ich den Vorschlag machte, in einem Pilotversuch Erfahrungen mit der Videosprechstunde zu sammeln, bin ich schon beim ersten Gespräch mit den verantwortlichen Abteilungen hier im Haus auf offene Ohren gestoßen. Auch bei den Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzten gab es ein großes Interesse.
Dr. Burkhard Voigt: Gerade an den Tagen rund um Weihnachten und Neujahr steigt die Zahl der erkrankten Kinder im Bereitschaftsdienst eklatant an. Daher ist der kinderärztliche Notdienst zwischen den Jahren oftmals stark ausgelastet und die Wartezeiten länger als gewöhnlich. Nach meiner persönlichen Erfahrung als Kinder- und Jugendarzt können viele Fragen von Eltern per Video beantwortet und die Bereitschaftsdienstzentralen somit enorm entlastet werden. Deshalb war ich sofort für einen solchen Testlauf, den wir zunächst rund um den Feiertag am 3. Oktober umgesetzt haben. Voraussetzung ist natürlich, dass die Symptome der Erkrankung per Video diagnostiziert werden können, wie beispielsweise ein Hautausschlag oder ein Schnupfen. Ein Kind mit starken Bauchschmerzen oder einer schweren akuten Verletzung vor der Kamera – das würde nicht funktionieren.
Wie hat das in der Praxis funktioniert?
Beck: Über eine eigens eingerichtete Hotline konnten die Eltern ihre Kinder anmelden und bekamen jeweils den nächsten freien Termin. Zudem wurden einige Patientinnen und Patienten über die Telefonnummer 116 117 in die Videosprechstunde gesteuert. So haben wir während des verlängerten Wochenendes im Oktober letzten Jahres ungefähr 60 und zwischen Weihnachten und Neujahr knapp 250 Kinder und Jugendliche per Video behandelt.
Dr. Voigt: Wir haben im Vorfeld bewusst nur zurückhaltend für die Videosprechstunde geworben, um erst einmal Erfahrungen zu sammeln. Daher war noch etwas „Luft nach oben“ und wir hätten noch mehr Kinder behandeln können. Was in beiden Piloten aber klar geworden ist: Würde die Videosprechstunde im kinderärztlichen Notdienst einmal regelhaft etabliert, würde sie eher mehr als weniger genutzt werden. Sicherlich lassen sich manche Abläufe noch verbessern und auch die Auswahlkriterien für die Videosprechstunde noch verfeinern. Direkt in meinem ersten Videotermin im Oktober hatte ich ein Kind zu begutachten, das einen Fieberkrampf erlitten hatte. Kein perfekter Fall für eine Videosprechstunde, am Ende aber ein Glücksfall für Eltern und Kind, denn ich konnte sicher ausschließen, dass eine schwere Erkrankung wie etwa eine Hirnhautentzündung vorliegt. So konnten wir das Ausrücken eines Rettungswagens und einen Krankenhausaufenthalt vermeiden.
Information zum kinderärztlichen Bereitschaftsdienst in Hessen
Die KV Hessen bietet für Patientinnen und Patienten aus Hessen an Ostern sowie an den Brückentagen rund um Christi Himmelfahrt und Fronleichnam erneut die Möglichkeit von Videosprechstunden im kinderärztlichen Bereitschaftsdienst an. Termine können direkt über die Telefonnummer 116 117 vereinbart werden.
Wie haben Sie als Mediziner die Videosprechstunde erlebt?
Dr. Voigt: Die Kommunikation per Videosprechstunde ist etwas völlig anderes als eine Präsenzsprechstunde. Das Tasten, Riechen und Fühlen – wichtige Komponenten bei der Behandlung von Kindern – ist nicht möglich. Auf der anderen Seite geht es in meiner Kinder- und Jugendarztpraxis mit etlichen Kindern im Wartezimmer üblicherweise laut und wirbelig, manchmal auch hektisch zu. In der Videosprechstunde, nur mit dem Bildschirm vor mir, ist die Atmosphäre deutlich ruhiger und entspannter. Ich kann mich sehr gut auf das jeweilige Kind und das Verhalten, die Bewegungen und Symptome konzentrieren. Das ist eine positive Erfahrung, die mir auch meine Kolleginnen und Kollegen so zurückgemeldet haben.
Mit welchen Symptomen hatten Sie am häufigsten zu tun?
Beck: Wir haben natürlich vorab mit den Ärztinnen und Ärzten besprochen, welche Erkrankungen und Symptome für die Videosprechstunde geeignet sind. Diese Überlegungen haben sich dann auch in der Praxis bestätigt. So waren es hauptsächlich Erkältungskrankheiten und Hautausschläge, die zu diagnostizieren und zu behandeln waren.
Dr. Voigt: In vielen Fällen haben wir die Eltern einfach beraten. Was tun bei einem Kind mit Brechdurchfall, das relativ lebhaft durch die Wohnung läuft? Kann ich meinem Kind bei einem grippalen Infekt noch ein weiteres Fieberzäpfchen geben? Welches Medikament verabreiche ich bei einer entzündlichen Veränderung am Auge? Wir Ärztinnen und Ärzte haben dabei aber auch immer wieder geprüft: Haben wir etwas übersehen, gibt es einen Gefahrenpunkt für die Kinder, den wir noch nicht wahrgenommen haben? Hätte es eine Unsicherheit gegeben, hätten wir die Eltern aufgefordert, den kinderärztlichen Notdienst aufzusuchen.
Wie hat es mit der Technik geklappt?
Dr. Voigt: Für beide Testläufe sind jeweils etwa 15 Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte nach Frankfurt in das KV-Gebäude gekommen. Dort war die gesamte Technik aufgebaut. Es gab die eine oder andere kleine technische Hürde, insgesamt hat aber alles relativ zuverlässig funktioniert. Zum Jahreswechsel konnten wir dann bereits eRezepte und eAU-Bescheinigungen ausstellen
Wie lautet Ihr Fazit zur Videosprechstunde?
Beck: Aktuell steht der Austausch zur Evaluation in unseren internen Gremien und eine finale Bewertung der Pilot-Videosprechstunden noch aus. Als Vorstand kann ich aber schon heute allen Beteiligten ausdrücklich dafür Danke sagen, dass wir in beiden Testläufen eine sehr gute medizinische Versorgung der Kinder und Jugendlichen sichergestellt haben.
Zu den Personen
Armin Beck ist niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin mit Praxis in Hofheim am Taunus und stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hessen. Als hausärztlicher Vorstand ist er für den ärztlichen Bereitschaftsdienst zuständig. Zuvor war Beck viele Jahre erster Vorsitzender des Hausärzteverband Hessen (HÄVH).
Dr. Burkhard Voigt ist niedergelassener Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Praxis in Frankfurt-Bockenheim und Obmann im Pädiatrischen Bereitschaftsdienst (PBD) Frankfurt. Außerdem ist Dr. Voigt stellvertretender Landesvorsitzender des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte in Hessen.