Jannik Maczey

DiGA-Report 2024: Bis zu 2.077 Euro für eine App

Seit über drei Jahren sind digitale Gesundheitsanwendungen (kurz: DiGA) Teil der Regelversorgung im Gesundheitswesen. Mit dem zweiten DiGA-Report ziehen wir Resümee: Sind die Apps auch im Versorgungsalltag der Patientinnen und Patienten angekommen? Wie haben sich die Preise für DiGA entwickelt? Wo muss nachgebessert werden?

Apps auf Rezept sollen die ärztliche Behandlung ergänzen und den Patientinnen und Patienten bei der Heilung oder dem Umgang mit ihrer Erkrankung helfen. 57 solche Anwendungen finden sich aktuell im DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Ärztinnen und Ärzte können diese vom BfArM zugelassenen Anwendungen verschreiben, die Krankenkassen übernehmen die Kosten. Auch wenn das jetzt schon seit mehr als drei Jahren möglich ist, wirklich angekommen sind die DiGA in der Versorgung noch nicht, wie der neue DiGA-Report zeigt. Bis Ende 2023 wurden 106.000 DiGA-Freischaltcodes von TK-Versicherten eingelöst.

Die Altersverteilung von DiGA-Nutzenden

Wer nutzt DiGA?

Werfen wir einen genaueren Blick auf die 69.453 Versicherten, die bis Ende 2023 verordnete DiGA genutzt haben: Das Durchschnittsalter der Nutzerinnen und Nutzer lag zuletzt bei 45 Jahren. Dabei spielt aber sicherlich eine Rolle, dass junge Menschen in der Regel weniger in ärztlicher Behandlung sind als ältere. Die meisten verschriebenen Apps richten sich an Menschen mit psychischen Erkrankungen.

Die Apps werden immer teurer

Ein Schlüsselergebnis des DiGA-Reports: Seit 2020 sind die Herstellerpreise für Gesundheits-Apps um 50 Prozent gestiegen und haben eine Preisspirale nach oben in Gang gesetzt. Aber was ist eigentlich der Herstellerpreis? Im ersten Jahr nach der Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis können die Hersteller frei festlegen, wie viel Geld sie erhalten, wenn ihre App verordnet wird. 2020 lag dieser Herstellerpreis noch bei durchschnittlich 418 Euro. Im letzten Jahr waren es schon 628 Euro – eine Steigerung um 50 Prozent in nur drei Jahren. Die teuerste DiGA, eine Anwendung bei Multipler Sklerose, liegt sogar bei 2.077 Euro.

Die Anwendungsgebiete der verordneten DiGA

Nach dem ersten Jahr muss dann verhandelt werden: Der Hersteller einer Anwendung und der GKV-Spitzenverband (GKV-SV) einigen sich auf einen Preis, der den Nutzen der App möglichst widerspiegeln soll. Können sie sich nicht einigen, legt die DiGA-Schiedsstelle den Preis fest. Da Hersteller diese Abschläge in den späteren Verhandlungen mit der GKV bereits in ihre Preise mit einkalkulieren, setzen die Einstiegspreise immer höher an.

Zu Beginn gibt es oft noch keinen Wirknachweis

Im ersten Jahr können DiGA vorläufig zugelassen werden, ohne dass sie ihren therapeutischen Nutzen nachweisen müssen. Dieses schnellere „Fast-Track-Verfahren“ zur Zulassung nutzen inzwischen 80 Prozent der DiGA-Anbieter. Eigentlich muss nach Ablauf des Probejahres der Nutzen nachgewiesen werden. Gelingt dies nicht, werden die Anwendungen aus dem DiGA-Verzeichnis gestrichen. In den letzten Jahren wurde aber immer häufiger eine zusätzliche Ausnahmeregelung genutzt, die die Erprobungsphase verlängert und den Herstellern mehr Zeit zum Vorlegen eines Nutzennachweises ermöglicht. Zwei von drei App-Anbietern haben diese Verlängerung genutzt.

Die Preise für DiGA sind in den letzten Jahren stark gestiegen

Der Report zeigt, dass es bisher sechs Anwendungen nicht gelungen ist, ihren Nutzen während der Erprobungsphase nachzuweisen – obwohl fünf davon die verlängerte Erprobungsphase genutzt haben. Durchschnittlich waren sie 528 Tage lang im DiGA-Verzeichnis gelistet und wurden so – trotz des fehlenden Nutzennachweises – von den Krankenkassen finanziert.

Fazit: ungenutztes Potenzial, aber auch problematische Entwicklungen

Um tatsächlich im Versorgungsalltag anzukommen, braucht es mehr Informationen zu den Möglichkeiten der DiGA für die Patientinnen und Patienten, aber auch für die Ärztinnen und Ärzten. Bis jetzt nutzt nur ein kleiner Teil diese Anwendungen, dabei können sie die medizinische Versorgung ergänzen und einen echten Mehrwert in der Behandlung bieten.

Der zweite TK-DiGA-Report zeigt aber auch zwei negative Entwicklungen auf: Immer öfter werden DiGA vorläufig ohne einen nachgewiesenen Nutzen in die Versorgung aufgenommen. Die Erprobungsphase dieses beschleunigten Verfahrens wird zudem häufig verlängert, sodass die Anwendungen oft weit länger als zwölf Monate ohne belegten Nutzen finanziert werden. Gleichzeitig steigen die frei festgelegten Herstellerpreise immer stärker. Beides zusammengenommen führt dazu, dass Therapien ohne belegten Nutzen die Beitragszahlenden immer stärker finanziell belasten.

Alles zum 2. DiGA-Report

Der zweite DiGA-Report von der TK, dem Forschungsinstitut Vandage und der Universität Bielefeld ist auf dem Presseportal der TK abrufbar. Der erste TK-DiGA-Report erschien im Frühjahr 2022.



Lesen Sie hier weiter

Frau mit Kind sitzt vor Tablet Denise Jacoby Denise Jacoby
Ein Haufen Münzen Dr. Jens Baas Dr. Jens Baas
verschiedene Screens der Living Well Plus App Johanna Küther Johanna Küther

Kommentieren Sie diesen Artikel

Lädt. Bitte warten...

Der Kommentar konnte nicht gespeichert werden. Bitte überprüfen Sie Ihre Eingaben.