Jannik Maczey

Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen: „Gemeinsam neue Wege gehen“

Unter diesem Motto fand das Forum Versorgung 2024 in Berlin statt. Bei der Veranstaltung der TK stand in diesem Jahr die Nachhaltigkeit in der Versorgung im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Expertinnen und Experten waren sich einig: Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen müssen vom „Nice to have“ zur Selbstverständlichkeit werden.

Große Herausforderungen meistert man am besten im Team. Und der Klimawandel ist eine riesige Herausforderung – vielleicht die größte, vor der die Menschheit je stand. Davon betroffen ist selbstverständlich auch das Gesundheitswesen. Und das gleich doppelt: Zum einen muss es seinen Teil zu einer nachhaltigen Gesellschaft beitragen. Gleichzeitig muss es Antworten finden auf die gesundheitlichen Auswirkungen, die ein heißerer Planet auf die Menschen hat.

Thomas Ballast bei der Eröffnung des Forum Versorgung

„Wir müssen richtig ran ans System“

Der stellvertretende TK-Vorstandsvorsitzende Thomas Ballast betonte, dass sich beide Herausforderungen nur gemeinsam und auf neuen Wegen bewältigen lassen: „Wir wollen heute gemeinsam neue Wege gehen, denn allein und in den alten Strukturen können wir diese Herausforderungen kaum bewältigen.“ Dieser Gedanke der Gemeinsamkeit zog sich durch den ganzen Nachmittag in den Veranstaltungsräumen der „Berliner Freiheit“.

Das Programm startete mit zwei kurzen Impulsen zum Thema: Kerstin Blum von der Stiftung „Gesunde Erde – gesunde Menschen“ wagte dabei ein Gedankenexperiment: Wenn ein Alien heute auf die Erde käme und ein Gesundheitswesen entwerfen müsste, das sich um die Gesundheit der Menschen und des Planeten kümmert und nebenbei auch noch nachhaltig finanziert ist, würde dabei wohl kaum unser heutiges Gesundheitssystem dabei herauskommen. Änderungen am bestehenden System seien aber ungleich komplizierter. Trotzdem sei der Handlungsdruck immens: „Wir müssen richtig ran ans System“, so Blum.

Der Markt der Möglichkeiten beim Forum Versorgung 2024

Rund um das Bühnenprogramm beim Forum Versorgung konnten sich die Gäste auf dem „Markt der Möglichkeiten“ an verschiedenen Infoständen über Best Practices informieren, die schon heute Nachhaltigkeit in das Gesundheitswesen bringen. In Kürze finden Sie hier auf dem WirTechniker-Blog einen Beitrag, der die Projekte vorstellt.

 

Im zweiten Impulsvortrag sprach Prof. Dr. Jochen A. Werner, Chef der Uniklinik in Essen, über Unternehmenskultur und wie sie zu mehr Nachhaltigkeit beitragen kann. Er bemängelte, dass in den aktuellen Gesetzesvorhaben die Verbindungen zur Nachhaltigkeit fehle: „Wir können nicht auf die Politik warten, die alles entscheiden soll. Wir müssen loslegen!“ In seiner Uniklinik hat sich deshalb das „TeamGreen“ gebildet, eine übergreifende Arbeitsgruppe, die sich für verschiedene Projekte einsetzt und sich zum Beispiel mit dem Recycling von Narkosegas beschäftigt.

Drei Kassen – ein gemeinsames Ziel

Im anschließenden GKV-Spitzengespräch sprachen Anne Klemm, Vorständin beim BKK-Dachverband, Johannes Bauernfeind, Chef der AOK Baden-Württemberg und Thomas Ballast über Lösungsansätze, um mehr nachhaltiges Denken in das Gesundheitswesen zu bringen. Obwohl die drei als Konkurrenten in normalen Zeiten „in inniger Hassliebe miteinander verbunden“ seien, wie Thomas Ballast zu Beginn scherzte, zeigten sich viele Gemeinsamkeiten und ein großer Wille zusammen mehr zu erreichen.

Je größer die Herausforderungen und je größer auch die Ziele sind, umso mehr tritt der Kassenwettbewerb in den Hintergrund.

Thomas Ballast, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der TK

Bauernfeind berichtete, wie seine Kasse bereits heute bei der Herstellung von Arzneimitteln umweltschonende Prozesse belohnt und dafür sogar Produktionsstätten in Indien prüft. Klemm betonte vor allem, dass die Kassen mehr „Beinfreiheit“ für nachhaltige Entscheidungen brauchen. Zu oft fehle dieser Handlungsspielraum, da der Wirtschaftlichkeitsbegriff gegen die Nachhaltigkeit ausgespielt würde. Thomas Ballast betonte im Gespräch: „Die beste Versorgung ist die, die man nicht braucht.“ Die Stärkung der Prävention ist ein Schlüssel, da waren die drei sich einig.

Die abschließende Podiumsdiskussion mit Moderatorin Rebecca Beerheide (Ärzteblatt), Dr. Ute Teichert (BMG), Antje Domscheit (BAS), Dr. Gerald Gaß (DKG), Dr. Ellen Lundershausen (BÄK), Dr. Maike Voss (Centre for Planetary Health Policy) und Thomas Ballast (TK) (v.l.n.r.)

Zum Ende der Veranstaltung gab es auf dem Podium noch eine echte Sensation: Antje Domscheit, Abteilungsleiterin im Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) und dort zuständig für die Kranken- und Pflegeversicherung, kündigte informell an, dass die Aufsichtsbehörden mehr Nachhaltigkeit nicht im Weg stehen wollen. Wenn also Nachhaltigkeitskriterien in Versorgungsverträge aufgenommen werden würden und damit vom reinen Wirtschaftlichkeitsprinzip abgewichen würde, würde das BAS das „nicht beanstanden“. Eine Ankündigung, die im Publikum mit freudiger Überraschung aufgenommen wurde und der Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen einen echten Schub verleihen könnte. Eine rechtlich bindende Regelung hat sie zunächst jedoch nicht in Aussicht gestellt.

In seinem Schlusswort beschwor Thomas Ballast erneut die Gemeinsamkeit und suchte sich Inspiration bei Humphrey Bogart in Casablanca: „Ich glaube das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft mit dem AOK- und dem BKK-System.“ Bessere Worte zum Abschied konnte es kaum geben.

Mehr zum Thema

Alle weiteren Informationen zum Forum Versorgung 2024 zur Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen gibt es hier.



Lesen Sie hier weiter

Copyright: CPHP / Ben Mangelsdorf Dr. Sarah Elena Windolph-Lübben Dr. Sarah Elena Windolph-Lübben
Anne Kraemer Anne Kraemer
who cares? republica2024 Johanna Küther Johanna Küther

Kommentieren Sie diesen Artikel

Lädt. Bitte warten...

Der Kommentar konnte nicht gespeichert werden. Bitte überprüfen Sie Ihre Eingaben.

1 Kommentar

  • Paul Shmidt

    Als Gesundheitsdienstleister ist es ermutigend zu sehen, dass Nachhaltigkeit verstärkt in den Fokus rückt. Wir müssen gemeinsam innovative Wege finden, um unsere Ressourcen effizienter zu nutzen und gleichzeitig positive Auswirkungen auf die Umwelt zu erzielen. Durch nachhaltige Praktiken können wir nicht nur unsere Betriebskosten langfristig senken, sondern auch zur Gesundheit unserer Gemeinschaft beitragen. Ich bin optimistisch, dass wir durch Zusammenarbeit und Engagement weiterhin bedeutende Fortschritte im Bereich der Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen erreichen können.