Kerstin Grießmeier

Krankenhausreform: Problematische Abstriche bei der Qualität

Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität“ lautet eins der zentralen Ziele der Krankenhausreform. Die TK-Krankenhausexpertin Annika Schulz erklärt, wie es um dieses Ziel im aktuellen Gesetzgebungsprozess bestellt ist, und wo es Nachbesserungsbedarf gibt. 

Ein zentraler Punkt der Reform ist die Einführung von Leistungsgruppen. Mit Mindestmengen und Qualitätskriterien verknüpft, sollen sie zur Grundlage für mehr Spezialisierung und Vergleichbarkeit der Versorgung werden. Von einst 128 von der Regierungskommission vorgeschlagenen Gruppen sind nur noch 65 übrig. Was heißt das für die Qualität?

Zwar gilt grundsätzlich: Je mehr Leistungsgruppen, desto genauer lassen sich Aufwände und Qualität abbilden, aber man muss auch realistisch bleiben. Es ist ja auch eine Zeitfrage, wie viele Leistungsgruppen man bis zur beabsichtigten kurzfristigen Umsetzung aufgleist. Ein guter Kompromiss ist, mit dem nun genutzten NRW-Modell zu starten und dann später weiter auszudifferenzieren. Schon zum Start müssen aber klare Qualitätsvorgaben gelten und auch verbindlich umgesetzt werden. Ganz konkret: Mindestfallzahlen und bundeseinheitliche Qualitätskriterien. 

Annika Schulz ist Krankenhausexpertin bei der TK. Foto: Ingo Pfenning

Ist das im aktuellen Gesetzentwurf abgebildet?

Nein. Es gibt zu viele Möglichkeiten für Ausnahmen, um wirklich bundeseinheitliche Qualitätsstandards zu erreichen.  

Was sind das für Ausnahmen?

Zum Beispiel gelten die an die Leistungsgruppen gekoppelten Qualitätskriterien nicht für die geplanten sektorenübergreifenden Einrichtungen. Weitere Ausnahmemöglichkeiten gibt es bei den Kliniken, die für die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung zwingend erforderlich sind. Wichtige verbindliche Regelungen für Mindestqualitätsanforderungen werden durch solche Ausnahmeregelungen aufgeweicht. 

Auch Kooperationen zwischen Kliniken sollen möglich sein, um Qualitätsvorgaben zu erreichen. Ist das ein Problem für die Qualität?

Nicht zwangsläufig. Eine durch telemedizinisches Konsil, also durch eine Beratung der Ärztinnen und Ärzte vor Ort durch andere, spezialisierte Ärztinnen oder Ärzte, gestützte Behandlung kann in bestimmten Settings zum Beispiel bei Verdacht auf einen Schlaganfall eine Option sein. Doch auch hier gilt: Die Rahmenbedingungen müssen klar und einheitlich formuliert sein. Es bedarf eindeutiger Vorgaben für die inhaltliche Ausgestaltung von Kooperationsvereinbarungen, unter anderem Angaben zur Eignung des Kooperationspartners oder auch zum Leistungsinhalt. 

Es gibt zu viele Möglichkeiten für Ausnahmen, um wirklich bundeseinheitliche Qualitätsstandards zu erreichen.

Zur Verbesserung der Qualität im Bereich der Onkologie sowie zur Konzentration dieser Leistung soll die Gelegenheitsversorgung in dem Bereich zukünftig vermieden werden. Dagegen wehren sich Kliniken und Länder. Warum ist dieser Regelung wichtig?

Der Gesetzgeber zielt mit dieser Regelung auf eine Leistungskonzentration und Qualitätsverbesserung in der Onkochirurgie ab, in dem er festlegt, dass an den Klinikstandorten mit den wenigsten Fällen je Indikationsbereich eine Leistungsvergütung untersagt wird. Onkochirurgische Leistungen erfordern Erfahrung und gute Ausstattung. Sie nur in Häusern vorzusehen, die beides bieten, ist essenziell für die Sicherheit der Patientinnen und Patienten.   

Wo gibt es im aktuellen Entwurf weiteren Verbesserungsbedarf in Sachen Qualität?

Einerseits ist Qualität erklärtes Reformziel, andererseits fehlt die Konsequenz, dies an allen entscheidenden Stellen zu verankern. Zum Beispiel sieht die Reform Zuschläge für bestimmte Fachrichtungen vor, etwa für die Pädiatrie oder für Stroke Units. An diese zusätzlichen Gelder – immerhin jährlich ein dreistelliger Millionenbetrag – sind aber keinerlei zusätzliche Qualitätskriterien geknüpft.  



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