Daria Plett

„Psychische Gesundheit ist bei uns in der Kita ein wichtiges Thema“

In Deutschland wurden an etwa 1000 Kindertagesstätten pädagogische Fachkräfte zur Umsetzung des TK-geförderten Eltern-Programms „Schatzsuche“ qualifiziert. Eine davon ist die Kita Bergwichtel im Thüringischen Vogelsberg. Zwei Pädagoginnen und zwei Mütter berichten, ob sie den Schatz gefunden haben.

„Schatzsuche“ ist ein Eltern-Programm für Kindertagesstätten und wurde von der Hamburgischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V. (HAG) entwickelt. Das Präventionsprogramm für mehr psychische Gesundheit soll persönliche Stärken, Schutzfaktoren und die Resilienz von Kindern stärken und ihr seelisches Wohlbefinden fördern. Um den Schatz zu heben, haben sich die Pädagoginnen Andrea Schrödter und Doreen Syring für das Programm schulen lassen. Svenja Hesse und Alexandra Steininger gehören zu den ersten Eltern, die es durchlaufen haben.

Wieso haben Sie sich dazu entschieden bei dem Eltern-Programm mitzumachen?

Andrea Schrödter: Mithilfe des Austauschs können wir die Eltern für die kindlichen Entwicklungsschritte und Bedürfnisse sensibilisieren. Gleichzeitig wird die Erziehungsaufgabe mehr als Abenteuer gesehen, an der man Freude haben kann. Das hilft Kindern und Eltern.

Doreen Syring: Indem Bezugspersonen mehr über Schutzfaktoren wie Selbstwirksamkeit und Resilienz lernen und danach handeln, können sie das seelische Wohlbefinden der Kinder fördern. Psychische Gesundheit ist bei uns in der Kita immer wieder ein wichtiges Thema. Das Programm legt besonderen Fokus auf das Zusammenspiel der Eltern-Kind-, Kind-Erzieher- und Erzieher-Eltern-Beziehung in Verbindung mit der seelischen Gesundheit. Wir waren uns sicher, dass Interesse bei den Eltern besteht, da wir bereits ein gutes Vertrauensverhältnis zu ihnen haben. Das kommt vielleicht auch daher, dass es hier eher dörflich familiär ist.

Die beiden Pädagoginnen Andrea Schrödter (links) und Doreen Syring (2. v. r.) haben uns zusammen mit den Müttern Svenja Hesse (rechts) und Alexandra Steininger von ihren Erfahrungen mit dem Schatzsuche-Programm erzählt.

Ist so ein Programm in einer Gegend wie hier dann überhaupt noch sinnvoll?

Syring: Ja, weil es Aspekte im Umgang mit Kindern gibt, die bei jedem auftreten können und bei denen sich viele Eltern unsicher sind, wie zum Beispiel Trennungsschmerz. Da kann man mit einem „Hab dich nicht so, gleich ist es vergessen.“ über die kindlichen Bedürfnisse gehen und sich vielleicht hinterher schlecht fühlen oder es so machen, dass es Kind, Eltern und auch uns Pädagoginnen mit der Situation besser geht. Eine Mutter erzählte bei einem Treffen, dass sie ihrem Kind ein kleines Herz auf die Hand malt, bevor sie es zur Kita bringt, wenn es sehr unter Trennungsschmerz leidet. Das kleine Herz war dann ein Symbol dafür, dass Mama immer da ist. Sie gibt Küsse darauf und lädt es so mit Mamaliebe auf. Damit ist das Bedürfnis des Kindes gesehen und die Mutter fühlt sich selbstwirksam – ein wichtiger Schutzfaktor für die Psyche. Auch wir Erzieherinnen erkennen das Zeichen, wissen, dass es dieses Kind heute vielleicht etwas schwerer hat und mehr Zuwendung braucht.

Svenja Hesse: Ich habe durch das Programm erlebt, dass alle ähnliche Probleme haben, aber jeder anders rangeht, wie bei diesem Beispiel. Man bekommt viele wichtige Erkenntnisse und sieht das auch mal aus der Perspektive der Kinder. Die Idee mit dem Herzen habe ich auch direkt umgesetzt.

Ich war total neugierig zu verstehen, wieso mein Kind reagiert, wie es reagiert.

Svenja Hesse, Mutter einer Dreijährigen, hat am Schatzsuche-Programm teilgenommen

Haben Sie sich deswegen angemeldet?

Hesse: Ja, weil ich total neugierig war zu verstehen, wieso mein Kind so reagiert, wie es reagiert und wie es bei anderen aussieht.

Alexandra Steininger: Ich bin grundsätzlich immer offen für neue Ideen, gerade wenn es um das Zusammenleben und den Alltag mit meinen Kindern und meinem Ehemann geht. Ich möchte schauen, wie man für uns alle das Beste rausholen kann, sodass sich alle dabei wohlfühlen.

Was glauben Sie, warum es dafür so ein Programm braucht?

Hesse: Weil es schwer ist, im Alltag den Blickwinkel zu ändern. Da musste erst das Programm die richtigen Themen setzen. Es braucht diesen geschützten Rahmen und das fachliche Wissen.

Schrödter: Der fachliche Input kam immer als Erstes. Das Programm ist da einfach sehr gut aufgebaut. Der rote Faden zieht sich perfekt durch und gibt uns Sicherheit. Man gibt ein Thema rein und es wächst. Durch die richtigen Fragen, wird klar, wie viel wir zum Beispiel selbst besser wissen, als wir es im Alltag hin und wieder tun. Auch die Beobachtungsaufgaben für zuhause brachten viele Aha-Momente. Das sind Erfahrungswerte, die wir alle haben, auf die man aber manchmal nicht kommt.

Gelassenheit überträgt sich auch auf das Kind.

Doreen Syring, Erzieherin in der Kita Bergwichtel

Wie profitieren die unterschiedlichen Parteien auf gesundheitlicher Ebene?

Steininger: In unserer Runde ist das Verständnis für die Erzieherinnen und Erzieher gewachsen. Wir Eltern sehen, dass auch sie Bedürfnisse haben, die erfüllt sein müssen, damit sie gesund und gut arbeiten können. Außerdem kann ich meine Kinder jetzt in vielen Situationen besser verstehen. Ein Beispiel: Von Kindern wird immer erwartet, dass sie Stifte teilen. Anhand eines Entwicklungszeitstrahls konnten wir sehen, auf welcher Stufe sich unsere Kinder gerade befinden, womit sie sich je nach Alter beschäftigen und wieso sie in bestimmten Altersabschnitten nicht teilen möchten. Das „teilen können“ ist psychologisch mit sechs Jahren ganz anders ausgereift als mit drei Jahren. Gleichzeitig möchte selbst ich, als Erwachsene, Dinge, die mir wichtig sind, nicht mit jedem teilen. Und das ist total okay. Mir und auch meinem Kind nimmt diese Erkenntnis viel Stress.

Syring: Die Anspannung im Eltern-Kind-Verhältnis wird genommen. Gelassenheit überträgt sich auch auf das Kind. Genauso in unserer Arbeit mit den Eltern. Das Programm legt viel Wert darauf, die Stärken und Ressourcen der Kinder zu fokussieren und daran weiterzuarbeiten.

Und was ist nun der Schatz?

Steininger: Wir haben ihn gefunden. Das können wir sagen. Und es war ein anderer, als wir zunächst erwartet haben. Mehr kann jeder selbst herausfinden.

Weitere Informationen

Das Basis-Programm der Schatzsuche umfasst sechs Treffen von zertifizierten Fachkräften einer Kita und interessierten Eltern sowie unterschiedliche Methoden und Materialien. Die Pädagoginnen und Pädagogen leiten die Eltern im Austausch strukturiert und detailliert durch ressourcenorientierte Themen wie Selbstwirksamkeit, positives Selbstbild oder sichere Bindung. Die Struktur ist dabei an den Bedürfnissen der Einrichtung und der Eltern angepasst. Die TK unterstützt das Programm für gesunde Kinder.



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