Was sind die Frauenspaziergänge, die du gemeinsam mit deiner Freundin Gabriella in Frankfurt am Main organisierst?
Mit den Spaziergängen bieten wir einen Ort, eine Gemeinschaft, um neue Kontakte zu knüpfen. Unabhängig davon, ob man neu oder schon lange in der Stadt ist, ob man aktiv neue Freundinnen und Freunde sucht oder einfach nur Interesse hat, Menschen kennenzulernen, die vielleicht nicht dasselbe arbeiten oder studieren und einfach aus einer anderen Bubble kommen.
Was war eure Motivation?
Als Gabriella und ich von den Frauenspaziergängen in New York und später dann in München gehört haben, war für uns schnell klar: „Eine tolle Sache, das wollen wir auch in unserer Stadt haben.“ Dass man in jeder Stadt neu anfangen muss, kennen wir beide ziemlich gut. Erst sind wir zum Studieren umgezogen, dann zum Arbeiten an einen neuen Ort gekommen. Wir hatten beide zwar immer das Glück, dass wir auch schon Menschen vor Ort kannten. Aber wir lernen einfach unheimlich gerne neue Menschen kennen und eben auch Menschen, die andere Dinge machen als wir selbst.
Wie laufen eure Spaziergänge ab?
Wir treffen uns circa zwei Mal pro Monat entweder zum Spazierengehen oder zu Events, wie zum Beispiel einer Pilatesstunde, einem Selbstverteidigungskurs oder dem Besuch einer Musikveranstaltung der Stadt Frankfurt. Wichtig ist uns, dass unsere Angebote immer kostenlos sind – gerade in einer großen Stadt wie Frankfurt, in der das Leben eh schon teuer ist. Viele gehen danach noch einen Kaffee trinken, denn die Hemmschwelle ist niedriger, als im Alltag auf der Straße oder im Hörsaal der Uni jemanden anzusprechen.
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Was ist das Besondere an diesem Angebot?
Ich glaube, es gibt nur wenige Orte, die diese Freundschaftsbeziehung in den Vordergrund stellen. Hier treffen sich Menschen, die neue Leute kennenlernen möchten, fernab von Dating oder beruflichem Netzwerken. Das Schöne an dem Konzept ist, dass es wenig Verbindlichkeit hat. Man muss nicht vom Spaziergang nach Hause gehen und zehn neue Handynummern eingesammelt haben, man kann auch einfach nur den Nachmittag in guter Gesellschaft verbracht haben.
Wer nimmt an euren Spaziergängen teil?
Wir sind oft so zwischen 50 und 80 Frauen, die gemeinsam spazieren gehen. Jede ist willkommen und so sind wir eine bunt gemischte Truppe, was zum Beispiel Ethnie, Beruf, Arbeitsfeld und Charaktereigenschaften wie introvertiert oder extrovertiert betrifft. Auch was das Alter betrifft, sind wir offen für alle, aber in der Regel sind die Frauen zwischen 25 und 35 Jahre alt. Das liegt meiner Meinung nach daran, dass man bis zum Alter von 25 Jahren oft noch in Systeme wie Schule, Ausbildung und Studium eingebunden ist. Und dann kommt eine Phase, in der man oft den Wohnort wechselt, aber nicht mehr so leicht neue Leute kennenlernt, und genau das sind dann die Frauen, die zu unseren Walks kommen. Oft sind Frauen dabei, die erst eine Woche zuvor nach Frankfurt gezogen sind. Daran sieht man ja, dass es ein Thema ist, was die Leute aktiv beschäftigt: Sie kommen neu in die Stadt und sind auf der Suche nach neuen Kontakten. Ein neuer Freundeskreis – das kann genauso ein Thema sein, wie eine Wohnung oder einen neuen Job zu finden.
Allein oder einsam zu sein ist für viele etwas Komisches, etwas Schlechtes und ich hoffe, dass wir dazu beitragen können, dieses Stigma abzubauen.
Ist Einsamkeit bei euch ein Thema?
Ja, darüber wird bei uns auch offen gesprochen. Es gibt für mich keinen vergleichbaren Ort, an dem die Menschen so offen sind. Alle sind aus demselben Grund gekommen und tauschen sich darüber aus, welche Möglichkeiten es gibt, mit anderen in den Kontakt zu kommen. Der Wunsch, aus einer Bekanntschaft eine Freundschaft zu machen, ist bei vielen Menschen groß. Menschen nicht nur hin und wieder zu sehen, sondern auch eine Beständigkeit zu haben. Menschen, die einen durchs Leben begleiten, die wünscht sich wahrscheinlich jeder und jede.
Hast du Tipps für diejenigen, denen es schwer fällt auf andere zuzugehen?
Einfach mal das Gespräch anfangen. Selbst wenn es nur ums Wetter geht oder die Frage „Warum bist du heute hier?“. Oft reicht das Ansprechen der anderen Person, die auch offen ist, andere kennenzulernen. Und aus diesem Gespräch kann eine Verabredung entstehen.
Viele scheuen sich auch davor, allein irgendwo hinzugehen. Wir werden oft gefragt: „Kann ich auch alleine kommen?“. Für uns ist das selbstverständlich, das ist ja Sinn des Ganzen, aber es zeigt eben, dass es ein Thema ist, das viele beschäftigt. Allein oder einsam zu sein ist für viele etwas Komisches, etwas Schlechtes und ich hoffe, dass wir dazu beitragen können, dieses Stigma abzubauen.
Einsamkeitsreport 2024
Sechs von zehn Menschen in Deutschland kennen das Gefühl von Einsamkeit. Das ist ein Ergebnis des TK-Einsamkeitsreport 2024. Mehr Informationen dazu finden Sie hier.