Lennart Paul

Health-i-Award 2024: Blutzucker messen ohne Stechen

Der Health-i Award, den Handelsblatt und TK jedes Jahr vergeben, zeichnet wegweisende Projekte aus, die in der Gesundheitsversorgung neue Impulse setzen. Dieses Mal konnte sich das Berliner Start-up DiaMonTech mit dem nicht-invasiven Blutzuckermessgerät D-Pocket den ersten Platz sichern.

Thorsten Lubinski, Mitgründer und Vorstandvorsitzender von DiaMonTech (Diabetes Monitoring Technology), erklärt, wie die neue Technologie Patientinnen und Patienten mit Diabetes hilft und wann sie für alle verfügbar sein könnte.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Medizinprodukt zu entwickeln, damit sich Diabetikerinnen und Diabetiker nicht mehr pieksen müssen?

Die Idee hat sich auf zwei Wegen entwickelt: Auf der einen Seite hat mein Mitgründer Werner Mäntele, Professor für Biophysik an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, eine Technologie entwickelt, um nicht-invasiv Moleküle zu untersuchen. Auf der anderen Seite habe ich drei Jahre lang in den USA gelebt und gearbeitet, und das gute Essen dort hat dazu geführt, dass ich ein bisschen in die Breite gegangen bin. Daraufhin habe ich überlegt, wie ich abnehmen kann. Und da kommt man schnell darauf, dass man gern den Blutzuckerwert kennen und kontrollieren möchte. Sich ständig zu stechen, fand ich allerdings blöd. Also habe ich geschaut, ob es auch Ansätze gibt, bei denen man sich nicht stechen muss. So bin ich auf eine Publikation von Professor Mäntele gestoßen. Ich habe ihn angeschrieben und gefragt, ob ich sein nicht-invasives Produkt ausprobieren kann. Wir sind dann ins Gespräch gekommen und haben 2015 DiaMonTech gegründet, um die Forschungsergebnisse des Professors in ein Produkt zu überführen. Dieses Gerät nennen wir „D-Pocket“.

Thorsten Lubinski mit seiner Auszeichnung

Und wie funktioniert D-Pocket?

Das Gerät hat ungefähr die Größe eines Mobiltelefons, ist nur etwas dicker. Auf den kleinen eingebauten Sensor legt man einen Finger oder das Handgelenk auf. Nach ein paar Sekunden sieht man auf dem Display den eigenen Blutzuckerwert.

D-Pocket arbeitet mit einer neuen Art von Laser, einem Quanten-Kaskaden-Laser. Dieser sendet Licht in die Haut hinein, das von den Glukosemolekülen spezifisch absorbiert wird. Auf diese Weise entsteht eine kleine Wärmeänderung, und diese Wärmeänderung wandert wiederum an die Außenseite der Haut. Das Gerät misst diese Temperaturveränderung auf der Haut und kann auf diese Weise die Glukosekonzentration und damit den Blutzuckerwert bestimmen. So kann man ohne Pieks schnell überprüfen, wo beispielsweise der Glukosewert kurz vor dem Mittagessen und kurz nach dem Mittagessen liegt.

Wie präzise ist dieses Verfahren?

Wir haben gerade eine klinische Studie abgeschlossen und haben gezeigt, dass wir ungefähr auf dem gleichen Niveau sind wie frühe invasive Geräte. Das hat uns sehr gefreut, denn zum einen haben wir noch Verbesserungsideen, zum anderen denke ich, dass wir mit diesem Ergebnis bereits jetzt absolut zulassungsfähig sind. Denn bisher gibt es noch kein zugelassenes Medizinprodukt für die nicht-invasive Blutzuckermessung.

Wie kann Ihr Produkt das Leben von Diabetikerinnen und Diabetikern verändern?

Sie müssen sich nicht mehr pieksen und können deshalb ihren Blutzuckerwert häufiger messen. So bekommen sie ein besseres Gefühl dafür, wie sich ihr Blutzucker im Tagesverlauf verändert und auch wie verschiedene Mahlzeiten und Lebensmittel den Wert beeinflussen. Was löst zum Beispiel ein Glas Apfelsaft aus? Vielleicht erfasst man das nicht intuitiv. Denn „Apfelsaft“ klingt zunächst einmal gesund, enthält aber eine Menge Zucker. Auch zwischen den Menschen gibt es große Unterschiede: Zum Beispiel kann der Stoffwechsel einer Person empfindlicher auf weißen Reis reagieren als der einer anderen. Auf diese Weise lernt jede Person viel über ihren Blutzuckerwert und kann dann ihren Diabetes besser managen: Es gibt weniger Probleme, in zu hohe oder zu niedrige Blutzuckerzonen zu geraten.

Sie haben DiaMonTech im Jahr 2015 gegründet. Was waren Höhen und Tiefen der vergangenen zehn Jahre?

Start-ups zu gründen, macht viel Spaß, weil man das Steuer selbst in der Hand hat. Allerdings sind die Höhen und Tiefen ausgeprägter. Hinzu kommt, dass wir Hardware entwickeln, und das ist immer besonders problemanfällig. Corona und der damit verbundene Zusammenbruch von Zuliefererketten haben uns in diesem Bereich vor große Herausforderungen gestellt. Die nächste Besonderheit: Wir arbeiten an einem Medizinprodukt. Dabei geht es nicht nur um die Zulassung – auch der Entwicklungsprozess muss sehr gut dokumentiert sein, damit wir das Produkt überhaupt zur Zulassung einreichen können. Außerdem entstehen über Jahre keinerlei Umsätze. Also müssen wir externe Investoren von uns überzeugen, damit die Finanzierung gelingt.

Welches sind Ihre Pläne für die kommenden zehn Jahre?

Wir beginnen jetzt mit dem Zulassungsprozess – ein langwieriger Prozess. Bis zur Markteinführung wird es mindestens noch zwei Jahre dauern, denke ich. Dann wollen wir unser Produkt natürlich weiter optimieren. Unser Ziel ist eine Art Smartwatch – getragen am Handgelenk und mit automatischer Messung. Die Daten werden sofort zum Mobiltelefon übertragen, was eine kontinuierliche Kontrolle des Blutzuckers gewährleistet.

Was bedeutet Ihnen der Gewinn des Health-i Awards?

Das ist eine Auszeichnung, die uns bestätigt und beflügelt. Wenn wir als Start-up auf unserem Marathon mal wieder durch ein dunkles Tal laufen, hilft die Erinnerung an den Abend der Preisverleihung. Dann kann ich mir sagen: Wir und unsere Arbeit werden gesehen!

Zur Person

Thorsten Lubinski ist studierter Wirtschaftsinformatiker mit einer Spezialisierung auf medizinische Software und Diplom-Kaufmann. In den vergangenen Jahren hat er bereits mehrere Start-ups gegründet. Als CEO von DiaMonTech arbeitet er mit einem Team von 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Berlin-Friedrichshain.



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(Foto: Marc-Steffen Unger) Marie Wagner Marie Wagner
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Bildschirm mit dem Logo des health-i-Awards Andreas von Münchow Andreas von Münchow

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