Die Auswirkungen des Klimawandels sind unübersehbar und betreffen auch das Gesundheitswesen direkt. Extremwetterereignisse, Hitzewellen und neue Krankheitserreger stellen die Gesundheitsversorgung vor enorme Herausforderungen. Eine unmittelbare Folge ist der Anstieg der Hitzebelastung. Die hitzebedingte Sterblichkeitsrate hat sich in Europa in den letzten zwei Dekaden um 17,2 Todesfälle pro 100.000 Einwohner (von 50,8 auf 68,0) erhöht.
Auch das Risiko von Frühgeburten steigt durch die höhere Hitzebelastung an. Eine Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf zeigt beispielsweise, dass das Frühgeburtsrisiko bei Temperaturen von 30 Grad Celsius um 20 Prozent steigt. Frühe Geburten erhöhen das Risiko für gesundheitliche Probleme im späteren Leben. Die steigenden Temperaturen haben aber nicht nur unmittelbare gesundheitliche Folgen, sondern beeinflussen auch die Wirksamkeit von Arzneimitteln und die Leistungsfähigkeit des medizinischen Personals. Auf all diese Veränderungen muss sich das Gesundheitssystem einstellen.
„Das Gesundheitswesen ist also ein relevanter Sektor, wenn es darum geht, nachhaltige Maßnahmen zu entwickeln“
Gleichzeitig hat das Gesundheitssystem selbst Einfluss auf das Klima. Bei dem Betrieb von Versorgungseinrichtungen wie Arztpraxen und Kliniken und der Erbringung von medizinischen Leistungen werden klimaschädliche Treibhausgase ausgestoßen. Der Anteil des Gesundheitswesens am gesamten CO2-Fußabdruck in Deutschland beträgt ungefähr sechs Prozent. Das Gesundheitswesen ist also ein relevanter Sektor, wenn es darum geht, nachhaltige Maßnahmen zu entwickeln, um den CO2-Fußabdruck und die Folgen des Klimawandels einzudämmen.
Die Klimapolitik steht vor einem Paradoxon: Die Mehrheit der Bevölkerung hält den Klimawandel für ein Problem und fordert Maßnahmen, gleichzeitig sind Menschen oft nicht bereit, ihr eigenes Verhalten entsprechend anzupassen. Dies zeigt, wie wichtig eine sensible und transparente Kommunikation ist, um die Akzeptanz für notwendige Veränderungen zu erhöhen. Eine Befragung für den TK-Monitor Patientensicherheit 2023 hat ergeben, dass sich 51 Prozent der Befragten große oder sehr große Sorgen darüber machen, dass der Klimawandel die eigene Gesundheit beeinflussen könnte. Weiterhin äußerten 60 Prozent ihre Befürchtung, dass Hitzewellen einen problematischen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Personals im Krankenhaus haben könnte. Bei der Leistungsfähigkeit des Personals im ambulanten Bereich teilen 59 Prozent der Befragten diese Sorge. In einer weiteren TK-Studie zeigt sich zudem auch die seelische Belastung junger Erwachsener durch den Klimawandel.
Der Weg in eine nachhaltige Gesundheitsversorgung
Aktuell gibt es im Gesundheitswesen schon verschiedene Bestrebungen, der eigenen Verantwortung für das Klima gerecht zu werden. Eine repräsentative Befragung der TK, des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) und der imug Beratungsgesellschaft zeigt, dass jedes zweite Krankenhaus Nachhaltigkeit in der Unternehmensstrategie verankert hat. Die größten Schwierigkeiten auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit bereiten den Kliniken die zu geringen finanziellen Mittel und Anreize, sowie der Personalmangel. Beispiele in verschiedenen Krankenhäusern, etwa der Universitätsmedizin Essen, der BG Klinik Ludwigshafen oder dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein zeigen aber auch: Ein nachhaltiger Klinikbetrieb ist möglich. Es bedarf einer Art „Katalysator“, der Erfahrungen und Best Practices verbreitet und es braucht Personal, welches die Zeit und das Know-how hat, sich um Nachhaltigkeit im Krankenhausbetrieb zu kümmern, davon profitieren letztlich alle beteiligten. Wir bieten dabei gerne Unterstützung, etwa mit gemeinsamen Impulspapieren mit dem DKI.
Im ambulanten Bereich unterstützt die TK mit dem Siegel „Nachhaltige Praxis“ Arztpraxen dabei, ökologische und soziale Standards in ihre Abläufe zu integrieren. Nach dem Erhalt des Siegels sind die Arztpraxen, die am TK-Vertrag zur hausärztlichen Versorgung teilnehmen, berechtigt, gegenüber der TK einen sogenannten Innovationszuschlag abzurechnen – es gibt also auch einen finanziellen Anreiz, nachhaltiger zu werden. Die TK selbst hat sich vorgenommen bis 2030 CO2-neutral zu werden, dafür ist unter anderem das Nachhaltigkeitsmanagement fest in die Unternehmensstrukturen integriert. Gleichzeitig wollen wir aber auch über das eigene Unternehmen hinaus Impulse für ein nachhaltiges Gesundheitswesen setzen.
Ein Vorreiter und Impulsgeber
Das Gesundheitswesen ist prädestiniert dafür, bei der Entwicklung und Etablierung nachhaltiger Maßnahmen eine Vorreiterrolle einzunehmen und Vorbild für andere Branchen und Gesellschaftsbereiche zu sein. Nicht nur ist es selbst stark von den Folgen betroffen, die Menschen in Gesundheitsberufen genießen auch ein besonders großes Vertrauen in der Bevölkerung. Sie könnten daher als Botschafter für Nachhaltigkeit fungieren. Um dieser Rolle gerecht werden zu können, muss das Gesundheitswesen selbst möglichst klimaneutral werden. Dazu braucht es neben einer konsequenten Digitalisierung nicht zuletzt klare politische Rahmenbedingungen und Rechtssicherheit.
Nachhaltigkeit muss im nächsten Schritt auch sichtbar gemacht werden. Patientinnen und Patienten sollten erkennen, dass auch sie in Form einer besseren Versorgung von der Nachhaltigkeit profitieren. Ein Schlüssel dabei ist die Stärkung der Prävention. Zielgerichtete Prävention reduziert die Entstehung chronischer Krankheiten und kann so dafür sorgen, dass ressourcenintensive, kostspielige und mit Leid für die Patienten verbundene Behandlungen gar nicht erst nötig werden.
Gemeinsam neue Wege gehen
Der Weg zu einem vollständig nachhaltigen, idealerweise klimaneutralen Gesundheitswesen ist noch ein weiter. Schon heute liegen zahlreiche Ideen, Initiativen, Maßnahmen und Projekte auf dem Tisch, die uns helfen diesen Weg zu beschreiten. Klar ist: Es braucht das Zusammenwirken aller Akteure im Gesundheitswesen, vollständige Rückendeckung und Unterstützung durch Politik und Gesetzgebung sowie Mut und Bereitschaft, wirklich etwas zu verändern.
Mehr zum Thema
Dieser Gastbeitrag basiert auf dem Kapitel „Das Gesundheitswesen im Klimawandel: Wege zu mehr Nachhaltigkeit und sozialem Frieden“ von Thomas Ballast und Thomas Nebling aus dem neuen Buch „Unser Gesundheitssystem: Stabilitätsanker für die Demokratie“, herausgegeben vom TK-Vorstandsvorsitzenden Dr. Jens Baas. Die TK-Position zu Nachhaltigkeit und Prävention gibt es hier zu lesen.