Johanna Küther

„Großbaustelle“ Notfallversorgung

Die Notfallversorgung in Deutschland steht vor großen Herausforderungen. Claudia Baldeweg, TK-Expertin für ambulante Versorgung, beleuchtet die aktuellen Probleme und erläutert, warum die Notfallreform in der nächsten Legislaturperiode dringend umgesetzt werden muss.

Was sind die Hauptprobleme, die derzeit im Bereich der Notfallversorgung bestehen?

Die Notfallversorgung sieht sich mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert. Dazu gehören überlastete Notaufnahmen, die in den letzten Jahren einen Anstieg von 24 Prozent bei ambulanten Notfällen verzeichnet haben, und steigende Einsatzzahlen im Rettungsdienst, nicht selten für Bagatellerkrankungen. Zudem gibt es in Deutschland keine allgemeingültige Definition von Notfallpatienten, was zu fehlenden Abstimmungen und ineffizienten Behandlungen führt.

Viele gute Ansätze sieht TK-Expertin Claudia Baldeweg im NotfallG.

Die Regierung hatte ein Gesetz zur Reform der Notfallversorgung (NotfallG) auf den Weg gebracht, das wegen des Koalitionsbruchs jedoch noch nicht in Kraft treten konnte. Was sah dieses vor?

Die Notfallreform hat viele gute Ansätze. Dazu zählt zum Beispiel die Einführung von Integrierten Notfallzentren (INZ) als zentrale Anlaufstellen. Diese Zentren bestehen aus der Notaufnahme eines Krankenhauses, einer Notdienstpraxis der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und einer zentralen Ersteinschätzungsstelle. Sie sollen die Notaufnahmen entlasten, indem sie Patientinnen und Patienten entsprechend ihrer Dringlichkeit der richtigen Versorgungsebene zuweisen. Wer auch ambulant behandelt werden kann, muss nicht im Krankenhaus bleiben. Es ist wichtig, dass die nächste Regierung bei diesem Thema am Ball bleibt.

Welche weiteren Aspekte sind aus Ihrer Sicht wichtig?

Ziel ist es, die Akutversorgung zu verbessern, indem die Kassenärztlichen Vereinigungen durchgängig telemedizinische und aufsuchende Notdienste bereitstellen. Das geschieht durch die telefonische Vernetzung der neuen, aus der Terminservicestelle ausgegliederten Akutleitstelle (116 117) und der Rettungsleitstelle (112). Die Aufgabe der Akutleitstelle besteht darin, Hilfesuchenden die nötige Orientierung zu geben und sicherzustellen, dass diese schnell und zielgerichtet die passende medizinische Versorgung erhalten. Sie übernehmen die Vermittlung von Patientinnen und Patienten in geeignete Versorgungsangebote, sei es in eine Notdienstpraxis, die Notaufnahme eines Krankenhauses, in Kooperationspraxen während der Sprechstundenzeiten oder über telemedizinische Dienste.

Wer auch ambulant behandelt werden kann, muss nicht im Krankenhaus bleiben.

Abschließend, was wünschen Sie sich für die Zukunft der Notfallversorgung in Deutschland?

Ich bin überzeugt, dass das NotfallG eine gute Grundlage sein wird, um die bestehenden Herausforderungen gezielt anzugehen. Im Übrigen ist es ja eine bereits konsentierte Grundlage! In Notfällen kommt es auf klare Strukturen und Wege an. Die einheitliche Ersteinschätzung durch die Akutleitstellen oder in den INZ bietet genau das. Das entlastet vor allem das medizinische Personal. Dafür braucht es aber eine flächendeckende Einführung der INZ. Und: Eine deutliche Verbesserung der Notfallversorgung gelingt nur, wenn der Rettungsdienst ebenfalls reformiert wird. Das muss mit der Notfallreform in einem Guss geschehen. Dann kann die „Großbaustelle“ Notfallversorgung  erfolgreich zum Abschluss gebracht werden.

Mehr zum Thema

Dieser Gastbeitrag basiert auf dem Kapitel „Reform der Notfallversorgung: Vorankommen auf der Großbaustelle“ von Claudia Baldeweg, Katharina Höfer-Scheffold und Carsten Redeker aus dem kommenden Buch „Unser Gesundheitssystem: Stabilitätsanker für die Demokratie“, herausgegeben vom TK-Vorstandsvorsitzenden Dr. Jens Baas. Das gesamte Kapitel und die TK-Position zu Zugang gibt es hier zu lesen.



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