Christina Crook

Notfallversorgung: Neue Strukturen für die Zukunft

Steigende Einsatzzahlen, knappe Ressourcen und ältere Patientinnen und Patienten – die Herausforderungen in der Notfallversorgung erfordern neue Strukturen und Reformen. Lukas Schmitt, Landesgeschäftsführer des Malteser Rettungsdienstes Rheinland-Pfalz, blickt auf die Änderungen der Notfallversorgung und erläutert, wie der Telenotarzt diese unterstützt.

Mit dem Notfallsanitätergesetz wurde die Ausbildung für Mitarbeitende im Rettungsdienst deutlich verändert und Kompetenzen erweitert. Wie das Projekt des Telenotarztes durch das digitale Hinzuschalten einer Notärztin oder eines -arztes die Qualität der Notfallversorgung in Rheinland-Pfalz optimieren kann, wird aktuell geprüft. Durch die Videoschalte können Ärzte oder Ärztinnen live einen Einsatz begleiten und Anweisungen geben, ohne vor Ort sein zu müssen. Auch Daten, wie der Blutdruck oder EKG-Werte, werden über das System übermittelt.

Lukas Schmitt ist Landesgeschäftsführer des Malteser Rettungsdienstes in Rheinland-Pfalz und gelernter Rettungsassistent.

Herr Schmitt, Sie selbst haben 2004 noch die Ausbildung zum Rettungsassistenten gemacht. Was bedeutete die Gesetzesänderung für die Ausbildung und die Qualifikationen im Rettungsdienst?

Der Beruf Notfallsanitäter hat 2014 den Rettungsassistenten abgelöst und ist nun die höchste nichtärztliche Qualifikation im Rettungsdienst. Eine wesentliche Änderung ist die Erlaubnis zum „eigenverantwortlichen Durchführen von heilkundlichen Maßnahmen“, wie bestimmte Medikamente zu verabreichen. Diese Kompetenzerweiterung hat das Berufsbild deutlich aufgewertet.

Was hat sich dadurch an der Ausbildung geändert?

Statt zwei dauert sie nun drei Jahre und ist inhaltlich anders aufgebaut. Die Inhalte der Ausbildung sind jetzt thematisch breiter aufgestellt und der schulische Anteil der Ausbildung ist ebenfalls höher. Während letzterer in Berufsfachschulen stattfindet, wird der praktische Teil im Rettungsdienst und in verschiedenen Stationen des Krankenhauses absolviert. Außerdem erlernen die angehenden Notfallsanitäter und -sanitäterinnen jetzt auch medizinische Maßnahmen, wie die Durchführung einer Intubation.

Das heißt, Notfallsanitäter und -sanitäterinnen dürfen bei einem Einsatz jetzt eigenverantwortlicher arbeiten?

Ja, mit der abgeschlossenen Ausbildung dürfen sie bis zum Beginn einer weiteren ärztlichen Versorgung auf Basis definierter und freigegebener Behandlungsalgorithmen beispielsweise eigenständig einen intravenösen Zugang legen, Medikamente zur Schmerzlinderung oder auch zur Blutdrucksenkung verabreichen oder erweiterte Maßnahmen einer Atemwegssicherung vornehmen. Aktuell befindet sich außerdem eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) und Notfallsanitätergesetzes im Abstimmungsverfahren. Notfallsanitätern und -sanitäterinnen wäre es damit künftig erlaubt, Schmerzmittel, die dem BtMG unterliegen, ohne vorherige ärztliche Anordnung zu verabreichen. Dies stellt einen weiteren Baustein in der zunehmenden Verantwortung durch Notfallsanitäterinnen und -sanitäter dar. Ziel ist es, die therapiefreie Zeit bei einem akuten Notfall so kurz wie möglich zu halten. Genau hierauf zahlen die Veränderungen und die damit verbundene Weiterqualifizierung des Personals ein – neben den jeweiligen Rahmenbedingungen der Rettungsdienste der einzelnen Bundesländer, beispielsweise wie lange es planerisch dauern darf, bis ein Rettungswagen am Notfallort sein soll.

Trotzdem dürfen sie nicht alle Aufgaben des ärztlichen Personals übernehmen. Gibt es eine Art Handlungsleitfaden, nach dem Sie vorgehen, sobald Sie bei einem Notfall ankommen?

Im Notfall findet die Patientenuntersuchung mithilfe sogenannter standardisierter Handlungsanweisungen statt, den sogenannten „Standard Operating Procedures“ (SOP). Darunter sind diverse Schritte zu verstehen, die nach dem „Wenn-dann-Schema“ abgearbeitet werden, nachdem eine strukturierte Erstuntersuchung stattgefunden hat. Damit unsere Fachkräfte immer auf aktuellem Stand sind, trainiert unser medizinisches Personal regelmäßig realistische Notfallszenarien. Diese werden beispielsweise in unserem Simulationszentrum „MoreSim“ in Wetzlar durchgeführt, aber auch an unseren rheinland-pfälzischen Rettungsdienstschulen in Trier und Frankenthal.

Die Sicherheit, dass wir unsere Rettungsmittel stets einsatzbereit vorhalten, hat neben dem Fokus auf die qualitativ hochwertige und unverzügliche Versorgung der Patientinnen und Patienten höchste Priorität.

In Rheinland-Pfalz ist im Juli 2023 das Pilotprojekt des Telenotarztes gestartet. Welche Veränderungen erhoffen Sie sich dadurch?

Wir erhoffen uns eine professionelle Unterstützung und Entscheidungshilfe, wenn keine Notärztin oder kein Notarzt verfügbar oder nicht direkt erforderlich ist. So werden unsere Rettungskräfte in die Lage versetzt, sowohl ihre Handlungssicherheit als auch die Versorgungssicherheit der Patientinnen und Patienten zu erhöhen – gerade in Zeiten knapper werdender notärztlicher Ressourcen kann dies eine große Unterstützung darstellen.

Was sind aktuell Ihre größten Herausforderungen und wo gibt es noch Änderungsbedarf beim Rettungsdienst?

Kurzfristig sind insbesondere die Personalengpässe eine Herausforderung. Die Sicherheit, dass wir unsere Rettungsmittel stets einsatzbereit vorhalten, hat neben dem Fokus auf die qualitativ hochwertige und unverzügliche Versorgung der Patientinnen und Patienten höchste Priorität. Wir schauen gespannt auf die Reformvorhaben der ambulanten und stationären Notfallversorgung und deren Auswirkungen auf die Klinikinfrastruktur. Je nach Umfang der Reformen sehen wir auch Konsequenzen für den Rettungsdienst – insbesondere was die Transportkapazitäten und Rettungsmittelverfügbarkeiten angeht. Gleichzeitig erwarten wir Veränderungen der Leitstelleninfrastruktur – einhergehend mit einer verbesserten Patientenlenkung, welche dringend erforderlich ist, um die rettungsdienstlichen Ressourcen effektiver einzusetzen. Hier wäre eine Zusammenlegung des vertragsärztlichen Notdienstes mit dem Rettungsdienst auf eine gemeinsame Leitstelle wünschenswert, wie wir es beispielsweise in der Gesundheitsleitstelle Niederösterreich sehen können. Der konsequente Einsatz von Unterstützungsmöglichkeiten wie der Telemedizin kann außerdem dazu beitragen, das System nachhaltig zu stabilisieren.



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