Kerstin Grießmeier

„Eine Krankenhausreform aus einem Guss ist wichtig“

Am 6. Dezember wurden die Vorschläge der Krankenhauskommission für Finanzierung und Gestaltung der Krankenhauslandschaft bekannt. Jörg Manthey, Krankenhausexperte der TK, erklärt, warum die Reform wichtig ist und worauf es bei Planung und Finanzierung im stationären Sektor ankommt.

Die Krankenhauskommission hat Vorschläge zur Neustrukturierung der Krankenhauslandschaft vorgelegt. Was taugen die?

Sehr sinnvoll ist die Reformkomponente, die auf die künftige Planung der Versorgungslandschaft abzielt:  Es soll drei Versorgungsstufen, von Grund- bis Maximalversorgung geben. Statt die verschiedenen Krankenhausleistungen nur ganz grob nach Fachrichtungen wie „Inneres“ zu gliedern, sollen sie in 128 Leistungsgruppen eingeteilt werden. Und es wird klar festgelegt, welche dieser Leistungsgruppen eine Klinik entsprechend ihrer Versorgungsstufe abdecken soll. 128 hört sich erst einmal nach viel an, aber hier gilt: Je mehr Leistungsgruppen, desto genauer lassen sich sowohl die Aufwände als auch die Qualität abbilden – also umso höher ist die Transparenz – auch für Patientinnen und Patienten.

Jörg Manthey leitet bei der TK den Bereich Krankenhausstrategie.

Diese Neustrukturierung soll bundeseinheitlich geschehen, warum ist das so wichtig?

Als Patientin oder Patient muss ich in jedem Bundesland die gleiche Versorgungsqualität erwarten dürfen. Vergleichbarkeit und Transparenz sind eine wichtige Grundlage, um für die eigene Gesundheit informierte Entscheidungen zu treffen. Das geht nur, wenn überall die gleichen Kriterien gelten. Wenn ich heute als Patient oder Patientin weiß, eine Klinik hat eine Station für „Innere Medizin“, hilft mir diese Information kaum weiter: Dahinter kann sich beispielsweise eine Kardiologie oder Gastroenterologie verbergen und auch wie hoch der Spezialisierungsgrad ist, bleibt in der Regel unklar. Das muss sich ändern.

Was bedeuten die Vorschläge für die Krankenhausplanung der Länder?

Heute haben wir einen Flickenteppich. Teilweise existiert lediglich eine Rahmenplanung, in anderen Ländern wird schon etwas genauer geplant. Hier sollen bundesweit einheitliche Prinzipien entstehen, auf deren Grundlage die Länder dann die Planungsverantwortung haben. Die Planung umfasst die Standorte und ihre Details. So können regionale Unterschiede zum Beispiel in der Demografie oder im Behandlungsbedarf zukunftsfest und individuell in die Planung einbezogen werden. Die Planungen sind dann aber vergleichbar, was Angebot und der Qualität angeht.

Die Verteilung der Vorhaltekosten über das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) wäre ein Schritt in Richtung Staatsmedizin, denn der Staat bekäme unmittelbaren Zugriff auf einen erheblichen Anteil der Beitragsgelder.

Zudem sollen Vorhaltekosten eingeführt werden – ist das grundsätzlich sinnvoll?

Ja, Vorhaltekosten helfen dabei, für die Versorgung notwendige Strukturen ohne ökonomischen Druck sicherzustellen. Einen Operationssaal oder eine Radiologie müssen Kliniken ja auch dann vorhalten, wenn diese nicht 24 Stunden am Tag genutzt werden. Dabei gilt es aber zweierlei zu beachten. Erstens müssen sie an den tatsächlichen Bedarf gekoppelt, also nur dort gezahlt werden, wo sie wirklich auch bedarfsnotwendige Strukturen sichern. Zweitens muss das Prinzip gelten: Erst planen, dann zahlen. Macht man es umgekehrt, werden problematische Strukturen zementiert statt korrigiert, das verbrennt Geld und geht auf Kosten der Qualität.

Die Vorhaltekosten sollen aus den Diagnosis Related Groups (DRG) ausgegliedert und über das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) verteilt werden. Warum sieht die TK das kritisch?

Das wäre ein Schritt in Richtung Staatsmedizin, denn der Staat bekäme unmittelbaren Zugriff auf einen erheblichen Anteil der Beitragsgelder. Dabei ist unser Gesundheitssystem ganz bewusst weitestgehend unabhängig vom Staat finanziert und viele wichtige Finanzentscheidungen trägt die Selbstverwaltung. Das hat sich bewährt. So konnte zum Beispiel 2008 während der Finanzkrise in Deutschland die Gesundheitsversorgung eben nicht durch den Finanzminister beschnitten werden. Dieser geplante Schritt macht die Reform auch ohne Not komplexer. Es gibt schließlich einen Mechanismus, solche Gelder über etablierte Prozesse zu verteilen. Man könnte analog zu der Verteilung der Pflegebudgets verfahren. Dabei haben die Krankenhäuser auch eine Garantie über eine 100-Prozent-Finanzierung, ohne dass eine staatliche Behörde eingeschaltet ist. Diesen Mechanismus will die Kommission explizit beibehalten, warum sollte man ihn dann nicht auch für die Finanzierung von Vorhaltungen nutzen? Deshalb ist unser Vorschlag, die Vorhaltungen über die Klinikrechnungen abzufinanzieren. Dabei stellt ein 100-Prozent-Ausgleich die Zahlungen sicher.

Worauf kommt es nun bei der Umsetzung der Reform an?

Eine Krankenhausreform ist eine Mammutaufgabe. Dabei zählt Qualität, nicht Schnelligkeit. Ein durchdachtes und in sich stimmiges System wird besser funktionieren als ein Sammelsurium unterschiedlicher Einzelmaßnahmen. Dass in den vorliegenden Eckpunkten bereits verschiedene Ausnahmen vorgesehen sind, etwa für Pädiatrie und Geburtshilfe, spricht nicht für eine Reform aus einem Guss. Vor allem wird es in der Planung darauf ankommen, dass die Länder die Versorgungsstufen inklusive der Leistungsgruppen ohne individuelle Ausnahmen umsetzen. Darauf bauen alle anderen Vorschläge auf. Wird dieses Ziel verwässert, ist die Reform gescheitert, bevor sie umgesetzt werden kann.



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