Johanna Müller

Virtuelle Notfallversorgung – Utopie? Nein, Realität!

Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen werden oft in die Notaufnahme gebracht, obwohl sie eigentlich eine haus- oder fachärztliche Betreuung benötigen. Ein Projekt in Hamburg möchte das mit einer virtuellen Notfallsprechstunde ändern.

Gibt es in der Pflegeeinrichtung „PFLEGEN & WOHNEN HEIMFELD “ einen nicht-lebensbedrohlichen Notfall, melden sich die Mitarbeitenden seit kurzem per Videotelefonie in der Notaufnahme des Asklepios Klinikums Harburg (AK Harburg). Das spart unnötige Fahrten, die für die Bewohnerinnen und Bewohner mit großen Strapazen verbunden sind. Für dieses Projekt kooperieren das AK Harburg, der Betreiber „PFLEGEN & WOHNEN HAMBURG“ und mehrere Krankenkassen, darunter die Techniker Krankenkasse (TK).

Während des Videoanrufs werden die Pflegekräfte in der Einrichtung durch das medizinische Personal in der Notaufnahme virtuell über die bestmögliche Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner beraten. Im Anschluss übernehmen geschulte Pflegekräfte die Behandlung vor Ort in der Einrichtung, oder das Team der Notaufnahme vermittelt eine ambulante Weiterbehandlung durch eine haus- oder fachärztliche Praxis.

Dr. Benedikt Simon, Chief Officer Integrated and Digital Care bei Asklepios

Behandlung in vertrauter Umgebung

„Bewohnerinnen und Bewohner der Pflegeeinrichtung sind aufgrund ihrer vielfältigen somatischen und häufig auch psychischen Begleiterkrankungen sehr besondere Patientinnen und Patienten, die häufig sehr aufwendig in der Betreuung sind“, so Dr. Benedikt Simon, Chief Officer Integrated and Digital Care bei Asklepios. Die Notaufnahme ist nicht für eine optimale Betreuung von insbesondere demenzerkrankten Bewohnerinnen und Bewohnern ausgerichtet, erklärt auch Leslie Günther, Direktorin „PFLEGEN & WOHNEN HEIMFELD“. „Die digitale Komponente im Projekt ermöglicht uns, die Ärztin oder den Arzt hierher zu holen. Zwar nicht in Persona, aber auf dem Bildschirm“, sagt Constance Krüger, Pflegedienstleitung. Die Patientinnen und Patienten können so in ihrer gewohnten Umgebung bleiben und werden von ihnen vertrauten Personen betreut.

Aber nicht nur für die Pflegebedürftigen bietet das Projekt Vorteile – auch die Mitarbeitenden in der Pflegeeinrichtung sind von den Neuerungen überzeugt. Sie werden speziell geschult und können so ihr Aufgabenspektrum erweitern. „Es war wichtig, den Mitarbeitenden aufzuzeigen, was sie davon haben. Dazu gehören in diesem Fall ganz klar eine Zeitersparnis, eine organisatorische Entlastung für die Mitarbeiterin oder den Mitarbeiter und auch eine Entbürokratisierung“, sagt Günther.

Johanna Müller lässt sich von Leslie Günther und Constance Krüger von "PFLEGE & WOHNEN HEIMFELD" das telemedizinische Gerät "Tyto" zeigen

Pflegeeinrichtung in Heimfeld setzt auf Digitalisierung

Die Pflegeeinrichtung in Heimfeld sei digital schon gut aufgestellt, erklärt Günther: „Wir arbeiten schon lange mit Tablets und Handys zur sprachgesteuerten Pflegedokumentation. Das macht den Übergang zur digitalen Versorgung sowohl für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch für die Bewohnerinnen und Bewohner der Pflegeeinrichtung deutlich einfacher.“ Das Team sei dadurch im Umgang mit der Technik schon geschult. Gleichzeitig verfüge die Pflegeeinrichtung bereits über die nötige Infrastruktur für diese digitalen Lösungen.

Darüber hinaus sei es essenziell, dass sich auch das Team der Notaufnahme ein umfassendes Bild von der Patientin oder dem Patienten machen kann. Dafür wird ein technisches Instrument der besonderen Art genutzt: Das Telemedizingerät „Tyto“. „Mit dem kleinen Tyto-Gerät führen wir die Untersuchung durch, die App übermittelt dann die Ergebnisse an die Ärztin oder den Arzt. Den Video-Anruf machen wir mit Tablets“, so Krüger. Tyto ist per App steuerbar und kann beispielsweise Angaben zur Körpertemperatur oder zum Puls ermitteln, aber via Kamerafunktion auch den Hautzustand untersuchen – ein “Allround-Talent” also.

Maren Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung in Hamburg

Neuartige Zusammenarbeit ermöglicht hohe Versorgungsqualität

„Von der neuartigen Zusammenarbeit im Projekt profitieren alle Beteiligten: Der administrative Aufwand für die Mitarbeitenden wird reduziert, Stress für die Bewohnenden vermindert, die Notaufnahme des Krankenhauses entlastet und auch die Kosten für die gesetzlichen Krankenkassen gesenkt“, sagt Maren Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg. Das Konzept solle künftig auf weitere Standorte im Hamburger Süden ausgeweitet werden. Wenn es sich bewähre, könne dieses Vorbild für eine digitale Zusammenarbeit künftig auch auf andere Regionen übertragen werden.

 



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(Foto: Alexa Kirsch/Herz&Mut) Lennart Paul Lennart Paul

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