Vom Fachkräftemangel ist in vielen Branchen die Rede. Besonders betroffen sind seit langem auch Gesundheitsberufe wie Pflegefachkräfte und Hebammen. Um in diesen Bereichen künftig Personal zu gewinnen, sind neue Ideen nötig. Ein wichtiger Aspekt dabei: eine attraktive Ausbildung und attraktive Studiengänge. Das neue Skills- und Simulationszentrum der HWG in Ludwigshafen setzt genau da an und schafft eine risiko- und angstfreie Lernatmosphäre, die es den Studierenden ermöglicht, praxisnahe Erfahrungen zu sammeln.
Struktur zum Lernen und geplantes Chaos
Elf verschiedene Räume des Zentrums simulieren unterschiedliche Situationen im Pflegealltag. In den meisten von ihnen gibt es eine Trennung zwischen den Bereichen Pflege- und Hebammenwissenschaften. Herzstück des Simulationszentrums ist der Kontrollraum für die Lehrenden. Wenn dort alle Geräte eingeschaltet sind, ähnelt der Raum ein wenig einem Raumschiff.
An mehreren Monitoren verfolgen die Lehrkräfte, was die Studierenden in den Simulationsräumen machen. Das Besondere dabei: Sie können durch Mikrofone mit ihnen sprechen – mit der eigenen Stimme oder der einer Patientin oder eines Patienten. Diese sind aber keinesfalls echt, sondern werden durch Puppen dargestellt – und von denen gibt es im Skills- und Simulationszentrum viele. Vom Baby bis zum erwachsenen Menschen ist alles dabei. Gerade die Babys fühlen sich täuschend echt an: Sie sind schwerer als normale Puppen und ihre Bewegungen gleichen denen eines echten Babys.
Auch wenn die Puppen sich echt anfühlen und die Simulationen möglichst authentisch wirken sollen: Vom Kontrollraum aus können die Lehrenden zu jeder Zeit eingreifen. Das Konzept ist dabei auf eine angstfreie Lernsituation ausgelegt. Dramatische Konsequenzen haben falsche Entscheidungen der Studierenden also nicht.
Zoran Zucker im Check
Eine Station ist in vielen Räumen gleich: Ein Schrank mit typischen Utensilien wie Desinfektionsmittel, Tupfer und Medikamentenampullen. Dabei handelt es sich jedoch nur um Attrappen. Die Schränke sollen den Studierenden Ordnung und Orientierung bieten. Die einzige Ausnahme: der „Room of Horrors“. Dieser stellt die häuslichen Gegebenheiten der Patientinnen und Patienten möglichst realitätsnah dar, das Chaos ist hier also geplant. In diesem Raum trainieren die Studierenden, Ihre Arbeitsumgebung schnell zu erfassen und sie in die Behandlung mit einfließen zu lassen.
Im „Room of Horrors“ lebt der fiktive Patient „Zoran Zucker“. Ein schwieriger Fall: Überall im Raum liegen Süßigkeiten, leere Bierflaschen, auf dem Tisch ein Insulin-Pen und neben einem Flachmann Opioid-Tabletten. In diesem Durcheinander müssen sich die Studierenden möglichst schnell zurechtfinden, um im Ernstfall schnell und richtig zu reagieren.
Neben der Blutabnahme wird hier auch das Impfen geübt (Foto: HWG Lu/Skills-SimZentrum).
Blutabnahme üben – Fehler erkennen
Auch im Simulationszentrum kommt für die Studierenden erst die Theorie und dann die Praxis. Nach einer 45-minütigen Theorieeinheit können die Studierenden ihr neu gewonnenes Wissen direkt beim Blutabnehmen umsetzen. Mit Kunstblut präparierte Puppenarme sind das Übungsobjekt. Um auch gleich das Arbeiten im Team zu üben, bilden sie Dreierteams: Eine Person nimmt Blut ab, zwei beobachten. Für einen größtmöglichen Lerneffekt haben alle Puppenarme verschieden dicke Hautschichten. Kein Problem für die Studierenden: Trotz dieser zusätzlichen Schwierigkeiten gibt es schnell erste Erfolge in der praktischen Übung.
Pflegeausbildung weiterdenken
Das Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit in Rheinland-Pfalz unterstützt das innovative Konzept der HWG Ludwigshafen – ein klares Zeichen dafür, wie wichtig praxisnahe Lehre für die Gesundheitsversorgung ist. Und der Tag hat eines ganz deutlich gemacht: Das Lernen im Skills- und Simulationszentrum ermöglicht nicht nur eine realitätsnahe und angstfreie Ausbildung, sondern macht durch den spielerischen Ansatz auch Lust auf die weitere Ausbildung.