Hubert Forster

„Zusammenarbeit mit Physician Assistants ist vielerorts gelebte Realität“

Die Kooperation zwischen ärztlichen und nichtärztlichen Heilberufen wird immer wichtiger – auch und gerade in allgemeinmedizinischen Praxen. Bei der TK-DocTour stießen erstmals zwei Studentinnen des Fachs Physician Assistance (PA) zu den Medizinstudierenden und schauten mit ihnen gemeinsam niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten über die Schulter.

Seit über zehn Jahren findet die TK-DocTour in Baden-Württemberg statt. Ist der Teamgedanke bei den erstmals gemeinsam teilnehmenden Medizin- und PA-Studierenden dort angekommen? Und was konnten die PA-Studentin Jennifer Schein aus Neu-Ulm und der Medizinstudent Benedikt Weidner aus Mannheim insgesamt bei der diesjährigen Rundfahrt lernen? Ihre Eindrücke erläutern die beiden im Interview.

PA-Studentin Jennifer Schein aus Neu-Ulm und der Medizinstudent Benedikt Weidner aus Mannheim

Jennifer und Benedikt, was nehmt ihr von der Tour für euren weiteren beruflichen Weg mit?

Benedikt: Ich nehme von der TK-DocTour vor allem Hoffnung und Mut mit, neue Wege zu gehen. In unserer Berufsordnung heißt es: „Ärztinnen und Ärzte dienen der Gesundheit des einzelnen Menschen und der Bevölkerung.“ Wie wir dem einzelnen Patienten dienen, lernen wir im Studium und in der Facharztausbildung. Die Gesundheit der Bevölkerung bleibt dabei oft außen vor, sowohl in der Ausbildung als auch in der Wahrnehmung. Das darf aber nicht allein Aufgabe der Politik sein. Auf der DocTour haben wir viele engagierte Ärztinnen und Ärzte getroffen, die mit Innovationsgeist und unternehmerischem Denken kreative Lösungen für ihre unterversorgten Regionen gefunden haben.

Jennifer: Ich nehme ganz viel aus dem Austausch mit — vor allem, dass interprofessionelle Zusammenarbeit wirklich nur funktioniert, wenn man offen miteinander spricht. Ich war ehrlich gesagt positiv überrascht, wie interessiert und aufgeschlossen die Medizinstudierenden meinem doch noch recht neuen Berufsbild gegenüber waren. Es war schön zu sehen, mit wie viel Freude PAs in vielen Praxen bereits eingesetzt werden. Für mich hat sich dadurch nochmal bestätigt, dass die Entscheidung für das PA-Studium genau richtig war – und dass wir als Studierende jetzt schon aktiv zur Weiterentwicklung des Berufs beitragen können.

Was hat euch sonst noch überrascht?

Jennifer: Mich hat überrascht, wie vielseitig der ambulante Bereich ist. Man hat unglaublich viele Gestaltungsmöglichkeiten, kann sich flexibel weiterentwickeln und seine Schwerpunkte sehr individuell setzen. Besonders spannend fand ich auch, wie attraktiv der ländliche Raum sein kann – dort kann man wirklich gestalten und Verantwortung übernehmen, was ich vorher so gar nicht erwartet hätte.

Benedikt: Ich bin erstaunt, wie weit die Konzepte moderner Teampraxen bereits umgesetzt werden. Die stärkere Einbindung von Praxismanagerinnen und -managern, Physician Assistants sowie Medizinischer Fachangestellter ist vielerorts gelebte Realität. Trotz Fachkräftemangel gelingt es einigen Praxen durch strukturierte Fortbildung, flexible Arbeitszeiten und sogar Homeoffice-Angebote, attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen. Dadurch werden auch Angebote möglich, die vielerorts bereits verschwunden sind, etwa Hausbesuche oder flexible Notfallsprechstunden.

Ein wichtiger Grund für meine Teilnahme war auch, besser zu verstehen, wie meine zukünftigen Vorgesetzten – also Ärztinnen und Ärzte – über das PA-Berufsbild denken.

Jennifer, PA-Studentin

Bei der TK-DocTour stießen erstmals zwei Studentinnen des Fachs Physician Assistance (PA) zu den Medizinstudierenden und schauten mit ihnen gemeinsam niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten über die Schulter.

Die Bereitschaft zu interprofessioneller Teamarbeit scheint also vorhanden zu sein. Welche Ansatzpunkte zur Verbesserung seht ihr noch?

Jennifer: Ich nehme wahr, dass der Austausch zwischen den verschiedenen Berufsgruppen grundsätzlich gewollt ist – aber im Alltag oft noch zu kurz kommt. Die Tour hat gezeigt, wie viel entstehen kann, wenn man gezielt Räume für Begegnung und Austausch schafft: gegenseitiges Verständnis, neue Perspektiven und viele kreative Ideen, wie die Patientenversorgung gemeinsam weiterentwickelt werden kann. Ein wichtiger Grund für meine Teilnahme war auch, besser zu verstehen, wie meine zukünftigen Vorgesetzten – also Ärztinnen und Ärzte – über das PA-Berufsbild denken. Ich wollte zeigen, wie PAs dazu beitragen können, dass Zusammenarbeit wirklich funktioniert. Und ich war ehrlich begeistert, auf wie viel Offenheit und echtes Interesse ich gestoßen bin.

Benedikt: Das Kompliment gebe ich gerne zurück: Wir haben PAs als sehr motivierte Kolleginnen und Kollegen erlebt, die nicht nur fundiertes Fachwissen, sondern auch praktische Fähigkeiten mitbringen. Unter Medizinstudierenden und Ärztinnen und Ärzte gibt es viel Offenheit und auch Begeisterung dafür, standardisierte Aufgaben abzugeben. Das schafft Freiräume für komplexere Fälle, während Patientinnen und Patienten mit einfacheren Anliegen mehr Zeit und Zuwendung erhalten. Herausfordernd ist jedoch die große Heterogenität der Ausbildung. PA ist nicht gleich PA. Es braucht bundesweit einheitliche Standards, gleichzeitig sollte Raum für Spezialisierungen bleiben.

Was ist euer Wunsch an die gesundheitspolitischen Entscheidungsträger, damit ihr eine gute Zukunft im Gesundheitswesen für euch seht?

Jennifer: Ganz klar: den Mut, neue Versorgungsmodelle zuzulassen und interprofessionelle Zusammenarbeit wirklich zu fördern – nicht nur auf dem Papier. Wir brauchen Strukturen, die Austausch ermöglichen und die Kompetenzen aller Gesundheitsberufe gezielt einbinden. Nur so kann das Gesundheitssystem langfristig stabil bleiben und gleichzeitig attraktiv für junge Menschen wie uns sein.

Benedikt: Die Mittel im Gesundheitssystem sind da, aber sie werden nicht sinnvoll eingesetzt. Besonders die fehlende Patientensteuerung ist ein Problem. Heute entscheidet oft der Patient selbst, wo er sich mit welchem Anliegen vorstellt, unabhängig von Dringlichkeit oder Zuständigkeit. Dies führt dazu, dass eine Person mit seit fünf Wochen bestehenden Rückenschmerzen nachts um 2 Uhr per Rettungswagen in der Notaufnahme eintrifft, während ein junger Patient mit muskulärem Thoraxschmerz direkt zum Kardiologen geht. Ein gut organisiertes Primärarztsystem in Kombination mit digitalen Angeboten könnte hier viel bewirken. Gleichzeitig muss die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung gezielt gestärkt werden.



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