Sie alle haben bereits jahrelange Berufserfahrung – ob als niedergelassener Facharzt in der Anästhesie, als Fachärztin in der Neurologie oder Inneren Medizin im Krankenhaus. Ihr gemeinsamer Nenner? Das große Interesse am Thema Kopfschmerzen und Migräne. 15 Medizinerinnen und Mediziner haben sich dazu entschlossen, noch einmal die Studienbank zu drücken, um den neuen „Master of Migraine and Headache Medicine“ an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel zu absolvieren.
Eine von ihnen ist die die 54-jährige Monika Rieger aus Bingen am Rhein. Für den deutschlandweit einzigartigen Masterstudiengang zieht es die Ärztin seit Oktober 2021 regelmäßig an die 600 Kilometer entfernte Kieler Förde. Warum aber macht sie sich die Mühe, nach dem aufwendigen Medizinstudium und mehr als 20 Jahren Berufserfahrung in der konservativen Orthopädie, an die Hochschule zurückzukehren?
Migräne und Kopfschmerz sind Volkskrankheiten
„Das Thema Kopfschmerzen hat mich schon länger fasziniert. Es ist eine unglaublich vielschichtige und komplexe Erkrankung, die sowohl die Medizinerinnen und Mediziner als auch die Gesellschaft viele Jahre nicht auf dem Tableau hatten. In meiner Region habe ich außerdem eine Unterversorgung festgestellt, diese Lücke möchte ich gerne füllen. Denn ich weiß, was für eine enorme Belastung die Erkrankung mit sich bringt – vor allem, wenn lange Zeit gar nicht festgestellt wird, um was es sich genau handelt und die Patientinnen und Patienten von Praxis zu Praxis geschickt werden“, erklärt Monika Rieger ihre Motivation.
Migräne und Kopfschmerzerkrankungen sind Volkskrankheiten wie Karies oder Bluthochdruck. Und obwohl sie in der heutigen Zeit präzise diagnostiziert und behandelt werden könnten, werde nur ein geringer Teil der Patientinnen und Patienten auf dem Stand der Wissenschaft zeitgemäß versorgt, betont Prof. Dr. Hartmut Göbel von der Schmerzklinik Kiel, der den Studiengang initiiert und mit ins Leben gerufen hat. Das soll sich dank Studierender wie Monika Rieger künftig ändern. Therapie und auch Prophylaxe von Kopfschmerzen hätten sich zudem in den vergangenen Jahren rasant weiterentwickelt. Daher sei es für die angehenden Migräne-Expertinnen und -Experten wichtig, sich umfassendes Wissen anzueignen, so Göbel weiter. Auch die Möglichkeit, durch digitale Anwendungen – wie zum Beispiel die Migräne-App – Patientinnen und Patienten im Umgang mit ihrer Erkrankung zu unterstützen, gehört zu den Inhalten des Studiums.
Ich weiß, was für eine enorme Belastung die Erkrankung mit sich bringt.
Monika Rieger
Schmerzzentrum für Migräne-Patientinnen und -Patienten
Studentin Monika Rieger leitet bereits seit September 2021 ihre eigene Praxis für Schmerztherapie. Hier versuche sie, das multimodale Therapieangebot gegen chronische Schmerzen im ambulanten Bereich umzusetzen – und nun den Schwerpunkt auf Diagnostik, Therapie, Prophylaxe sowie Prävention von Kopfschmerzen zu erweitern. Um dieses Ziel zu erreichen, vernetze sie sich neben dem Studium ganz aktiv mit Schmerztherapeutinnen und -therapeuten aus anderen Fachbereichen wie Rehasport, Psychologie oder Physiotherapie. Außerdem engagiert sie sich für die Gründung einer Selbsthilfegruppe für Migränepatientinnen und -patienten.
Auch wenn das erneute Studieren mit zwei Kindern, einem Haus und der bestehenden Praxis eine enorme Belastung ist, ist Monika Rieger hochmotiviert. „Klar ist es stressig und zu Anfang eine Umstellung gewesen. Kiel ist außerdem nicht um die Ecke. Doch der Erfahrungsaustausch mit den Kolleginnen und Kollegen, das Kennenlernen der deutschland- und europaweit führenden Kopfschmerzexperten und auch die Zeit an der Ostsee sind eine echte Bereicherung für mich und den Aufwand auf jeden Fall wert.“ Sie ist außerdem fest davon überzeugt, dass sich das Studium am Ende auszahlen wird – sowohl für sie als Medizinerin als auch für die Betroffenen in ihrer Region.
Als nächstes steht ihre Masterthesis an, ein Thema hat sie bereits gefunden: Mithilfe einer Befragung von Erstpatientinnen und -patienten in ihrer Praxis möchte sie herausfinden, wie die Versorgung und Informationsbeschaffung rund um die Erkrankung bisher gelaufen sind. Wurden sie von Praxis zu Praxis geschickt? Haben sie erfolglos nur klassische Schmerzmittel eingenommen? Wo haben sie bisher ihre Informationen bezogen? „In meiner Region möchte ich dann die möglichen Defizite angehen“, sagt Monika Rieger.