Es pocht an den Schläfen, kleine Punkte erscheinen vorm Auge, Kim wird ein wenig übel, der Schmerz im Kopf immer intensiver. Sie muss nach Hause, Schule ist so einfach nicht möglich. Im Alter von nur zwölf Jahren hatte Kim ihre erste Migräne-Attacke. Sie gehört zu den 600 von 100.000 Kindern[i], die unter der neurologischen Erkrankung leiden.
Dass es sich bei ihren Schmerzen tatsächlich um Migräne handelt, war nicht sofort klar. Denn kurz vor ihrem ersten Anfall hatte Kim eine Gehirnerschütterung – ausgelöst durch einen Fahrradunfall. Die Vermutung, dass diese mit dem Hämmern im Kopf zusammenhing, lag nahe. Doch der Gang in die Kieler Schmerzklinik gab Kim Klarheit. Sie leidet unter Migräne.
Keine Schule mit Migräne möglich
„Wenn ich einen Raum betrete, sehe ich sofort, dass das Bild schief hängt“, erklärt sie die Feinfühligkeit von Migränepatienten. Im Alltag schränkt sie die Erkrankung massiv ein. „Ich muss oft den Unterricht abbrechen und nach Hause fahren.“ Wenn sich im Klassenzimmer schon der Migräne-Anfall mit dem ersten Pochen im Kopf ankündigt, weiß sie sofort, jetzt hilft nur noch Abbruch, Licht aus und Decke über den Kopf ziehen. Denn Kim ist bei ihren Anfällen, wie viele der Betroffenen, besonders lichtempfindlich. Einmal im Monat leidet die Schleswig-Holsteinerin an den extremen Kopfschmerzen. In der Schule verpasst sie daher viel. Auch Sport, Snapchat, Fernsehen oder und mit Freunden treffen ist mit Migräne nicht möglich.
Viele benutzen das Wort Migräne, wenn sie von ihren Kopfschmerzen sprechen. Aber jeder, der schon mal eine richtige Migräne hatte weiß, dass das nichts miteinander zu tun hat.
Medikamente wie hochdosiertes Ibuprofen und Novaminsulfon helfen ihr dabei, die Schmerzen zu lindern. Doch das sei längt nicht alles. Heute leidet Kim nur noch selten an den starken Kopfschmerzen. Sie hat ihre Krankheit im Griff. Eine besondere Rolle spielt dabei ihre Ernährungsumstellung. „Ich soll viele Kohlenhydrate essen“, betont sie. Denn Migräne-Patienten haben nachweislich einen überdurchschnittlich hohen Energiebedarf im Gehirn. Grund ist das Nervensystem, welches Informationen extrem schnell verarbeitet. Deshalb sieht Kim auch sofort, dass das Bild schief hängt.
Migräne-App hilft beim Selbstmanagement
Seitdem sie das weiß, kommt bei Kim morgens Porridge auf den Tisch. Auch reichlich Kartoffeln, Reis und Vollkornbrot stehen auf ihrem Speiseplan. Mit den Kohlenhydraten wurden die Anfälle weniger. Sie habe nur noch selten Attacken, die letzte war vor einem Dreivierteljahr. Auch die Nutzung der Migräne-App der TK und der Schmerzklinik Kiel habe ihr beim Umgang mit der Krankheit geholfen. Hier trägt sie ihre Anfälle ein und nutzt die Entspannungsprogramme der Anwendung. Die progressive Muskelentspannung für Kinder habe sie schon häufig verwendet. „Es hilft mir, wenn ich merke, es könnte gleich losgehen mit den Kopfschmerzen.“
Migräne ist in Kims Familie bekannt. Auch ihre Oma und ihr Onkel hatten damit zu kämpfen. Daher wussten ihre Eltern auch gleich, dass es sich um eine ernst zu nehmende Erkrankung und nicht um gewöhnliche Kopfschmerzen handelt. Der direkte Gang zum Schmerz-Experten ist aber längst nicht für alle Betroffenen der Standard. Viele unterschätzen die Krankheit und verwechseln sie mit gewöhnlichen Kopfschmerzen. Die Erfahrung hat auch Kim gemacht, wenn sie im Freundeskreis von ihrer Migräne gesprochen hat. „Viele benutzen das Wort Migräne, wenn sie von ihren Kopfschmerzen sprechen. Aber jeder, der schon mal eine richtige Migräne hatte weiß, dass das nichts miteinander zu tun hat.“
[i] TK-Kopfschmerzreport 2020. Zahl bezieht sich auf Kinder im Alter zwischen 0 bis 14 Jahren.