Herr Mikulla, Sie sind 65, wann gehen Sie in Rente?
Quasi übermorgen, am 1. August 2024. Wobei ich gar nicht das Gefühl habe, dass sich großartig was ändern wird, denn ich arbeite ja weiter.
Was machen Sie ab August?
Im April habe ich eine Firma gegründet, Mikulla & Partner Change Maker 50+. Damit möchte ich meine Erfahrungen in Bezug auf Mitarbeitende 50+ an verschiedene Unternehmen weitergeben. Gemeinsam mit meinen beiden Mitgründerinnen Dr. Leonie Koch, Gründerin von Netzwerk #experienced für Generationenkooperation bei Otto (GmbH & Co. KG), und Susanne Sabisch-Schellhas , Leiterin des Demographie Netzwerkes Hamburg, werden wir nach deren Renteneintritt Unternehmen beraten, so wie ich jetzt schon das 50+-Netzwerk bei Beiersdorf unterstütze.
Selbstständig im Rentenalter, wie kam es dazu?
Schon 2016 habe ich bei Beiersdorf das interne Netzwerk „Neue Generation 50+“ ins Leben gerufen, um Beschäftigte über 50 zu vernetzen und entsprechende Angebote und Austauschformate zu schaffen. 2017 habe ich mich dann auf die Suche nach Sparringspartnern gemacht, und so kam ich an meine beiden Kolleginnen, die genau wie ich für das Thema berufliche Weiterentwicklung und gesellschaftliche Wertschätzung unserer Altersgruppe brennen.
Was machen Sie als Change Maker 50+?
Wir haben einen monatlichen Coffee break, bei dem wir digital zu verschiedenen Themen informieren, Lernangebote schaffen und in die Diskussion kommen. Bei den mittlerweile über 40 Terminen sprechen wir zum Beispiel über Achtsamkeit, Recruiting oder auch die Unterstützung durch KI. Außerdem gibt es unseren jährlichen Kongress, eine bundesweite Konferenz, bei der Unternehmen, Beschäftigte und Interessierte zusammenkommen. Und wir haben mittlerweile ein kleines Beratungsteam aufgebaut, mit dem wir in Unternehmen gehen und dort bei Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung unterstützen.
TK-Gesundheitsreport 2024
Der Fachkräftemangel macht Betrieben bundesweit zu schaffen. Grund genug für die Personalabteilungen ihren Fokus auch auf die Gruppe der älteren Beschäftigten 50+ zu legen, um diese möglichst lange im Job zu halten. Doch was wünschen sich die älteren Beschäftigten genau? Welche konkreten Maßnahmen können sie länger im Berufsleben halten? Und welche Rolle spielt die Gesundheit dabei? Diese Fragen beleuchtet der „TK-Gesundheitsreport 2024: Fachkräftemangel: Was hält die Generation 50+ im Job?“.
Was treibt Sie an?
Ich bin Kaufmann und merke: Wir gehen leichtsinnig mit unserem Wirtschaftsstandort um! 2035 werden uns 6,5 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fehlen. Früher haben Unternehmen versucht Mitarbeitende ab Mitte 50 sozial verträglich in den Ruhestand zu begleiten – heute brauchen wir ein Umdenken. Der Arbeitsmarkt hat sich geändert und das kommt nur langsam in den Köpfen an. Viele Firmen investieren viel Geld in Recruiting und verschenken dabei das Potenzial, langjährige Mitarbeitende zu binden. Dabei können wir Beschäftigte 50+ einen Beitrag dazu leisten, das Gap abzupuffern. Aber, dazu müssen auch unsere Bedürfnisse gehört werden.
Welche sind das?
Vor allem Wertschätzung. Wir sind Beschäftigte mit großem Erfahrungsschatz, die gut vernetzt sind. Unternehmen sollten stärker in diese Altersgruppe vertrauen und auf sie bauen. Dazu gehört auch, entsprechende Lernangebote und Weiterbildungsmöglichkeiten zu schaffen. Ich habe in meiner Zeit bei Beiersdorf viele unterschiedliche Aufgaben gehabt und jedes Mal etwas Neues gelernt. Das zahlt doch auch auf das Konto Selbstvertrauen ein und so letztlich auch auf die Gesundheit.
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Was raten Sie Arbeitgebern, um Mitarbeitende möglichst lange zu halten?
Unternehmen müssen klare Signale an ihre Mitarbeitenden senden. Zum Beispiel in dem sie interne Netzwerke für ältere Beschäftigte aufbauen. Außerdem ist es wichtig, die Förderung von Mitarbeitenden über 50 und die Alterssensibilisierung strukturell zu verankern. Als ich im vergangenen Jahr bei einem Kongress zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement war, habe ich gedacht: Wäre es nicht sinnvoll, so etwas als Teil von BGM-Maßnahmen zu etablieren?
Und zu guter Letzt: Warum denkt man Modelle wie Jobsharing oder Tandems nicht auch mal flexibler, man muss sich Aufgaben ja nicht immer zur Hälfte teilen? Viele Menschen würden sicher auch über den Renteneintritt hinaus – und im begrenzten Umfang – ihr Team unterstützen. Dann vielleicht nur an einem Tag pro Woche. Aber solche Modelle werden derzeit noch zu wenig bedacht.