Lennart Paul

Pflegerin des Jahres: Integrationsbeauftragte Stefanie Gierth holt Platz 1

Jedes Jahr zeichnet die Initiative Herz & Mut die Pflegerinnen und Pfleger des Jahres aus und will so sichtbar machen, was Menschen in der Pflege leisten.  Die Berlinerin Stefanie Gierth konnte sich in diesem Jahr den ersten Platz sichern.

Damit hat Stefanie Gierth nicht gerechnet, als sie an diesem Morgen zur Arbeit ins Vivantes Klinikum Am Urban in Berlin-Kreuzberg kommt. Im Büro öffnet sich die Tür und die Organisatorin des Preises „PflegerIn des Jahres“ trägt eine Torte herein. Darauf steht Gierths Name – sie ist in diesem Jahr von der Fachjury auf den ersten Platz gewählt worden.

„Ich war völlig überrumpelt“, sagt die 53-Jährige. „Es gibt doch so viele, die diesen Preis verdient hätten.“ Natürlich wusste sie, dass eine Kollegin sie vorgeschlagen hatte. Sie wusste und vergaß es fix wieder. Bis zu der kleinen Überraschungsparty im Krankenhaus, die ihr noch heute die Tränen in die Augen treibt.

Stefanie Gierth bei der Preisverleihung (Foto: Alexa Kirsch/Herz&Mut)

Gegen das ständige Gemecker

Stefanie Gierth ist eine Frau mit besonderer Ausstrahlung. Bei der Begrüßung strahlt sie vor Freude, umarmt den Besucher und hält beim langen Gespräch fast immer den Augenkontakt. Herzlich, offen und ehrlich – diese Eigenschaften machen sie aus. Vor allem aber ist sie immer optimistisch. „Mir geht dieses ewige Gemecker auf den Keks“, erzählt die Berlinerin. „Und die, die am meisten meckern, tun am wenigsten, damit es besser wird.“

Das gilt auch für ihren Beruf: „Das ist doch einer der schönsten Berufe, den man sich vorstellen kann. Du bekommst ein regelmäßiges Gehalt. Schichtdienst gibt es nun mal in vielen Bereichen. Das muss auch nicht unbedingt ein Minus sein. Außerdem hat der Wandel längst begonnen: Du kannst Wunschpläne einreichen, auf den Stationen wird viel mehr auf die Bedürfnisse der Pflegenden eingegangen. Personalmangel gibt es inzwischen in vielen Berufen. Aber in der Pflege zu arbeiten, gibt dir so viel.“

Alles beginnt mit dem Großvater

Den Berufswunsch Pflegerin weckte schon früh Stefanie Gierths Großvater. „Mit ihm konnte ich so gut spielen“ erzählt sie. „Aber am spannendsten war für mich, dass er im und nach dem Zweiten Weltkrieg Lazarettzüge gefahren hatte. Und so operierten und pflegten wir immer wieder sämtliche Teddys und Puppen gesund. Mein Großvater war der Arzt und ich die Krankenschwester. An meinem Traumberuf hat sich dann nichts mehr geändert.“

Seit ihrer dreijährigen Ausbildung arbeitete sie durchgehend in Krankenhäusern, in vielen Bereichen, von der Geburtsstation bis zum Brustzentrum. Manche ihrer Freundinnen hielten sie anfangs für zu empathisch. Würde sie abschalten können? Heute ist das für sie jedoch keine Herausforderung mehr: „Das Loslassen lernst du mit den Jahren.“

Beim gemeinsamen Ausflug: Stefanie Gierth mit einer Kollegin und einigen ausländischen Pflegekräften, die sie im Klinikum Am Urban in Berlin betreut hat (Foto: Vivantes)

Pflegekräfte dringend gesucht

Vor zwei Jahren war bei Vivantes klar: Angesichts des Pflegekräftemangels muss der Konzern dringend im Ausland rekrutieren und arbeitet dafür mit Partnerunternehmen zusammen. Als Integrationsbeauftragte war Stefanie Gierth gemeinsam mit Kolleginnen in diesem Bereich bereits tätig geworden: Sie hatten zusammen Ideen für die Integration von vietnamesischen Pflegeschülerinnen und -schülern entwickelt.

„Wie können wir Menschen unterstützen, die nach Deutschland zum Arbeiten kommen?“, fragt Gierth. „So dass sie nicht sagen: ,Nee, das finde ich hier blöd, ich geh wieder.‘“ Einige ihrer Erkenntnisse zum Thema Integration: Sie funktioniert nur mit Toleranz, Akzeptanz und viel Arbeit: „Du musst unbedingt da sein.“

Das ist sie vom ersten Tag an. Sie holt die neuen Kolleginnen und Kollegen  ab, dann folgen die erste gemeinsame U-Bahn-Fahrt, ein Besuch beim Bäcker, der Einführungstag in der Klinik mit einem Rundgang durchs Haus, die Vorstellung bei der Pflegedirektion und den Fachschwestern und zwei Stunden Einführung auf der künftigen Station. Immer begleitet. Niemals allein gelassen.

Zu Hause vom ersten Tag an

Stefanie Gierth beschreibt, was es mit einem Menschen macht, wenn er bei seiner Ankunft an der neuen Arbeitsstätte einen Schrank vorfindet, auf dem bereits sein Name steht. „Wir müssen es schaffen, dass jeder neue Mitarbeitende denkt: Die Menschen hier haben auf mich gewartet.“

In der folgenden Zeit ist die Integrationsbeauftragte gemeinsam mit einer Kollegin zuständig für sämtliche praktische Anleitungen der bisher 25 Neuen. Und sie vermittelt, räumt Missverständnisse aus. „Man muss Menschen Ängste nehmen“, sagt sie. „Ängste vor Neuem. Ängste vor Veränderung. Und da komme ich ins Spiel. Je mehr wir die Station sensibilisieren, desto mehr fühlt die neue Kollegin oder der neue Kollege sich zu Hause.“

Stefanie Gierth weiß aber auch: Auf die Euphorie des beruflichen Starts in einem neuen Land folgen immer die Downs: Heimweh. Einsamkeit. Dann wird sie zur Sozialarbeiterin, zur Vertrauten, zur Ersatzmutter. Damit es schnell wieder aufwärts geht und die Pflegerin des Jahres wie so oft sagen kann: „Meine Tätigkeit macht einfach glücklich.“

Die Auszeichnung

Die Initiative „Herz & Mut“ zeichnet seit 2017 besondere Leistungen in der Pflege mit dem Preis „PflegerIn des Jahres“ aus. Dadurch soll der Pflege „die Anerkennung zukommen, die sie verdient“. Mehr Informationen zur Auszeichnung gibt es auf der Seite der Initiative. Auf dem WirTechniker-Blog stellen wir nach und nach die drei ausgezeichneten Pfleger:innen des Jahres 2024 vor



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