Silvia Wirth

Das TK Start-up-Feature: „WearHealth“ spielt mit künstlicher Intelligenz

Dieser Beitrag ist Teil des Start-up-Features von Wir Techniker im Rahmen der Health-i-Initiative von der TK und dem Handelsblatt. Unter zahlreichen Bewerbern wurde das Start-up WearHealth als eins von fünf jungen Unternehmen zum Innovationstag am 13. September in Berlin eingeladen und hat die Chance, eine Kooperation mit der TK zu gewinnen.

Es war nur eine leichte Drehung des Handgelenks, die Esteban Bayro Kaiser Kopfzerbrechen bereitete. Wie bringt man einem Sensor am Handgelenk bei, nur anhand der Bewegung des Arms zu erkennen, ob ein Mensch isst, trinkt oder eine Tablette einnimmt? Um diesen Unterschied zu erfassen, müssen pro Sekunde mehrere hundert Datenpunkte gescannt und verarbeitet werden. Die Armbewegungen werden in drei Bewegungsachsen vermessen und gleichzeitig per Sensor die Beschleunigung jeder Geste registriert.

„Thank you for taking your pill“ („Danke, dass Sie Ihre Tablette eingenommen haben“), verkündet eine Computerstimme, wenn Bayro Kaiser vorführt, welche Technologie hinter seinem Start-up WearHealth steckt. Ein Wearable an seinem Arm ist verknüpft mit dem Smartphone. Die Sensoren leiten die Informationen sofort weiter und werten aus, ob er eine Tablette einnimmt oder sich nur durch die Haare fährt.

 Künstliche Intelligenz basierend auf Sensortechnologie steht bei WearHealth im Mittelpunkt.

Künstliche Intelligenz basierend auf Sensortechnologie steht bei WearHealth im Mittelpunkt.

Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Michael Zoelzer hat Bayro Kaiser im Oktober 2015 das Unternehmen WearHealth gegründet. Die zentrale Geschäftsidee der beiden Gründer ist künstliche Intelligenz („Machine Learning“) basierend auf Sensortechnologie. Ihre Vision: Wearables wie Fitnessarmbänder oder Pulsuhren sollen in Zukunft helfen, Menschen gesünder zu machen. Ein digitaler persönlicher Gesundheitsassistent soll per Wearable Patienten 24 Stunden am Tag begleiten und intelligentes Feedback zum Lebenswandel geben.

„Unsere Idee ist es, Menschen auf ungesundes Verhalten aufmerksam zu machen, bevor sie krank werden.“

Bayro Kaiser

Viele Menschen tragen bereits heute Fitnessarmbänder oder Pulsuhren, verlieren aber schnell die Lust daran, weil sie ihre Daten nicht interpretieren und daraus keine Schlüsse für ihr Verhalten ziehen können, erklärt Bayro Kaiser weiter. WearHealth will die Daten aus den Wearables sowohl auf dem Smartphone als auch in einer Cloud zusammenführen und so für die Medizin nutzbar machen. „Mit unserer Technologie sind viele Anwendungsfälle denkbar“, ergänzt sein Partner Michael Zoelzer. Derzeit arbeiten sie an einer Kooperation mit einer Schweizer Klinik. Mit der Technologie von WearHealth soll die Behandlung von Patienten, die an der nicht heilbaren Nierenerkrankung ADPKD erkrankt sind, optimiert werden. Daten zu Blutdruck, Puls, Ernährung, Rauchen, Bewegung und Gewicht werden von WearHealth in einer Cloud zusammengetragen und helfen den Ärzten bei der Entscheidung über die individuelle Behandlung, da sie den Gesundheitszustand jedes Patienten tagesgenau ablesen können.

Für die Entwicklung der technischen Voraussetzungen haben sich die beiden Gründer die Universität Bremen und mehrere Tech-Unternehmen mit ins Boot geholt. „Streng genommen sind wir kein Start-up, sondern ein ‚Research Spin-off‘, eine Ausgründung aus der Hochschulforschung“, erklärt Zoelzer. WearHealth sitzt mit acht Mitarbeitern in einem Büro am Institut für Künstliche Intelligenz der Universität Bremen. Durch die enge Anbindung an die Forschung können die Gründer neue Erkenntnisse direkt in Lösungen für die Praxis transferieren. An der Universität wurde auch im Bereich der Gestenerkennung geforscht, die WearHealth nutzt, um zu unterscheiden, ob ein Patient in einen Apfel beißt oder eine Tablette einnimmt.

Das Team von WearHealth.
Das Team von WearHealth.

Zoelzer und Bayro Kaiser haben mit WearHealth den Weg eines „Lean-Start-ups“ gewählt: Das heißt, eine Unternehmung wird möglichst schnell mit wenig Kapitaleinsatz am Markt etabliert, das Produkt wird dabei in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden entwickelt. Die Kunden von WearHealth sind Unternehmen oder Krankenkassen, die die Technologie für Patienten oder Versicherte nutzen. „Wir suchen sowohl Know-how aus dem Gesundheitsbereich, um unsere Geschäftsidee zu entwickeln, als auch Businesspartner, die uns helfen, Anwendungsfälle für unser Produkt zu finden“, erklärt Zoelzer.

Die Zeiten, in denen sich Produktentwickler in der Garage eingeschlossen haben und erst mit einem fertigen Produkt wieder heraus kamen, sind vorbei. Heute sind die Produkte technisch so differenziert, dass es wichtig ist, von Anfang an mit dem Kunden zusammenzuarbeiten, um schnell auf Feedback reagieren zu können. Das spart Marketingkosten und verhindert, dass ein Produkt am Bedarf vorbei entwickelt wird. Der Health-i-Award von der TK und dem Handelsblatt passt daher genau ins Profil von WearHealth. „Wir wollen gemeinsam mit der TK ein Produkt entwickeln, das den Versicherten eine smarte Gesundheitsversorgung mit den Technologien der Zukunft bringt“, sagt Bayro Kaiser.

Michael Zoelzer entwickelt die Businessstrategie von WearHealth.
Michael Zoelzer entwickelt die Businessstrategie von WearHealth.

Kennengelernt haben sich die Beiden bei einem Programm für Start-up-Gründer in Hamburg. Damals noch mit jeweils anderen Unternehmensideen sind sie sich auf einem Workshop begegnet und haben schnell gemerkt, dass sich ihre Talente und das unterschiedliche Know-how gut ergänzen. Bayro Kaiser hat Elektro- und Nachrichtentechnik studiert und zu künstlicher Intelligenz promoviert. Der 33-Jährige bringt das technische Wissen für die Produktentwicklung mit. Zoelzer hat Wirtschaftsinformatik studiert und bereits fünf Start-ups gegründet. Die Stärke des 36-Jährigen liegt in der Betriebswirtschaft und in der Erfahrung im Aufbau von Unternehmen. „Es ist nicht leicht den richtigen Businesspartner für eine Neugründung zu finden“, sagt Zoelzer. „Aber bei uns hat es sofort gepasst.“

Im Video: „WearHealth“ stellt sich vor.



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