Mein Freund verbietet mir, mein Essen mit dem Smartphone zu fotografieren und es anschließend auf Instagram zu posten. Ich bekomme einen genervt-strafenden Blick gefolgt von einem: „Können wir jetzt endlich essen?!“ entgegengeraunzt. Schuldig lege ich dann das Gerät weg, überlege aber insgeheim schon die optimalen Hashtags und den idealen Filter für das Foto. Denn Foodfotografie und Foodposts – das weiß ein jeder Instagram-Nutzer – sind ein anspruchsvolles Genre. Meistens sieht das leckerste Essen als Handyfoto irgendwie fad und unappetitlich aus. Verständlich also, dass da alles an Bildbearbeitung zum Einsatz kommt, was Instagram zu bieten hat.
Essen als Selbstinszenierung
Die Frage, was wir essen und wie wir das tun, hat heutzutage schon fast den Stellenwert einer religiösen Glaubensfrage. Doch woher kommt das Bedürfnis, seine Mahlzeiten im Netz zu zeigen und seine Ernährungsweise in sozialen Netzwerken in dem Ausmaß zu thematisieren? Woher der Drang, das alles anderen Menschen auf die Nase zu binden?
Laut Sascha Lobo, Blogger, S.P.O.N.- Kolumnist und digitaler Vordenker, ist Essen das perfekte nonverbale Symbol zur Inszenierung der eigenen Persönlichkeit und funktioniert deshalb in den sozialen Medien als Erkennungsmerkmal für den Lebensstil: „zur Identifikation, als Ersatzreligion, als sozialer Kitt, als Überzeugungstat.“
In der aktuellen TK Ernährungsstudie wurde erstmals auch der Umgang mit Essen in sozialen Netzwerken abgefragt. Das Ergebnis: Zwar ist aktives Posten seines Essens im Bundesdurchschnitt eher eine Nische (18 Prozent), aber: Fast jeder (72 Prozent) kennt sie, die Foodpostings.
Viel Motivation, ein bisschen Kunst
Um nicht nur von mir auf die Allgemeinheit zu schließen, habe ich mich umgehört, wie das bei anderen ist. Kai ist Azubi bei der TK – er ist außerdem aktiver Food-Instagrammer und postet auf dem Account hauptsächlich seine Mahlzeiten.
Angefangen hatte alles im letzten Jahr mit dem Wunsch, abzunehmen. Fast einen Monat lang postete Kai täglich sein Essen, sozusagen als Ernährungstagebuch. „Vor Weihnachten wollte ich mehr auf meine Ernährung achten und Sport machen. Da habe ich angefangen, Instagram quasi als Tagebuch zu nutzen.“
Mit der Regelmäßigkeit der Food-Posts kam der Ansporn. Eine längere Pause zu machen war irgendwann nicht mehr drin. Reagierten Freunde und Follower anfangs noch kritisch auf die Masse an Foodposts, entwickelten sich nach und nach Fans: „Mittlerweile hab ich durch meine Posts einen regelrechten Battle ausgelöst. Meine Leute fragen mich nach den Rezepten und Tipps fürs Nachkochen der Gerichte. Es freut mich, wenn ich andere dadurch inspiriere“, sagt Kai.
Für die einen geht es darum, sich durch das Fotografieren und Veröffentlichen ihres Essens zu einem gesünderen Ernährungsstil anzuspornen. Für andere steht die Ästhetik im Vordergrund oder die schiere Faszination für zubereitete Lebensmittel. Wie das aussehen kann, zeigen diese verblüffenden Instagram-Accounts:
Ob temporärer Trend, ein neuer Zeitgeist oder eine innovative Form von Individualität – letztlich geht es doch um die Art und Weise, wie wir uns mit dem Thema Essen beschäftigen. Und wenn kreative Foodposts Lust und Spaß am Essen auslösen und Menschen dazu animieren, sich bewusst mit der Zubereitung frischer Zutaten zu beschäftigen, ist daran im Grunde nichts verkehrt. Was am Ende zählt, ist ein gesunder Umgang mit dem Thema Ernährung, ein Bewusstsein für das, was wir in unseren Körper tun und ein gutes Bauchgefühl.
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