Silvia Wirth

Prothesen aus dem 3D-Drucker

Dieser Beitrag ist Teil des Start-up-Features von Wir Techniker im Rahmen des TK-Accelerators 2017. Unter zahlreichen Bewerbern wurde „Mecuris“ als eines von drei jungen Unternehmen für das 100-tägige Mentoring-Programm ausgewählt.

Schicht für Schicht schmilzt ein Laserstrahl Linien in ein Pulverbett und lässt so millimeterweise aus Polymerstaub den Umriss eines Fußes entstehen. Wenige Stunden dauert es, bis der 3D-Drucker auf diese Weise einen kompletten Prothesenfuß erstellt hat und ein fertiges Modell aus dem Pulver geborgen werden kann: Wo sonst Teile für Autos oder Implantate gefertigt werden, druckt das Münchner Start-up „Mecuris“ Prothesen und Orthesen. „Durch das 3D-Druckverfahren können wir unsere Hilfsmittel individuell an den Patienten anpassen“, erklärt Manuel Opitz, einer der sechs Gründer des Unternehmens.

Maßgeschneidert statt Einheitsgröße

Auch für den Badesee geeignet: wasserfeste Prothese und Cover von Mecuris.

Entstanden ist die Idee, Prothesen mittels 3D-Druck zu fertigen, aus der Not heraus. Dr. med. Simon Weidert arbeitet als Unfallchirurg an der Universitätsklinik in München und war auf der Suche nach einer passenden Orthese für einen Patienten mit komplexer Halswirbelsäulenfraktur, dessen Kopf über mehrere Wochen fixiert werden musste.
Weil es auf dem Markt kein passendes Produkt gab, entwickelte er zusammen mit seiner Doktorandin, Orthopädietechnikern und Designern die Orthese kurzerhand selbst. Da der Patient das Hilfsmittel sofort brauchte, kamen die herkömmlichen Fertigungsverfahren nicht in Frage. Weidert probierte es mit dem 3D-Druckverfahren und war vom Ergebnis überzeugt. Die Idee zu Mecuris war geboren.

Bessere Compliance durch individuelles Design

Das Start-up wurde im Mai 2016 als Spin-off des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München gegründet. Mittlerweile sitzt das 17-köpfige Team in einem Büro am Sendlinger Tor und hat drei Modelle im Sortiment: Jeweils einen Prothesenfuß für Kinder und Erwachsene und eine kosmetische Verkleidung für Beinprothesen.

Die vierjährige Emma testet ihren neuen Prothesenfuß.

Das Besondere bei Mecuris ist, dass nicht nur das Endprodukt digital im 3D-Druck gefertigt wird, sondern der gesamte Erstellungsprozess digitalisiert ist. Das Start-up hat eine Softwareplattform für Orthopädietechniker entwickelt, auf der sie die Maße oder Bilder der Patienten hochladen und die Prothese digital für den Träger maßschneidern. Zur Konfiguration zählt weiterhin individuelle Funktionalität basierend auf Gewicht, Mobilitätslevel oder auch Wasserfestigkeit. Auch die Optik lässt sich individuell gestalten. Für die 4-jährige Emma, die erste kleine Trägerin der Mecuris-Fußprothese, hat das Start-up einen Prothesenfuß in rosa passend zu Ihrem Schaft mit lilafarbenen Herzen gestaltet. „Gerade bei Kindern wird die Compliance enorm gesteigert, wenn sie selbst entscheiden können, wie die Prothese aussieht“, sagt Opitz.

Zwei Millionen Schritte und eine Tonne Belastung

Die große Herausforderung bei der Konstruktion einer Prothese ist die mechanische Stabilität. Um einen natürlichen Gangprozess nachzuahmen, muss sie belastbar sein, auf der anderen Seite jedoch auch flexibel genug, um bei Bewegungen mitzugehen. Die Feuertaufe hatte die Fußprothese von Mecuris im Dezember 2016. Für die CE-Zertifizierung musste der Fußersatz einen Dauerlasttest mit zwei Millionen Gangzyklen und eine Belastung von mehreren Hundert Kilo überstehen. „Wir sind jetzt weltweit die ersten, die 3D-gedruckte Prothesen mit CE-Kennzeichnung fertigen“, so Opitz. Ein wichtiger Meilenstein für das junge Team, um langfristig im ersten Gesundheitsmarkt Fuß zu fassen.

Modell NexStep ist als erste 3D-gedruckte Prothese weltweit CE- und ISO-zertifiziert.

„Unsere Vision ist es, dass die Prothese in Zukunft in 48 Stunden ausgeliefert wird“, sagt Opitz. Derzeit dauert die Fertigung von der Vermessung beim Orthopädietechniker bis zur Lieferung maximal zehn Werktage. Diese kurze Produktionszeit ist besonders für Kinder ein großer Vorteil. Regulär beträgt die Anpassungszeit für Prothesen nämlich zwei bis drei Monate, Kinder im Wachstum benötigen jedoch alle drei bis sechs Monate eine neue Prothese.

Gemeinsam mit der TK will das Start-up im Rahmen des Accelerator-Programms den Zugang zum ersten Gesundheitsmarkt beschleunigen, um eine schnellere und individuellere Versorgung zu gewährleisten. Das Start-up setzt hier auf die Erfahrung der TK. „Wir profitieren im Accelerator von der Erfahrung einer Krankenkasse im Hilfsmittelmarkt“, so Opitz. Das gemeinsame Ziel ist es, den derzeit noch komplizierten und aufwendigen Bestellprozess zu vereinfachen und die Erstattung zu beschleunigen.

Im Video: „Mecuris“ stellt sich vor.



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Katharina Lemke
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