Die Woche ist durchgetaktet, ein Termin jagt den nächsten. Tagsüber ist keine Zeit für Pausen, nachts kreisen die Gedanken und verhindern erholsamen Schlaf. Der Stresspegel steigt. Schlapp machen? Auf keinen Fall. Die anderen schaffen das Pensum ja auch. Das sind die Gedanken, die viele Stressgeplagte im Hamsterrad hält.
Corona hat die Situation für viele noch verschärft: Laut einer aktuellen Forsa-Studie fühlen sich 42 Prozent der Männer gestresst. Im Gegensatz zu Frauen suchen sie jedoch seltener nach Unterstützung und setzen darauf, dass sie allein mit der Belastung fertig werden. TK-Psychologe Dr. David Horstmann erklärt sich das so: „Männer sind häufig davon überzeugt, dass sie stressige Situationen eigenständig bewältigen können oder gar müssen. Diese erlebte Selbstwirksamkeit – also die Überzeugung, Herausforderungen allein bewältigen zu können – ist eine wichtige Ressource im Umgang mit Stress. Gleichzeitig aber fällt es Männern dadurch auch schwerer, Unterstützung anzunehmen. Sie haben Angst, dass das als Eingeständnis für Schwäche oder Versagen wahrgenommen werden könnte.“
Definition über beruflichen Erfolg
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie belasten Männer genauso wie Frauen. Kurzarbeit, die Angst vor einem Arbeitsplatzverlust und Einkommenseinbußen machen Vielen zu schaffen. „Männer definieren sich häufig stark über ihren beruflichen Erfolg. Den Anforderungen im Job gerecht werden zu wollen, kann enormen Druck erzeugen, was sich im schlimmsten Fall gesundheitlich bemerkbar macht“, so David Horstmann. Das ist bei Frauen meist anders. Sie achten in der Regel mehr auf eine gesunde Work-Life-Balance und suchen sich gezielt Ausgleich zum Job in ihrer Freizeit.
Männer reden nicht gerne über ihre psychische Gesundheit.
Lennart Semmler
Mann, was geht?!
Gemeinsam mit der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V. hat die TK nun das bundesweite Internetportal „Mann, was geht?!“ ins Leben gerufen. „Männer reden nicht gerne über ihre psychische Gesundheit. Deshalb ist es wichtig, andere Wege der Ansprache zu finden“, sagt Lennart Semmler, Fachreferent der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen. „In anderen Ländern gibt es bereits Angebote zum Stressumgang speziell für Männer. Projekte in Kanada, Australien und Großbritannien haben gezeigt, dass sich die gezielte Ansprache von Männern lohnt: Wir sehen hier deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede. Das haben wir beim Aufbau von ‚Mann, was geht?!‘ berücksichtigt.“
Keine Klischees bedienen und Stereotypen entgegenwirken
„Wenn es um Gesundheit geht, fühlen sich Männer eher durch positive Bilder, Aktivität und Leistung angesprochen. Entsprechend ist auch das Portal auf diese Bedürfnisse abgestimmt“, so Psychologe Horstmann. Lennart Semmler ergänzt: Wir haben die Angebote und Strategien zur Stressbewältigung auf dem Portal auf unterschiedliche Lebensphasen ausgerichtet, beispielsweise Vaterschaft, aktiven Ruhestand oder Phasen gesundheitlicher Veränderungen.“ Semmler sagt, dass es immer auch eine Gratwanderung sei, die richtige Ansprache für ein Geschlecht zu finden. Das Portal solle sich zwar gezielt an Männer richten, aber keine Klischees zum Unterschied zwischen Mann und Frau bedienen.