Die Coronapandemie wird oft mit der Spanischen Grippe verglichen. Inwiefern passt dieser Vergleich?
Wir vergleichen ungewohnte neue Ereignisse oft mit dem, was wir schon kennen. Ob der Vergleich dieser beiden Pandemien wirklich so passgenau ist, wissen wir erst im Nachhinein. Es ist aber die bislang letzte Pandemie, mit einem damals unbekannten Erreger tierischen Ursprungs. Deshalb wird sie zum Vergleich so gerne herangezogen. Sicherlich gab es Ähnlichkeiten: ein wellenartiger Pandemieverlauf, Lungenentzündungen, Thrombosen und eine massive Immunreaktion, die damals Zytokinsturm genannt wurde. Die Spanische Grippe war aber auch sehr tödlich, weil in der Bevölkerung Vorerkrankungen stark verbreitet waren. Die Gesundheitsversorgung, wie wir es heute kennen, gab es zu dieser Zeit noch gar nicht, der erste Weltkrieg bzw. dessen Ende tat sein Übriges. Kurzum, der Gesundheitsstatus der Bevölkerung war ein völlig anderer und Vorerkrankungen eher die Regel als die Ausnahme. Das machte die Pandemie so fatal. Denn damals wie heute gilt: Vorerkrankungen erhöhen das Risiko.
Wie wurde auf die Spanische Grippe reagiert und was haben wir aus dieser Pandemie gelernt?
Mit Sicherheit können wir sagen, dass die Spanische Grippe ein Vorbild für die Eindämmungsmaßnahmen ist. Nicht allerdings in Deutschland, wo es zum damaligen Zeitpunkt noch gar keine statistische Erfassung der Fälle gab. In den USA hingegen war das schon der Fall und hier konnte viel konkreter reagiert werden. Massenveranstaltungen wurden abgesagt, Schulen geschlossen und es gab damals schon eine Maskenpflicht. Dadurch ließ sich die Fallzahl im Vergleich zu Städten, in denen diese Maßnahmen nicht getroffen wurden, deutlich reduzieren. Im Zuge weiterer Grippepandemien entdeckte man den Übergang des Erregers vom Tier auf den Menschen. All diese Erkenntnisse haben es ja zum Beispiel auch in die Pandemiepläne des Robert-Koch-Instituts (RKI) geschafft. Und Staaten wie Neuseeland und Australien zeigen, dass die konsequente Umsetzung dieser Empfehlungen in der aktuellen Situation erfolgreich ist.
Weltweit werden große Hoffnungen in die Impfung der Bevölkerung im Kampf gegen das Coronavirus gesetzt. Gab es in der Geschichte ähnlich bedeutende Impfstoffe?
Ein ähnlich stark ersehnter Impfstoff war der gegen die Pocken. Das ist ein Beispiel bereits aus dem 18. Jahrhundert. Damals starb in vielen ländlichen Gebieten jedes zweite Kind vor seinem fünften Geburtstag. Heutzutage unvorstellbar. Dank der Pockenimpfung konnte die Kindersterblichkeit um 20 Prozent reduziert werden. Die Pocken sind wiederum aber eine Krankheit, die man ausrotten konnte, da sie eben nur Menschen befällt. Das ist bei vielen anderen Erkrankungen ja nicht der Fall, weil sie sowohl Menschen als auch Tiere betreffen und so selbst durch Impfungen nicht vollständig ausgelöscht werden können.
Die Coronapandemie wird sicherlich in die Geschichtsbücher eingehen. Ist sie auch ein Fall für das Museum?
Wir als Medizinhistorisches Museum Hamburg möchten – sobald es wieder geht – die Ausstellung „Pandemie – Rückblick und Gegenwart“ eröffnen. Außerdem rufen wir wie andere Museen dazu auf, Erinnerungen, so etwas wie „Corona-Artefakte“ aufzubewahren. Dabei geht es gar nicht so sehr darum, diese für künftige Ausstellungen zu nutzen. Denn für eine Historisierung des Virus ist es noch zu früh. Aber wir werden sehen, was die Pandemie überdauert und sich im Nachhinein bewährt oder wichtig bleibt. Empfehlen kann ich in diesem Kontext das CoronArchiv, dessen Ziel es ist, persönliche Erinnerungen und Fundstücke rund um die Pandemie zu sammeln und einzuordnen.