Johanna Küther

Corona-Hotline: Antworten zu Impfwirkstoffen, Nebenwirkungen und Mutationen

Dr. Tilo Mackenroth ist Internist aus Lübeck und seit 2018 Teil des TK-Ärztezentrums. Seit einem Jahr beantwortet er auch an der Corona-Hotline der TK die Fragen der Anrufenden.

Herr Dr. Mackenroth, welche Fragen erreichen Sie über die Corona-Hotline?

Das hat sich im Laufe der Zeit natürlich stark gewandelt. Anfangs ging es hauptsächlich um die Frage der Ansteckungsfähigkeit. „Wie schütze ich mich am besten?“, diese Frage habe ich oft gehört. Dann kamen vermehrt Anrufe von Risikopatienten hinzu. Mittlerweile stehen natürlich die Themen Testen und Impfen im Vordergrund. Es geht um praktische Anliegen rund um die Impfreihenfolge oder die Terminvergabe, aber insbesondere auch um Fragen zur Immunologie und zu den unterschiedlichen Impfstoffen.

Dr. Tilo Mackenroth beantwortet seit einem Jahr die Fragen der TK-Versicherten an der Corona-Hotline

Geht es dabei auch um die unterschiedlichen Wirkweisen der momentan zugelassenen Impfstoffe?

Genau. Um das zu erklären, braucht es einen kurzen Exkurs in die Immunologie. Egal ob ein Krankheitserreger, wie z. B. ein Virus, oder ein Impfstoff in den Körper eindringt, die Reaktion ist dieselbe: Das Abwehrsystem wird aktiviert und spezialisierte Zellen analysieren die Eiweißstoffe des Eindringlings und geben diese Information weiter. Dann beginnt die körpereigene Immunantwort. Hierbei werden einerseits Antikörper und andererseits sogenannte Killerzellen gebildet, die jeweils das Virus bekämpfen. Außerdem entstehen langlebige Gedächtniszellen, die bei einer erneuten Konfrontation mit dem Erreger die Abwehrkaskade schnell einleiten können. Jede Impfung zielt auf die Erzeugung dieser Gedächtniszellen ab. Dieser Mechanismus kann auf unterschiedliche Weise in Gang gesetzt werden. Schon lange kennen wir die klassischen Totimpfstoffe, wie sie es z. B. gegen Kinderlähmung gibt. Hierbei werden abgetötete, unschädliche Viren bzw. deren Proteinbestandteile geimpft. Anders funktionieren die neuen mRNA- oder auch die Vektorimpfstoffe, die bislang bei uns gegen Corona zugelassen sind.

Wie funktionieren die neuen Impfstoffvarianten?

Bei Einsatz der neuen, genbasierten Impfstoffe bildet der Körper selbst das Protein, auf das die Immunantwort folgt. Stellen Sie sich das Coronavirus vor wie eine Kastanie am Baum. Das Innere ist die Erbinformation, die Stacheln der Hülle sind kleine Proteine. Diese heißen Spike-Proteine, weil sie wie kleine Stachel oder Spitzen aussehen, die dem Coronavirus die typische Form geben. Ein Teil der Erbinformation im Kastanieninneren enthält den Bauplan für diese Spike-Proteine. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Bei den mRNA-Impfstoffen wird dieser Bauplan in einer Lipidhülle, also umgeben von Fett, in den Körper transportiert. Dort wird er freigesetzt. Der Körper bildet jetzt die entsprechenden Spike-Proteine selber entsprechend der übertragenen Erbinformation, und die Kaskade der Abwehrreaktion beginnt. Eine Vektorimpfung funktioniert ähnlich, lediglich der Transportweg ist ein anderer. Vektoren sind Viren, die im Menschen nicht vermehrungsfähig sind. In das Erbmaterial des Vektorvirus wird ebenfalls der Bauplan für das Spike-Protein wie bei mRNA-Impfstoffen beschrieben eingefügt und gelangt so verpackt dann in den Körper, und die Immunreaktion beginnt.

Wie entstehen Impfnebenwirkungen und welche sind das üblicherweise?

Als sehr seltene und gravierende Nebenwirkung ist die Sinusvenenthrombose nach einer Impfung mit dem Wirkstoff von AstraZeneca gerade Anlass zu neuen Impfempfehlungen gewesen. Von diesen seltenen Nebenwirkungen sind die – übrigens völlig normalen – Impfreaktionen abzugrenzen. Typischerweise sind das Schmerzen im Arm, Abgeschlagenheit oder Grippesymptome, wie zum Beispiel Fieber. Das ist unangenehm, aber ganz normal und ein Zeichen dafür, dass der eben genannte Prozess im Gang ist. Übrigens ist die Impfreaktion bei Jüngeren in der Regel stärker, da hier das Immunsystem noch deutlich aktiver ist als bei älteren Menschen. Da kann das Fieber dann auch schon mal mehrere Tage andauern. Wichtig ist: Das sollte jüngere Menschen auf keinen Fall von einer Impfung abhalten. Denn was wir auch sehen, ist, dass bei den unter 60-Jährigen häufiger Spätfolgen einer Covid-19-Infektion auftreten: das sogenannte Long-Covid-Syndrom. Davon sind ca. 10 Prozent der Erkrankten betroffen. Nach einer Umfrage litten in der Gruppe der 30- bis 39-Jährigen noch 30 Prozent, bei den 40- bis 49-Jährigen sogar 32 Prozent vier bis sechs Wochen nach der Infektion anhaltend unter Symptomen wie z. B. Atembeschwerden oder chronischer Müdigkeit.

Nun hören wir viel von Mutanten, von neuen Virus-Typen mit kryptischen Abkürzungen. Wie gut ist man mit einer Impfung gegen diese Varianten geschützt?

Dazu muss man zunächst wichtige Begriffe definieren: unter Mutationen versteht man einzelne, zufällige Änderungen des Erbgutes. Das sind die „kryptischen Bezeichnungen“. Mutanten oder auch Virus-Varianten sind die aus einer Mutation entstandenen kompletten Viren. Dabei kann eine Mutante mehrere Mutationen, also Veränderungen zum ursprünglichen Virus, aufweisen. Viele dieser Mutationen betreffen auch das Spike-Protein. Das bedeutet, dass bei einer Mutante vielleicht einige der Oberflächeneigenschaften des Spike-Proteins anders geartet sind, so dass unsere Abwehrzellen sie nicht als Teil des Coronavirus erkennen. Das ist in der Regel nicht problematisch, da nicht alle Strukturen des Spike-Proteins verändert sind und immer noch viele vom Abwehrsystem erkannt werden. Somit wirken die Impfstoffe weiterhin, wenn eben auch schwächer. Bei starker Veränderung des Spike-Proteins kann der Impfschutz jedoch auch deutlich abnehmen. Das ist für einige der bekannten Mutationen schon untersucht und auch sehr wahrscheinlich. Aber auch ein geringerer Impfschutz reduziert immer noch die Gefahr von schweren Verläufen. Wichtig ist aber: Je häufiger sich Viren vermehren, desto öfter läuft dabei auch mal etwas schief, es entstehen neue Mutationen und damit neue Mutanten. Daher müssen wir die Ausbreitung unbedingt eindämmen und impfen, impfen, impfen.

Weitere Informationen

Das TK-Ärzte­Zen­trum bietet TK-Versi­cherten online und telefonisch Antworten zu allen gesundheitlichen Themen. Mit medizinischen Fragen zum Coronavirus können sich Versicherte auch direkt an die Coronavirus-Hotline des TK-ÄrzteZentrums wenden: 040-46 06 – 61 91 60 (Montag bis Freitag 8 – 20 Uhr).



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Laura Hassinger Laura Hassinger
Jessica Kneißler Jessica Kneißler
Johanna Küther Johanna Küther

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3 Kommentare

  • Marcus

    Übernimmt die TK bei Vorliegen eines sog. COVID Arms sämtliche Behandlungskosten, also auch Spritzen, Ergo, Physio und Osteo?

    • Redaktion

      Hallo Marcus,
      treten in Folge der Impfung behandlungsbedürftige Erkrankungen auf, übernehmen wir die entsprechenden Behandlungskosten über die Versichertenkarte. Welche Form der Behandlung in dem von Ihnen geschilderten Fall notwendig ist, entscheidet die Ärztin/der Arzt.

      Freundliche Grüße
      die WirTechniker-Redaktion

  • Katja

    Mein Sohn hatte nach der Booster Impfung ein wenig Beschwerden – herzlichen Dank für das hilfreiche Telefonat mit dem Team des TK-Ärzte Zentrums, jetzt können wir besser informiert und ohne Sorge den Abend genießen.