Die Zahl der Magen-Darm-Infektionen durch Rota- und Noroviren sind von 2019 auf 2020 laut RKI um 68 Prozent zurückgegangen. Inwieweit ist das auf vermehrte Händehygiene zurückzuführen?
Wir glauben, dass da ein ganz deutlicher Zusammenhang besteht. Einerseits bei Durchfallerkrankungen durch Rota- und Noroviren, andererseits aber auch bei anderen durch Hände übertragbaren Erkrankungen – ob Influenza oder multiresistenten Erregern. Wir sehen da einen deutlichen Rückgang und auch unsere Zahlen zu Händedesinfektionsmittelverbräuchen zeigen im Jahr 2020 einen deutlichen Anstieg in medizinischen Einrichtungen.
Händehygiene ist zurzeit allgegenwärtig: Gibt es dadurch auch in der Hygiene- und Infektionsforschung neue Erkenntnisse?
Durch die aktuell guten Zahlen bezüglich anderer Infektionskrankheiten sehen wir, dass in Sachen Händehygiene noch Luft nach oben ist. Wichtig ist, jetzt den Schwung für die Zeit nach der Pandemie zu nutzen, um verstärkt auf Hygiene hinzuweisen – aber nicht nur im Krankenhaus, sondern auch in der Allgemeinbevölkerung. Es gibt auch aktuelle Forschungsprojekte, beispielsweise bezüglich der Reduktion von multiresistenten Erregern, an denen wir mitgearbeitet haben. In naher Zukunft werden einige Studien über die Zeit der Pandemie veröffentlicht werden.
Werfen wir einen Blick in die Zeit nach der Pandemie: Wird das Bewusstsein für Händehygiene bestehen bleiben?
Das ist eine ganz spannende Frage. Schauen wir doch mal 100 Jahre zurück, auf die Zeit der Spanischen Grippe. Die damaligen Maßnahmen sind wieder aus dem Alltag verschwunden, was vermutlich auch nach dieser Pandemie der Fall sein wird: Man wird sich wieder umarmen und sich wieder die Hand geben. Dennoch werden wir uns daran erinnern können, dass die richtige Hygiene uns nicht nur vor Corona schützen kann, sondern auch vor einer ganzen Reihe anderer Erkältungskrankheiten, vor allem in Kitas oder Schulen. Ich bin von Haus aus Kinderarzt und beobachte, dass Eltern ihre Kinder oft krank in den Kindergarten bringen. Das geht gar nicht, egal um welche Infektionskrankheit es sich handelt.
Hygienekampagnen spielen momentan eine große Rolle. Wie kann die Öffentlichkeit auch in Zukunft erreicht werden?
Wir machen uns momentan Gedanken über Programme, Videos und Anzeigen, die uns dabei helfen können, den Schwung aufrecht zu erhalten. Im Rahmen der Pandemie sind wir auch politisch aktiv und sind unter anderem mit verschiedenen Bundesministerien im Kontakt. Da besteht natürlich die Frage: Wie können wir in Zukunft neben medizinischem Fachpersonal alle Bürger erreichen? Der medizinische und der private Bereich müssen enger verzahnt werden – da ist noch viel Luft nach oben. Allgemein ist neben der Händehygiene auch ein generelles Hygienebewusstsein wichtig: Wo kann es Risiken geben? Wo sind Abstände notwendig und wo nicht? Das sind interessante Fragen, die jetzt in der medizinischen Community diskutiert werden. So auch zum Beispiel, dass wir insbesondere im Winter bei den Masken bleiben. Sie hatten vorhin den Infektionsrückgang durch Rota- und Noroviren angesprochen, was zur Hälfte sicherlich auf die bessere Händehygiene zurückzuführen ist, aber zur anderen Hälfte auf das Tragen von Masken. Gerade wenn wir Ausbrüche beim Personal verhindern wollen, helfen Masken natürlich, da man sich nicht einfach mal ans Gesicht fassen kann. Da kommen mehrere Punkte zusammen, die wir gerade messen. Wir achten jetzt schon darauf, dass wir gar nicht erst wieder auf Vorpandemie-Hygiene herunterfahren. Es bleibt spannend!
Das Interview führten Marija Gildermann und Nastassja Henkel.