Kerstin Grießmeier

Vorhaltekosten: „Es kommt auf die richtige Reihenfolge an“

Vorhaltekosten sind ein zentrales Element der geplanten Krankenhausreform. Welche Rolle sie in der komplexen Reform spielen und worauf es bei der Einführung ankommt, erklärt TK-Krankenhausexperte Jörg Manthey.

Die geplante Krankenhausreform sieht auch die Einführung von Vorhaltekosten vor. Was versteht man darunter?

Vorhaltekosten sind Fixkosten, die Kliniken entstehen, weil sie bestimmte Strukturen – zum Beispiel spezielle Geräte oder erfahrenes Personal – für die Behandlung bereithalten. Bislang sind sie Teil der Fallpauschalen. Künftig sollen Krankenhäuser einen Teil ihrer Vergütung von den Kassen als Vorhaltekosten für notwendige Strukturen außerhalb dieser Logik erhalten. Das Geld fließt dann unabhängig davon, wie intensiv diese Strukturen genutzt werden. Das hilft Krankenhäusern, die zwar notwendige Strukturen bereitstellen, diese aber nicht auslasten können. Besonders für Kliniken in dünn besiedelten Regionen oder in Spezialdisziplinen war das schon länger ein Problem. Diesen Häusern soll der wirtschaftliche Druck genommen werden, Strukturen auslasten zu müssen.

Jörg Manthey leitet bei der TK den Bereich Krankenhausstrategie.

Welche Aufgabe haben Vorhaltekosten?

Sie sollen Strukturen finanzieren, die ein Krankenhaus für die Versorgung der Menschen im Einzugsgebiet benötigt. Die Klinik bekommt dadurch die finanzielle Sicherheit, dass ein Teil ihrer Fixkosten – unabhängig von der Zahl der behandelten Patientinnen und Patienten – gedeckt wird.

Damit die Kosten nicht aus dem Ruder laufen, ist es wichtig, dass darüber nur für die Versorgung notwendige Strukturen finanziert werden. Welche Versorgung in der jeweiligen Klinik angeboten wird, soll zukünftig anhand von sogenannten Leistungsgruppen geplant werden. Sie enthalten die technischen oder personellen Voraussetzungen für bestimmte Behandlungen. Die jeweiligen fixen Vorhaltekosten sollen an diese neuen Leistungsgruppen gekoppelt werden. Für eine bundesweit vergleichbare Versorgung ist es wichtig, dass auch die Leistungsgruppen bundesweit einheitlich definiert und umgesetzt werden.

Oft heißt es, Fallpauschalen bieten falsche (finanzielle) Anreize für Kliniken. Kann die Einführung von Vorhaltekosten Abhilfe schaffen?

Bisher erhalten Krankenhäuser ihre Betriebskosten auf Basis von Fallpauschalen. Sie decken sowohl Fixkosten als auch variable Kosten einer Klinik ab. Dadurch können Kliniken durch mehr Fälle Überschüsse erwirtschaften, die sie für defizitäre Bereiche verwenden konnten. Bei generell mangelnder Auslastung ergeben sich für die betroffenen Kliniken allerdings Defizite. Wichtig ist, dass die Kosten für den vorhandenen Bedarf an Behandlungen gedeckt werden können. Dazu gehört auch, dass Kliniken für die Behandlung der Bevölkerung bereitstehen, ohne dass sie jederzeit zu 100 Prozent belegt sind. Genau das ist der Sinn der sogenannten Vorhaltung. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich die Finanzierung dieser Vorhaltungen am tatsächlichen Bedarf der Bevölkerung ausrichten muss.

Wie sollen die Vorhaltekosten künftig verteilt werden?

Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat das Thema noch nicht abschließend bearbeitet. Jedoch schlägt die zuständige Regierungskommission vor, dieses Geld über das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) an die Kliniken zu verteilen.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich die Finanzierung dieser Vorhaltungen am tatsächlichen Bedarf der Bevölkerung ausrichten muss.

Ist das sinnvoll?

Nein, die Reform ist ohnehin sehr komplex. An dieser Stelle mit neuen Prozessen und einem neuen staatlichen Verteilungssystem weitere Baustellen aufzumachen, würde die Komplexität weiter steigern. Viel einfacher wäre es, Prozesse zu nutzen, die es bereits gibt. Deshalb schlagen wir vor, die Vorhaltungen über die Krankenkassen direkt an die Kliniken zu vergüten. Das geschieht bereits auf ähnliche Weise bei den Fallpauschalen und Pflegebudgets. Vorhaltekosten sind schließlich Beitragsgelder und können in das etablierte Abrechnungssystem der Krankenkassen einfach, schnell und leistungsbezogen integriert werden. Zudem lässt ein Umweg über das BAS die Selbstverwaltung außen vor, verletzt also ein Grundprinzip unseres Gesundheitssystems.

Um wieviel Geld geht es dabei?

Vorhaltekosten sollen künftig 40 Prozent des Budgets der einzelnen Leistungsgruppen ausmachen – bei einigen Leistungsgruppen sogar 60 Prozent. Insgesamt betragen die Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen für den Bereich Krankenhaus rund 86 Milliarden Euro.

Worauf kommt es bei der Verteilung von Vorhaltekosten noch an?

Auf die richtige Reihenfolge: Würde man Vorhaltekosten einfach in unveränderte Strukturen gießen, würden dadurch Doppelstrukturen und mangelnde Planung subventioniert. Darum muss zuerst die einheitliche Krankenhausplanung mit Leistungsgruppen geschaffen werden, bevor dann Vorhaltekosten in eine neustrukturierte Kliniklandschaft fließen.



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