Pünktlich um 8 Uhr ist der Computer hochgefahren, das Headset angelegt und die beiden Spotlights auf den Mann vor der weißen Leinwand gerichtet. Die Schicht von Telearzt Dr. Kai Jes Hansen im Ärztezentrum der ife Gesundheits-GmbH beginnt. Kaum hat sich der 62-Jährige auf „verfügbar“ gestellt, geht auch schon der erste Anruf bei ihm ein. Am Telefon meldet sich ein älterer Mann, der Fragen zur bevorstehenden Grauer-Star-OP hat. Eine halbe Stunde später folgt der nächste Termin. Eine TK-Versicherte hat sich für eine telemedizinische Beratung eingebucht. Die junge Frau vor dem Bildschirm möchte nach Ecuador reisen und fragt den Allgemeinmediziner, welche Reiseschutzimpfungen dafür nötig wären. Kein Problem für Hansen, diese Frage kann er aus dem Effeff beantworten. Sollte allerdings mal eine spezifische Frage, etwa zu einem rheumatologischen Problem, bei ihm auflaufen, organisiert er einen Rückruf von Kolleginnen und Kollegen. „Wenn ich selbst etwas nicht weiß, finde ich jemanden, der es weiß.“
Seit gut einem Jahr arbeitet Dr. Kai Jes Hansen als Telearzt auf Gut Nehmten – einer der vier Standorte der ife. Eingebettet in der idyllischen schleswig-holsteinischen Landschaft berät er als einer von 70 Ärztinnen und Ärzten TK-Versicherte weltweit.
Verschiedenste Gründe für die Arbeit im Telearztzentrum
Jahrzehntelang habe er in einer typischen Landarztpraxis gearbeitet, erzählt er. Mit Anfang 60 wollte er beruflich kürzertreten. „Ich habe wirklich gerne als niedergelassener Allgemeinmediziner gearbeitet. Aber jetzt beginnt für mich ein neuer Lebensabschnitt. Ich möchte mehr Zeit mit meiner Frau und meinen Enkelkindern verbringen“, sagt er. Froh sei er darüber, dass er eine Nachfolgerin für seine Praxis in Lütjenburg gefunden hat. Mit gutem Gewissen konnte er seine neue Stelle antreten.
Mehr Zeit für das Gespräch mit Patientinnen und Patienten
Ob die Umstellung von Landarztpraxis zum Telearzt schwierig gewesen sei? „Eigentlich gar nicht so sehr“, meint Hansen. Schließlich mache er im Grunde dasselbe. „Die ärztliche Beratung ist eine Kernaufgabe des Hausarztes. Ob ich das nun vor Ort im persönlichen Gespräch tue oder eben hier am Telefon oder über den Monitor ist erst einmal nicht relevant“, sagt er.
Fragen nach Medikamenten-Wechselwirkungen oder Therapie-Alternativen gehören zu seinem Alltag. Oftmals übernehme er Aufgaben, zu denen das ärztliche Personal im hektischen Berufsalltag kaum noch Zeit fände. MRT-Berichte und Arztbriefe für medizinische Laien zu übersetzen sind ein Beispiel. „Die Menschen sind unglaublich dankbar, dass sich jemand die Zeit nimmt, ihnen alles einmal in Ruhe zu erklären. Auch dass wir 24/7 erreichbar sind, ist für viele eine große Hilfe.“
Die ärztliche Beratung ist eine Kernaufgabe des Hausarztes. Ob ich das nun vor Ort im persönlichen Gespräch tue oder eben hier am Telefon oder über den Monitor ist erst einmal nicht relevant.
Dr. Kai Jes Hansen
Fragen kommen häufig aus dem Ausland
Viele Versicherte meldeten sich auch aus dem Ausland: Der mögliche Tollwut-Hundebiss auf Bali oder die Großmutter, die ihre Insulin-Spritze vergessen hat: Alles Fälle, die bei Hansen schon aufgelaufen sind. Neben Telefon und Videochat über die TK-Doc-App gibt es auch einen klassischen Chat, den Versicherte für Fragen nutzen können. „Akute Fragen lassen sich häufig auch via Chat klären. Für komplexe Nachfragen, zum Beispiel Für und Wider vor einer geplanten Operation und Erläuterung unterschiedlicher Therapieverfahren, eignet sich jedoch eher ein persönliches Gespräch per Video oder am Telefon mit einem Facharzt bzw. einer Fachärztin aus dem jeweiligen Gebiet.“
Doch ganz gleich ob am Telefon, im Chat oder per Videotelefonie – Hansen macht deutlich: „Die Beratung hat natürlich ihre Grenzen. Wenn eine körperliche Untersuchung zwingend notwendig ist, endet eine Beratung.“ Die meisten Versicherten könnten aber schon ganz gut einschätzen, mit welchen Fragen sie sich an ihn und seine Kolleginnen und Kollegen wenden. Dass sich eine Frau hektisch am Telefon bei ihm meldet, weil ihr Mann mit starker Allergie von einer Wespe gestochen wurde, passiere nur selten. Dann heißt es: Nutzen Sie die Notfallmedikation, falls vorhanden, und rufen sofort die 112 an!