Denise Jacoby

Gelenkersatz? Lieber Sport statt Bettruhe!

Der Einsatz eines künstlichen Knie- oder Hüftgelenks gehört mit über 400.000 Eingriffen bundesweit zu den häufigsten Operationen hierzulande. Was Krankenhäuser für ein möglichst gutes Resultat tun müssen und was Patientinnen und Patienten schon vor ihrer OP dazu beitragen können, erklärt der Mediziner Dietrich von Stechow.

Herr von Stechow, als Chefarzt der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin am Asklepios-Klinikum im hessischen Langen haben Sie viel Erfahrung. Was kann ein moderner Gelenkersatz heute leisten?

Im besten Fall kann ein moderner Gelenkersatz langfristig die Lebensqualität erhalten. Heutzutage haben jüngere wie ältere Menschen, die einen Eingriff zum Gelenkersatz erwägen, einen ganz anderen Anspruch an ihre Lebensqualität als noch vor 20 Jahren. War es früher das individuelle Schmerzempfinden, das die Entscheidung für einen solchen Eingriff maßgeblich prägte, so steht nun der hohe Anspruch an die Erhaltung einer möglichst hohen Lebensqualität im Vordergrund. Es ist nicht unüblich, dass jüngere, aber auch ältere Patienten noch gewisse sportliche Ziele haben und zuvor eine Operation erwägen, damit sie diese besser erreichen können. Die Haltbarkeit eines Gelenkersatzes variiert dabei. Ein künstliches Kniegelenk hält bei 95 Prozent der Patientinnen und Patienten über zehn Jahre, Hüftprothesen in vielen Fällen sogar rund 20 und mehr Jahre.

Dr. Dietrich von Stechow ist Chefarzt der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin am Asklepios-Klinikum im hessischen Langen.

Die TK hat mit ausgewählten Kliniken Qualitätsverträge für eine verbesserte medizinische Versorgung geschlossen. Was ändert sich dadurch für die Patientinnen und Patienten?

Sie erhalten dank der Qualitätsverträge eine umfassendere Betreuung und damit eine ganz neue, sektorübergreifende Versorgungsqualität: Ihnen steht zusätzlich zur ärztlichen Betreuung nicht nur eine neue digitale Gesundheits-App, sondern auch ein Case-Manager oder eine Case-Managerin zur Seite. Diese kümmern sich ab dem Zeitpunkt, ab dem eine Operation empfohlen wird, als persönliche Ansprechpartner um alle organisatorischen und technischen Fragen und leiten die Patientinnen und Patienten durch die verschiedenen Stationen der gesamten Behandlung. Sie überwachen auch, dass wichtige Termine eingehalten werden, wie beispielsweise der Start der Physiotherapie direkt am ersten Tag nach der OP oder der schnellstmögliche Antritt einer qualitativ hochwertigen Reha-Maßnahme.

Wie lange stehen die Case-Manager den Patientinnen und Patienten zur Verfügung?

Die Begleitung der Patientinnen und Patienten durch diese ausgebildeten Gesundheitsfachleute erfolgt insgesamt zwölf Monate lang und damit weit über den ersten Klinikaufenthalt und die anschließende Reha-Maßnahme hinaus. Wir können so mithilfe regelmäßiger Abfragen auf den Behandlungsbedarf schneller reagieren und die Ergebnisqualität der Operationen noch genauer erheben als bisher.

Je häufiger man etwas tut, umso besser wird man darin. Im Qualitätsvertrag ist daher eine Mindestanzahl von Gelenkersatzoperationen vorgesehen. Wie viele Gelenkersatz-OPs führen Sie an Ihrem Haus durch und wie häufig sind Komplikationen?

Wir haben im vergangenen Jahr 166 Hüft- und 145 Knie-Endoprothesen eingesetzt. Die hohe Qualität unserer Arbeit belegen die Auswertungen des Endoprothesenregisters Deutschland (EPRD): In den Jahren 2016 bis 2021 musste in unserer Klinik nur bei einem Prozent der Hüftversorgungen und bei 0,6 Prozent der Knieversorgungen eine Revisionsoperation erfolgen. Dies sind überdurchschnittlich gute Werte. Wir senden unsere Daten bereits seit Jahren an das EPRD, nicht erst seit der Verpflichtung durch den Qualitätsvertrag.

Wie stellen Sie sicher, dass an Ihrem Haus nicht zu viele, möglicherweise auch unnötige Operationen durchgeführt werden?

Bevor die Ärztinnen und Ärzte in unserem Haus die Indikation für eine Operation zum Gelenkersatz stellen, erfolgen grundsätzlich eine umfassende Diagnostik und wiederholte, intensive Gespräche mit den Patientinnen und Patienten. Auch müssen die konservativen Behandlungsmöglichkeiten voll ausgeschöpft sein. Die Entscheidung für eine Endoprothetik fällt auch nicht aufgrund eines Röntgenbildes oder weil wir eine Prothese als beste Option sehen, sondern nachdem die Patientin oder der Patient sich nach eingehender Beratung dafür entschieden hat.

Für den Genesungsprozess nach einer Gelenkersatz-OP ist der effektive Muskelaufbau vor und nach dem Eingriff essenziell.

Um möglichst rasch mobil zu werden, sollen sich Betroffene nach Hüft- oder Knie-Operationen relativ zügig wieder bewegen. Wie kann die Nutzung der Therapie-App zum Heilungsprozess beitragen?

Neben einer qualitativ hochwertigen ärztlichen Behandlung ist bei einer endoprothetischen Versorgung die „Compliance“, also die aktive Mitwirkung der Patientinnen und Patienten am Genesungsprozess, ausschlaggebend für ein nachhaltig gutes Ergebnis. Der effektive Muskelaufbau vor und nach einem Eingriff ist hier das Stichwort. Neben der ärztlich verordneten Physiotherapie und den Reha-Maßnahmen können Patientinnen und Patienten diesen durch zusätzliche Übungen und gesunde Ernährung enorm beeinflussen. Unsere digitale Gesundheits-App ist eine hervorragende Ergänzung zur bisherigen Behandlung. Sie bietet Anleitungen und Informationen und gibt so den Patientinnen und Patienten eine gewissen Sicherheit bei ihren Übungen, die ohne digitale Unterstützung oft weniger oder gar nicht gemacht wurden. Zudem können die behandelnden Ärztinnen und Ärzte die Daten der App einsehen und im Beratungsgespräch berücksichtigen.

Über die Handhabung der App werden die Patientinnen und Patienten in einem der ersten Gespräche mit ihrem Case-Manager aufgeklärt und erhalten umfangreiches Info-Material. Falls erforderlich helfen sie auch bei der Installation auf dem eigenen Handy und beantworten technische Fragen.

Infokasten

Die TK hat gemeinsam mit der Barmer und der DAK an bundesweit 15 Kliniken sogenannte Qualitätsverträge zur Knie- und Hüftendoprothetik abgeschlossen. Mit den Verträgen soll erprobt werden, ob höhere Qualitätsanforderungen und Anreize wie eine qualitätsabhängige Vergütung die stationäre Versorgung weiter verbessern können.



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