Hubert Forster

Klinikstrukturen im Wandel: Ein Landkreis macht’s vor

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plant eine weitreichende Krankenhausreform. Blick nach Baden-Württemberg: Das Konzept für die Klinikreform „Ortenau 2030 – Zukunft Gesundheit“ setzt bereits auf Spezialisierung und durchdachte Arbeitsteilung. Wie eine Neustrukturierung der Kliniklandschaft in einem Landkreis aussehen kann, berichtet Christian Keller, der Vorstandsvorsitzende des Ortenau-Klinikums.

Christian Keller ist Vorstandsvorsitzender des Ortenau-Klinikums.

Herr Keller, wie sieht das Konzept von Ortenau 2030 aus?

Zentraler Punkt ist die Bündelung von ehemals neun auf vier Klinikstandorte bis 2030. Damit haben wir schon 2018 begonnen, um auch über das Jahr 2030 hinaus für die gesamte Bevölkerung des Ortenaukreises eine erstklassige Krankenhausversorgung gewährleisten zu können. Mit der Neustrukturierung bündeln wir neben den Standorten auch unser medizinisches Leistungsangebot und ermöglichen neben einer Grund- und Regelversorgung eine größere Spezialisierung in einzelnen Bereichen der medizinischen Versorgung. Damit können wir auch künftig die zunehmenden bundes- und landespolitischen Vorgaben wie Mindestmengen und Qualitätsanforderungen erfüllen. Ein weiterer wichtiger Punkt unseres Konzepts ist die Umwandlung einiger ehemaliger stationärer Krankenhäuser in Zentren für Gesundheit (ZfG). Allein für diesen Umwandlungsprozess hat unser Träger Ortenaukreis 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Die Zahl der Häuser wird also auf vier reduziert werden, aus vier Standorten werden Gesundheitszentren. Was bedeutet das konkret?

Diese vier Standorte werden zu patientenorientierten Zentren für Gesundheit (ZfG) mit Portalfunktion sowie Notarzt- beziehungsweise Notfallversorgung weiterentwickelt. Kern der bisher drei begonnenen Weiterentwicklungen ist je ein Medizinisches Gesundheitszentrum mit mehreren Facharztpraxen. Darüber hinaus wird es eine stationäre Pflegeeinrichtung und je nach regionalem Bedarf Notarzt-/ Notfallstandorte, Gesundheitslotsen sowie die Möglichkeit für ambulante Operationen in den vorhandenen Operationssälen geben. Ein Beispiel für die Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung ist das ZfG Oberkirch. Dort pilotieren wir das neue Konzept der Genesungsbetten. Das sind stationäre Pflegebetten für Patientinnen und Patienten, die beispielsweise nach einer Operation noch Pflege benötigen, ohne jedoch auf die stationären Strukturen einer Klinik angewiesen zu sein.

Sie setzen damit schon Aspekte der bundesweiten Krankenhausreform um, Stichwort Spezialisierung und Gesundheitszentren. Spüren Sie Rückenwind aus Berlin?

Wir begrüßen grundsätzlich die Zielrichtung der Reform. Positiv sehen wir die Einführung von Vorhaltepauschalen. Damit wird ein größerer Teil der anfallenden Kosten der Kliniken abgedeckt und die Vergütung der Kliniken nicht ausschließlich von der Anzahl der Behandlungen abhängig gemacht. Allerdings sind viele Fragen zur Finanzierung im Detail noch nicht geklärt.
Positiv vor allem für die Patienten ist auch die stärkere Gewichtung der Spezialisierung der Leistungen und damit der Qualität der Behandlungen. Wir haben da mit unseren frühzeitigen Entscheidungen wichtige Zeit gewonnen und müssen nicht erst jetzt die Herausforderungen der Reform angehen.
Rückenwind für unsere Agenda spüren wir vom Land Baden-Württemberg, wo die Gespräche mit dem Sozialministerium über unsere Neubauprojekte sehr konstruktiv laufen. Sozialminister Manfred Lucha hat unser Projekt öffentlich als „Leuchtturmprojekt“ bezeichnet.

Was unternehmen Sie, um Ihre Patientinnen und Patienten, aber auch die Bevölkerung, von dem Projekt zu überzeugen?

Der Kreistag des Ortenaukreises hat unser Konzept 2018 mit einer knappen Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen. Auch die überwiegende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger steht hinter der Reform. Dass es an Standorten, an denen die stationäre Gesundheitsversorgung aufgegeben wurde, Befürchtungen insbesondere über die Aufrechterhaltung der Notfallversorgung gegeben hat, ist verständlich. Hier haben wir mit unseren Konzepten für die Zentren für Gesundheit überzeugen können. Mit Informationsveranstaltungen und der Kommunalen Gesundheitskonferenz haben wir die Bürgerinnen und Bürger sowie alle Beteiligten im Gesundheitswesen an der Erarbeitung von Konzepten beteiligt. Mit kritischen Stimmen haben wir stets den Dialog gesucht und offen kommuniziert.

Über unsere Serie „Klinikstrukturen im Wandel“

Die Krankenhauslandschaft ist historisch gewachsen und entspricht vielerorts nicht mehr dem Versorgungsbedarf. Wenn wir eine qualitativ hochwertige und bedarfsgerechte Versorgung gewährleisten wollen, sind Veränderungen also dringend notwendig. Unsere Beispiele zeigen, wie solche Veränderungsprozesse gelingen können – und dass Versorgungsqualität nicht an die Erhaltung einzelner Standorte gebunden sein muss.



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